Crystal-Sucht

Selbst Kinder sind gefährdet

Sachsen wehrt sich gegen eine Crystal-Schwemme. Die Droge ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, sagen Experten. Selbst Kinderärzte müssen alarmiert sein.

Von Thomas Trappe Veröffentlicht:
Ein Zollfahnder hält in Dresden sichergestelltes Crystal in den Händen.

Ein Zollfahnder hält in Dresden sichergestelltes Crystal in den Händen.

© Arno Burgi/dpa

LEIPZIG. Nach der Krabbelgruppe in die Drogentherapie: Es ist ein drastisches Bild, das Markus Thömer andeutet, doch steckt erschreckend wenig Übertreibung darin.

Seit fünf Jahren arbeitet der Sozialpädagoge im Fachbereich Familienhilfe des Klinikums St. Georg in Leipzig, ist heute deren Leiter.

Es ist eine besondere Familienhilfe, die es in Sachsen nur einmal und bundesweit auch nicht häufig gibt: Eine Anlaufstation für Familien mit Suchtproblemen, Schnittstelle zwischen Jugendhilfe und Drogenberatung.

Zu Thömer und seinen zwei Mitarbeitern in die Suchtberatung kommen Eltern, die aufgrund der Drogensucht die Erziehung ihrer Kinder nicht mehr auf die Reihe kriegen, und eben auch Kinder, die gefährdet sind, dem falschen Vorbild zu folgen. "Mit vier Jahren kann das beginnen", sagt Thömer. Und immer häufiger geht es um die eine Droge: Crystal.

Seit zwei Jahren beobachtet Thömer einen enormen Anstieg des Konsums, er bestätigt damit einen Trend, der landesweit festzustellen ist.

"70 bis 80 Prozent unserer Klienten haben mit Crystal zu tun", sagt Thömer, betont aber, dass die meisten auch andere Drogen nehmen, die größte Verbreitung immer noch der Alkohol habe.

Definitiv allerdings sei Crystal in Sachsen "in der Mitte der Gesellschaft angekommen", anders als die Bahnhofsdroge Heroin, die Crystal vor zwei Jahren schlagartig als Nummer eins abgelöst habe.

Sachsen ist Crystal-Spitzenreiter

Sachsenweit sind die Zahlen eindeutig: Laut Statistischen Landesamt kamen 2010 noch knapp 1900 Klienten wegen einer Crystalsucht in die landesweiten Drogenberatungsstellen, im vergangenen Jahr waren mehr als 4300. Parallel sinken die Quoten bei Opioiden, also Heroin und Cannabis rapide.

Sachsen ist damit bundesweit Spitzenreiter bei Crystal - als ursächlich wird dafür vor allem die Nähe zur tschechischen Grenze gesehen, von wo die Droge im großen Stil nach Deutschland kommt.

Die Landesärztekammer macht schon länger auf das Problem aufmerksam, kritisierte auch schon eine abwartende Haltung bei der Landesregierung. Das hat sich jetzt geändert, denn auch im Dresdner Sozialministerium ist man inzwischen wegen der Zahlen alarmiert.

"Die erhebliche Zunahme des Hilfebedarfs aufgrund des Crystal-Konsums und die daraus resultierenden gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Schäden erfordern einen ganzheitlichen Bekämpfungsansatz", erklärte Ministerin Christine Clauß - und kündigte einen Zehn-Punkte-Plan an.

Der Plan sieht unter anderem mehr Polizeiarbeit, mehr Geld für Präventionsprogramme und grenzüberschreitende Zusammenarbeit vor. Außerdem wurde in der Jugend-JVA in Zeithain eine Therapiestation eröffnet, die sich speziell an Crystal-Konsumenten wendet, es gibt Workshops für Suchtberatungsstellen, die sich mit der Droge beschäftigen.

Sämtliche Schulleiter weiterführender Schulen sind angehalten, einen Ansprechpartner im Kollegium zu benennen. Der Freistaat verweist aber auch darauf, dass Unterstützung auf Bundesebene unabdingbar sei.

Crystal-Konsum nicht einfach zu erkennen

Die Landesärztekammer bietet inzwischen Kurse zum Thema an, nach Einschätzung des Sozialministeriums spiele die Ärzteschaft eine erhebliche Rolle bei der Früherkennung von Crystal-Sucht.

"Hinsichtlich der Vielzahl von Begleiterscheinungen und Nebenwirkungen - zum Beispiel Schädigungen der Zähne, Ekzeme, Amenorrhö, ungewollte Schwangerschaften - bei dauerhaftem Konsum können die Haus- und Fachärzte das Suchtkrankenhilfesystem unterstützen", so Ministeriumssprecher Ralph Schreiber.

Markus Thömer arbeitet vor allem mit Kinderärzten zusammen, "und zwar sehr gut", wie er sagt. Zwar gebe es noch manchen Mediziner, der mit dem Thema nicht vertraut ist, dies ändere sich aber.

Gerade in der Pädiatrie scheint dabei eine Sensibilität für das Thema angebracht; zum einen wegen der Suchtgefährdung für die Kinder, zum anderen durch die Gefahr, die Crystal für die Familie darstellt.

"Nach längerem Konsum führt die Droge oft zu Psychosen. Das ist in diesem Kontext natürlich besonders gefährlich."

Einfach zu erkennen ist Crystal-Konsum dabei nicht. Anders als das sedierende Heroin ist Crystal eine "Upper-Droge", die bei Konsumenten ähnlich wie Kokain zum Gefühl gesteigerter Leistungsfähigkeit und mitunter auch Libido führt.

"Deshalb ist die Droge auch so weit verbreitet bei Menschen, die mitten im Leben stehen und oft auch erfolgreich im Beruf sind. Wenn krasse Änderungen der äußeren Erscheinung auftreten, ist die Sucht meist schon sehr weit fortgeschritten", so Thömer.

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