Erika Baum im Audio-Interview

„Primärarztsystem nicht völlig abtrennen“

Drei Jahre stand Professor Erika Baum an der Spitze der DEGAM. Im Interview mit der „Ärzte Zeitung“ lässt sie ihre Amtszeit Revue passieren – und spricht über Chancen für ein Primärarztsystem.

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:
Seit Donnerstagabend ist Professor Erika Baum nicht mehr Präsidentin der DEGAM.

Seit Donnerstagabend ist Professor Erika Baum nicht mehr Präsidentin der DEGAM.

© Denis Nößler

ERLANGEN. Die frühere Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin (DEGAM), Professor Erika Baum, hat sich für ein flächendeckendes Primärarztsystem über die hausarztzentrierte Versorgung (HzV) hinaus ausgesprochen.

„Ich bin da offen“, ob ein solches Modell nicht besser im KV-System angesiedelt sein müsste, sagte sie im Audio-Interview mit der „Ärzte Zeitung“ (siehe unten) am Donnerstag am Rande der 53. Jahrestagung der DEGAM in Erlangen.

Die HzV sei „historisch entstanden, weil wir in der Minderheit waren und mit allen möglichen Initiativen wirklich gegen die Wand gelaufen sind. Ich bin dafür, dass man langfristig die Dinge wieder zusammenführt und da nicht völlig getrennte System hat“.

Baum, die bei der Präsidiumswahl der DEGAM am Donnerstag nicht erneut für das Spitzenamt angetreten war, sprach sich in Erlangen dafür aus, „starke Incentives für ein Primärarztsystem“ einzuführen. Ein solches Modell müsse nicht verpflichtend sein. „Am besten funktioniert Geld.“

Als die „dicksten Bretter“, die ihr Fach in den kommenden Jahren zu bohren habe, nannte sie den Hausärztemangel und „die schlechte Koordination und Strukturierung unseres Gesundheitssystems“. „Dieses sehr freizügige System hat massive Nachteile, was vielen nicht wirklich bewusst ist“, so Baum.

Objektiv betrachtet sei „unser System verdammt teuer“ und habe ein „verdammt schlechtes Outcome“. So habe Deutschland in Nordeuropa die geringste Lebenserwartung und liege unter dem Schnitt der OECD-Länder bei der „subjektiven Gesundheit“.

Verbessern ließe sich das laut Baum nur mit einer „guten hausärztlichen Grundversorgung und guter Kooperation“, auch zu nichtärztlichen Berufen und den Patienten. Bei Letzteren gelte es die Gesundheitskompetenz auszubauen.

Zunehmend Unterrichtsanteile an den Hochschulen

Als Erfolge der DEGAM in den letzten Jahren nannte Baum „unser Standing an den Hochschulen“, das „deutlich besser“ geworden sei. „Wir haben fast flächendeckend Abteilungen für Allgemeinmedizin und zunehmend Unterrichtsanteile.“

Und in der Weiterbildung gehe die Zahl der Abschlüsse zum Facharzt für Allgemeinmedizin seit zwei Jahren nach oben – von ehemals rund 1100 im Jahr 2016 auf zuletzt etwa 1500. Das sei zwar „immer noch zu wenig, wir sind aber auf dem richtigen Weg“.

Die Kompetenzzentren für die Weiterbildung nannte sie ein „absolutes Erfolgsmodell“. Die Zentren bieten unter anderem Mentoring-Programme an. Für Baum ein „echter Qualitätssprung“. Die DEGAM sieht sich mit den Zentren als „Vorreiter“ und „Vorbild für andere Fächer“.

Ein Höhepunkt war für Erika Baum während ihrer Präsidentschaft das „Etablieren der Spitzentreffen aller allgemeinmedizinischen Hochschulabteilungen“. Dieses Format sei für sie „ganz, ganz wichtig für die interne Vernetzung“. Als anderes Highlight nannte Baum den Zuschlag für die WONCA Europe Conference 2020, die von der DEGAM erstmals ausgerichtet wird.

Baum weiterhin im Präsidium

Baum, die die DEGAM seit 2016 geführt hat, war nicht erneut als Präsidentin angetreten. Zum Abschied aus dem Amt gab es für sie beim DEGAM-Kongress großen Applaus.

Zum neuen DEGAM-Präsidenten wurde Professor Martin Scherer gewählt. Baum bleibt dem Präsidium jedoch als Schatzmeisterin erhalten. Außerdem will sie sich nun auf ihre Tätigkeit als Kongresspräsidentin beim WONCA 2020 konzentrieren.

Die 25. Jahrestagung des europäischen Ablegers der Weltorganisation für Allgemein- und Familienmedizin findet vom 24. bis 27. Juni 2020 in Berlin zeitgleich zur DEGAM-Jahrestagung statt.

Lesen Sie dazu auch: Gewählt: Martin Scherer ist neuer DEGAM-Präsident DEGAM: Mindestens 2100 neue Hausärzte werden pro Jahr benötigt

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