Spahns Kehrtwende in der Gesundheitspolitik

Schleusen auf für mehr Geld

Kosten zu senken, war jahrzehntelang das oberste Gebot in der Gesundheitspolitik. Spahn macht das anders: Seine initiierten Gesetze bescheren den Kassen Mehrausgaben und Mindereinnahmen von bis zu 5,6 Milliarden Euro.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
40Jahre Kostendämpfung sind beendet: Gesundheitsminister Spahn hat mit seinen Gesetzesvorhaben die Schleusen für mehr Geld in der Gesundheits- und Pflegeversorgung geöffnet.

40Jahre Kostendämpfung sind beendet: Gesundheitsminister Spahn hat mit seinen Gesetzesvorhaben die Schleusen für mehr Geld in der Gesundheits- und Pflegeversorgung geöffnet.

© vege / Fotolia

BERLIN. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die mehr als 40 Jahre dauernde Ära der Kostendämpfung endgültig beendet und die Schleusen für mehr Geld in der Gesundheits- und Pflegeversorgung geöffnet.

Allein die in den ersten neun Monaten seiner Amtszeit beschlossenen und initiierten Gesetze kosten die Krankenkassen aufgrund von Mindereinnahmen und Mehrausgaben zwischen 4,6 und knapp 5,6 Milliarden Euro – das ist deutlich mehr als die für das Gesamtjahr 2018 zu erwartenden Überschüsse von geschätzt drei Milliarden Euro.

Die Folge: Finanzreserven von Kassen und Gesundheitsfonds werden in den nächsten Jahren sinken.

Dies geht aus einer Auswertung der vorliegenden Begründungen in den Gesetzentwürfen hervor. Diese enthalten grundsätzlich auch Kostenabschätzungen für die Kranken- und Pflegeversicherung, für die Wirtschaft, die Bürger und die staatlichen Haushalte.

Pflegegesetze kosten Geld

Das für die Krankenkassen teuerste Projekt ist das bereits verabschiedete Pflegepersonal-Stärkungsgesetz. Die zusätzlichen Ausgaben könnten sich – wie aus den Anlagen zum Gesetzentwurf hervorgeht – auf 2 bis 2,5 Milliarden Euro summieren.

Allein das Sofortprogramm für 13.000 zusätzliche Stellen für die medizinische Behandlungspflege in Heimen kostet 640 Millionen Euro.

Weitere 1 bis 1,5 Milliarden Euro Zusatzausgaben kommen auf die Kassen zu, wenn ab 2020 die Pflegepersonalkosten aus den Fallpauschalen herausgenommen und nach dem Kostendeckungsprinzip voll refinanziert werden.

Dieser größte Kostenblock in Kliniken macht insgesamt rund 30 Milliarden Euro (2016) aus und dürfte sich – weil Tarifsteigerungen laut Gesetz künftig voll von den Krankenkassen bezahlt werden müssen – dynamisch entwickeln.

Mehrausgaben der Kassen von 570 Millionen Euro

Deutlich mehr als eine Milliarde Euro könnte auch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) kosten. Das Problem: Relativ gut kalkulierbar ist nur die für 2021 vorgesehene Erhöhung des Festkostenzuschusses beim Zahnersatz von 50 auf 60 Prozent.

Die Mehrausgaben der Kassen beziffert das BMG auf 570 Millionen Euro. Dagegen lassen sich die vielfältigen geplanten Vergütungsanreize für die Vertragsärzte kaum berechnen. Hier nennt das Ministerium einen „mittleren dreistelligen Millionenbetrag“, gibt aber keine konkrete Zahl an.

Die geplanten Zuschläge für mehr und schnelleren Leistungen werden extrabudgetär gezahlt. Welche zusätzlichen Ausgaben dies verursacht, hängt vom Verhalten der Patienten und Ärzte ab.

Teuer für die Krankenkassen wird auch das zum 1. Januar in Kraft getretene Versichertenentlastungsgesetz: 800 Millionen Euro werden den Kassen nach BMG-Angaben fehlen, weil die Mindestbeitragsbemessungsgrundlage für Selbstständige auf weniger als die Hälfte auf nunmehr 1038 Euro gesenkt worden ist.

Ab 2020 müssen Kassen mit hohen Überschüssen ihre Finanzreserven beschleunigt abbauen. Die daraus resultierenden Mindereinnahmen aufgrund von Beitragssenkungen beziffert das BMG auf 500 bis 750 Millionen Euro.

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