Brustkrebs-Diagnostik

Sorgt die Selbstverwaltung für eine Zweiklassen-Medizin?

Diagnostische Gentests für Brustkrebs-Patientinnen können ab Oktober nicht mehr so leicht auf GKV-Kosten verordnet werden. Die Pathologen sind entsetzt - und warnen: Kassen-Patientinnen müssen dadurch unnötig leiden.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Professor Werner Schlake, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Pathologen.

Professor Werner Schlake, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Pathologen.

© Bundesverband Deutscher Pathologen e.V.

BERLIN. Bis zu 24.000 Brustkrebspatientinnen im Jahr drohen Einschränkungen ihrer Therapiemöglichkeiten. Davon sind Vertreter des Bundesverbands Deutscher Pathologen überzeugt.

Grund: Zum 1. Oktober sollen die Möglichkeiten erschwert werden, prädiktive Gentests zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen zu verordnen. Jedes Jahr wird bei etwa 74.000 Frauen ein Brustkrebs neu diagnostiziert.

In den vergangenen beiden Jahren hätten Pathologen diese Tests auch für gesetzlich versicherte Patientinnen vorgenommen, hat die Chefredakteurin des Brustkrebsmagazins "Mamma Mia", Eva Schumacher-Wulf, in einem offenen Brief an den GKV-Spitzenverbandsvorsitzenden Johann-Magnus Freiherr von Stackelberg geschrieben.

Die anstehenden Einschränkungen der Erstattungsfähigkeit führe dazu, dass privat versicherte Patientinnen eine moderne Diagnostik erhielten, gesetzlich versicherte eine Chemotherapie.

Wegen der nicht eindeutigen Regelungen wurden die Gentests zeitweilig in einigen Bundesländern bezahlt, in anderen nicht. Kassen behalfen sich mit Einzelfallentscheidungen.

GKV: Gentests waren noch nie im Leistungskatalog

Der GKV-Spitzenverband hat die Vorwürfe umgehend zurückgewiesen. Solche Tests in den Leistungskatalog aufzunehmen, sei Sache des Gemeinsamen Bundesausschusses.

"Es ist bedauerlich, dass von einzelnen Personen oder Organisationen fälschlicher Weise behauptet wird, dass diese Tests bisher Bestandteil des Leistungskatalogs der Krankenkassen waren und dass sich dies nun ändert", sagte Verbandssprecher Florian Lanz. Voraussetzung für eine Aufnahme in den Leistungskatalog seien valide Studien. Diese lägen bislang nicht vor.

In die gleiche Kerbe hieb auch der Pressesprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Roland Stahl: "Wir verweigern uns den Genexpressionstests nicht per se."

Voraussetzung für eine Diskussion im Gemeinsamen Bundesausschuss sei aber eine Studienlage, nach der diese Tests allen gesetzlich Versicherten zur Verfügung stehen sollten.

Nachdem die KBV die Abrechnungsfähigkeit dieser Leistungen noch vor einem Jahr verneint habe, nehme er nach einem Gespräch mit KBV-Chef Dr. Andreas Köhler in der vergangenen Woche bei den Ärzten ein Umdenken wahr, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Pathologen, Professor Werner Schlake, am Mittwoch in Berlin.

Treiber der Gegnerschaft sei der GKV-Spitzenverband. Er verhindere im Bewertungsausschuss, dass Diagnostika eine Abrechnungsziffer erhielten.

Nach wie vor gebe es keine einzige molekularpathologische Ziffer im EBM. Als konkretes Beispiel nannte Schlake den Genexpressionstest "EndoPredict".

Professor Schlake: Patientinnen müssen unnötig leiden

Der Test identifiziere die Patientinnengruppe, bei der die Krankheit bei alleiniger Antihormontherapie mit rund 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit in den nächsten zehn Jahren nicht fortschreite und keine Fernmetastasen entwickele, heißt es in einer Pressemitteilung.

Die Genauigkeit des Tests sei in zwei breit angelegten wissenschaftlichen Studien bewiesen worden, heißt es in einer Pressemitteilung des Pathologie-Zentrums Hannover.

Die Abwehrhaltung des Spitzenverbandes setze Patientinnen unnötigen chemotherapeutischen Behandlungen aus. "Die in der GKV vorherrschende Geisteshaltung ist Unkenntnis und Furcht sowie betont monetäre Sichtweise", sagte Schlake.

GKV-Patientinnen würden mögliche Alternativbehandlungen vorenthalten und ihre bestehenden Chancen beschnitten. Die Verweigerungshaltung des GKV-Systems verursache echte Zweiklassen-Medizin.

Dies sei nicht nachzuvollziehen, da der Einsatz der Genexpressionstests bei der gesetzlichen Krankenversicherung Millionen Euro einsparen könnte, sagte Schlake.

Brief an Bahr: Gentests können Geld sparen helfen

Dies ist auch die Auffassung von Professor Marion Kiechle, der Direktorin der Frauenklinik der TU München.

In einem Schreiben an Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), das der "Ärzte Zeitung" vorliegt, verweist sie auf gesundheitsökonomische Berechnungen, dass die Einsparungen, die sich aus der Vermeidung der Chemotherapie ergäben, die Zusatzkosten für die Tests weit überstiegen. Gleichzeitig verbessere sich die Lebensqualität der Patientinnen.

Der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Pathologen hat in diesem Zusammenhang ein Umdenken aller politischen Instanzen und Organisationen der Selbstverwaltung beim Umgang mit Innovationen gefordert.

So müsse sich das im nationalen Krebsplan formulierte Ziel des fairen und schnellen Zugangs aller Patienten zu nachweislich wirksamen innovativen Krebstherapien in zügigem Handeln von Gemeinsamen Bundesausschuss und Bewertungsausschuss widerspiegeln, sagte Schlake.

Jede Zulassung von Krebsarzneimitteln solle unmittelbar mit der Finanzierung der dafür zwingend notwendigen Diagnostik verbunden werden.

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