Hintergrund

Spalten regionale Honorare die Ärzteschaft?

Der Traum von der regionalen Honorarfreiheit ist mit dem Versorgungsstrukturgesetz Wirklichkeit geworden. Trotzdem fürchten einige KVen, dass dieser Traum nicht mehr als das Verteilen eines Mangels ist. Und dass ihr regionaler Verhandlungsspielraum gar nicht so groß ist.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Immerhin: Künftig können die KVen bei der Geldverteilung regionale Besonderheiten und Versorgungssituationen berücksichtigen.

Immerhin: Künftig können die KVen bei der Geldverteilung regionale Besonderheiten und Versorgungssituationen berücksichtigen.

© Jakub Krechowicz / fotolia.com

Seit Januar liegt die Honorarverteilung theoretisch wieder in regionalen Händen - nämlich den Händen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen). Doch zu überschwänglichem Optimismus führt das bei vielen KVen nicht.

Sie fürchten nicht selten eine reine Umverteilung des Honorarmangels und dementsprechend, dass sie in ihren Praxisreihen nicht nur Gewinner haben werden. Wenn die KBV überhaupt einen Spielraum für regionale Honorarsystematiken zulässt - denn auch das fürchtet die eine oder andere KV.

Einschätzungen von neun KVen

Neun KVen haben gegenüber der "Ärzte Zeitung" eine Einschätzung abgegeben, was die wieder gewonnene regionale Verantwortung für die Honorare an Vorteilen, aber auch an Nachteilen bringt.

Generell stößt der Wunsch des Gesetzgebers, den er im Versorgungsstrukturgesetz (VStG) festgeschrieben hat, die Regionen wieder stärker auch in Honorarfragen zu beteiligen, bei den KVen Hamburg, Schleswig-Holstein, Berlin, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein, Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg auf Zustimmung.

Es gibt keine KV, die diesen Gesetzespassus ablehnt. Denn so lassen sich, auch das ist großer Konsens, nun wieder lokale Probleme und Entwicklungen besser berücksichtigen. "Wir haben dadurch die Möglichkeit, die Honorarverteilung bedarfsgerechter zu gestalten", sagt etwa Marco Dethlefsen, Pressesprecher der KV Schleswig-Holstein.

Medaillen mit zwei Seiten

Mehr Flexibilität erhofft sich auch die KV Rheinland-Pfalz. Mehr Honorarverantwortung in der Region werde nämlich auch die Möglichkeit schaffen, stärker die regionalen ärztlichen Gremien - etwa die Vertreterversammlung und die beratenden Fachausschüsse - in Entscheidungen einzubinden. Und: Zeige sich ein Anpassungsbedarf, könnten Änderungen schneller vorgenommen werden.

Die glänzende Medaille hat aber auch ihre Kehrseite: Die regionalen Verhandlungen trügen das Risiko in sich, dass unter Umständen schlechtere Ergebnisse erzielt würden, heißt es vonseiten der KV Berlin.

Diese vorsichtig ausgedrückte Angst sitzt bei der KV Nordrhein (KVNo) wesentlich tiefer. "Die Honorar- und auch die Gesamtvergütungskompetenz wieder auf die KV-Ebene zu verlagern, ist nicht geeignet, die Vergütungsunterschiede zwischen den KVen zu beheben", erklärt KVNo-Pressereferentin Karin Hamacher.

"Teile des ärztlichen Honorars, die in einer Region vor der Honorarreform mit den Krankenkassen verhandelt wurden und mit der Vergütungsreform wieder abgeflossen sind, können nicht in regionalen Verhandlungen zurückgeholt werden. Für die KV Nordrhein wäre die Konvergenz wichtiger gewesen als die Regionalisierung."

Eine Angst, die vor dem Hintergrund, dass Nordrhein bei den RLV-Fallwerten lange zu den Schlusslichtern zählte - in 2010 lag der Hausarzt-Fallwert durchgängig zwischen 31,28 Euro und 33,96 Euro -, durchaus verständlich ist.

Erst in 2011 konnte Nordrhein Hausarzt-Fallwerte von 37 Euro aufwärts erzielen, doch just zum Jahresstart 2012 sackte der Fallwert wieder auf 35,77 Euro ab.

"Darin liegt Konfliktpotenzial"

Doch nicht nur KVen mit dünner Honorardecke sehen die Gesetzesänderung, der 2012 keine Honoraranpassung folgt, kritisch.

Gleichgültig, welche Veränderungen prospektiv von den dafür zuständigen ärzt lichen Gremien beschlossen würden, werde es wegen des nur moderaten Zuwachses der morbiditätsorientierten Gesamtvergütung (MGV) von 1,25 Prozent in diesem Jahr zu Umverteilungen mit Gewinnern und Verlierern kommen, sagt Dr. Ingo Mohn, Pressesprecher der KV Sachsen. "Darin liegt zweifelsfrei Konfliktpotenzial."

Die KV Sachsen gehörte immerhin zu jenen Regionen, die 2011 einen Hausarzt-Fallwert von über 40 Euro durchhielten, bei Fallzahlen um die 950.

Ähnlich sieht es die KV Sachsen-Anhalt, deren Hausarzt-Fallwert vom vierten Quartal 2010 bis zum ersten Quartal 2012 im Schnitt zwar bei 36,08 Euro lag. Aber immerhin erreichte die Region Fallzahlen um die 1050 bis 1100. Trotzdem erklärt die KV: "Bei Fortbestand der Unterfinanzierung der MGV, da die behandelte Morbidität bei der MGV 2012 überhaupt nicht und ab 2013 nicht vollständig anerkannt wird, bleibt der Honorarverteilungsmaßstab ein Instrument zur Verteilung des Mangels an Honorar."

Hamburgs Hausärzte fast durchgängig die Schlusslichter

Ganz anders das Bild in Hamburg: Hamburgs Hausärzte bilden fast durchgängig die Schlusslichter bei den RLV-Fallwerten. Trotzdem ist sich Walter Plassmann, stellvertretender KV-Vorsitzender, sicher, in den regionalen Verhandlungen das Maximale für Hamburgs Ärzte herausholen zu können.

Das liege daran, dass in Hamburg in den letzten Jahren im Bundesvergleich eine außerordentlich abweichende Versorgungsform geherrscht habe - weil dort viele Patienten aus dem angrenzenden KV-Gebiet Schleswig-Holstein in die Praxen kommen.

Mit der KV Schleswig-Holstein habe man deshalb nun vereinbart, den Honorarverteilungsmaßstab möglichst gleich zu gestalten. Damit die Ärzte in beiden KVen unter gleichen Bedingungen arbeiten können. Plassmann sieht zudem die Fallwerte weniger problematisch.

Denn Hamburgs Fallwert - zumindest der der ausbezahlt würde - liege so um die 45 bis 50 Euro, weil die KV im Norden viele qualifikationsgebundene Zusatzvolumina (QZV) habe. Und betrachte man diesen Fallwert, sei Hamburg sicherlich nicht das Schlusslicht.

Zuversicht im Südwesten

Sehr optimistisch äußert sich auch die KV Baden-Württemberg. "Tatsächlich sieht die KVBW den künftig größeren Spielraum für die regionale Honorarverteilung nach Paragraf 87b SGB V (in der Fassung des GKV-VStG) sehr positiv, da wir überzeugt sind, vor Ort bessere Lösungen für die Honorarverteilung gestalten zu können, als dies bislang durch die bundesweit vorgeschriebenen Beschlüsse des Bewertungsausschusses möglich war", so Cornel-Andreas Güss, Leiter des Geschäftsbereichs Abrechnung.

Bei der KV Saarland ist man hingegen noch gar nicht so sicher, ob der regionale Spielraum so groß sein wird. Wie KV-Vorstand Dr. Gunter Hauptmann erklärt, liege die entscheidende Regelungskompetenz zunächst bei der KBV.

Diese soll in der Tat - auch nach VStG - die Vorgaben für die Honorarverteilung machen und etwa sicherstellen, dass die haus- und fachärztliche Trennung bei der Vergütung erhalten bleibt.

KV Hessen will abwarten

Dafür sollen die KVen wieder wesentlich bei der Honorarentwicklung mitentscheiden. Allerdings erst ab 2013, denn dann werden KBV und GKV-Spitzenverband im Bewertungsausschuss nur noch Empfehlungen zur Weiterentwicklung der Gesamtvergütung erarbeiten.

So zumindest teilt es auch die KBV in ihrem Infoblatt "Das Versorgungsstrukturgesetz" mit.

Erst einmal abwarten, was kommt, will deshalb die KV Hessen. Man befinde sich noch im internen Diskussionsprozess, inwieweit die KV die Möglichkeit, die Honorarverteilung wieder stärker zu bestimmen, nutzen wolle, sagt Karl Matthias Roth, Abteilungsleiter Kommunikation bei der KV Hessen.

Dieses Jahr bleibt für Ärzte also spannend.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Honorarfreiheit ist nicht "umsonst"

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