"Pille danach"

Regierung schaltet auf stur

Seit November vergangenen Jahres streiten Bundesregierung und Bundesrat über die Rezeptfreiheit für das Notfallkontrazeptivum Levonorgestrel - eine Lösung ist nicht in Sicht. Jetzt könnte der Streit über die entsprechende EU-Verordnung eskalieren.

Florian StaeckVon Florian Staeck Veröffentlicht:
Weiter Streit um die "Pille danach": die Bundesregierung stellt sich beim OTC-Switch stur.

Weiter Streit um die "Pille danach": die Bundesregierung stellt sich beim OTC-Switch stur.

© Rolf Vennenbernd / dpa

BERLIN. Im Streit um die Freigabe des Notfallkontrazeptivums Levonorgestrel (LNG) bleiben die Fronten verhärtet. Das Bundesgesundheitsministerium hat dem Bundesrat die entsprechende Verordnung erneut vorgelegt.

Sie enthält nicht die vom Bundesrat ausdrücklich geforderte Entlassung von Levonorgestrel (mit bis zu 1,5 mg des Wirkstoffs pro abgeteilter Arzneiform) aus der Verschreibungspflicht.

Am 8. November 2013 hatte die Länderkammer beschlossen, einer Änderung der Arzneimittel-Verschreibungsverordnung nur dann zuzustimmen, wenn darin auch die Freigabe von LNG erfolgt. Verpackt ist diese Änderung in eine Verordnung, mit der eine EU-Richtlinie umgesetzt werden soll.

Diese regelt die Anerkennung von in anderen EU-Mitgliedstaaten ausgestellten Verschreibungen. Mit seiner sogenannten "Maßgabe" hat der Bundesrat ein Junktim hergestellt: Entweder stimmt die Bundesregierung der Rezeptfreiheit für LNG zu - oder die Umsetzung der gesamten EU-Richtlinie liegt auf Eis.

Mit der erneuten Vorlage der Verordnung am 11. April (Bundesratsdrucksache 169/14) schaltet die Regierung jedoch auf stur. Im Anschreiben vom Chef des Bundeskanzleramts, Peter Altmaier, an den Präsidenten des Bundesrats, Stephan Weil (SPD), heißt es: Die Maßgabe, LNG aus der Verschreibungspflicht zu entlassen, "ging über die Zielsetzung der ausschließlichen Umsetzung der EU-Richtlinien hinaus und wird unterschiedlich bewertet".

Druck aus Brüssel wird wachsen

Daher könne die Verordnung in der vom Bundesrat geforderten Form "nicht verkündet werden".

Im März hatte BMG-Staatssekretärin Ingrid Fischbach (CDU) auf eine parlamentarische Anfrage der Links-Fraktion noch geantwortet, die Bundesregierung prüfe "derzeit das weitere Vorgehen". Nun haben sich BMG und Bundeskanzleramt offensichtlich entschieden, nicht von der bisherigen Linie abzurücken.

Allerdings gegen den Sachverstand im eigenen Haus. Im Januar hatte der Ausschuss für Verschreibungspflicht im Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) seine Empfehlung bekräftigt, die Verschreibungspflicht für LNG aufzuheben.

Ungeachtet der erneuten Vorlage der Verordnung in der Länderkammer bleibt der Entscheidungsdruck in der Sache. Denn die entsprechende EU-Richtlinie hätte bereits bis zum 25. Oktober 2013 in deutsches Recht umgesetzt werden müssen.

Die EU-Kommission hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet, im März endet eine Anhörungsfrist für die Bundesregierung.

Bewegt sich im Streit von Bundesregierung und Bundesrat nichts, könnte Brüssel im nächsten Schritt eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof auf den Weg bringen. Wird dort eine Vertragsverletzung bestätigt, könnten Bußgelder für Deutschland fällig werden.

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

EU-Pharma Agenda: Impulse für die Arzneimittelversorgung in Deutschland

Arzneimittelversorgung in der EU: Status und Ausblick aus Sicht der GKV

Kooperation | Eine Kooperation von: AbbVie Deutschland, DAK Gesundheit, MSD Sharp & Dohme, Novo Nordisk, Roche Pharma, vfa und Xcenda
Kommentare
Wolfgang Ebinger 24.04.201408:32 Uhr

Neusprech

Ja, wir haben richtig gelesen: Levonorgestrel ist ein NOTFALL-kontrazeptivum! Wir leben mittlerweile in einer derart promiskuitiven Gesellschaft, in der "die schönste Sache der Welt" zu einem billigen Zeitvertreib geworden ist, statt dass sie in einem durch das Grundgesetz geschützen lebenslangen Bund erfüllend geschenkt und genossen wird. Kinder werden nur noch selten "mit Liebe gemacht", geschweige denn, mit elterlicher Liebe geformt, geprägt und erzogen. Art. 6 Abs 2 und 3 GG ist offenbar VÖLLIG aus den Köpfen unserer Gesellschaft verbannt worden. Kein Wunder also, dass neues Leben eine Wegwerfware geworden ist, dessen Entstehung zu einem "Notfall" mutiert ist. Wenn das nicht als "pervers" (lat. pervertere = verkehren) bezeichnet werden kann, was dann?

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Akutes Nierenversagen

Fragwürdige Nierentherapien: Nicht unnötig spülen!

Sie fragen – Experten antworten

Zoster-Impfung keine Hilfe bei Lippenherpes

Lesetipps
Eine Person balanciert auf einem Grad.

© RFBSIP / stock.adobe.com

Große Datenbankanalyse

Schwindel als mögliches Warnsignal für Alzheimer

RSV-Impfung: Was empfiehlt die DEGAM für Pflegeheimbewohner?

© Porträt: Antje Boysen / DEGAM | Spritze: Fied

Sie fragen – Experten antworten

RSV-Impfung: Was empfiehlt die DEGAM für Pflegeheimbewohner?