Infizierte Ärzte und Pflger
Spaniens Ärzte klagen rechtlich Schutzkleidung im Corona-Kampf ein
Mediziner beklagen unhaltbare Zustände in der Corona-Pandemie. Mittlerweile sind in dem südeuropäischen Land über 5400 Ärzte und Pfleger mit SARS-CoV-2 infiziert.
Veröffentlicht:
Spanisches Gesundheitspersonal vor der Klinik. Mittlerweile herrscht in vielen Krankenhäusern ein dramatischer Engpass an Schutzmaterialien.
© Pablo Miranzo / ZUMAPRESS.com / picture alliance
Madrid. Die Zeit des Bettelns ist vorbei. Spaniens Ärzte klagen nun gerichtlich die Versorgung mit klinischem Schutzmaterial im Kampf gegen die Coronavirus-Epidemie ein. Am Mittwoch reichte der spanische Ärztegewerkschaftsverband CESM am Obersten Gerichtshof in Madrid Anzeige gegen die spanische Regierung ein.
„Wir können so nicht weiterarbeiten. Es gibt Kollegen, die sich aus Regenmänteln und Plastikmüllsäcken Schutzkleidung basteln und seit Tagen mit demselben Mundschutz arbeiten müssen“, erklärt CESM-Generalsekretär Gabriel Del Pozo gegenüber spanischen Medien. Der Staat sei gesetzlich in der Pflicht, seine Angestellten zu schützen.
Am Mittwoch akzeptierte auch ein Richter die Anzeige der Madrider Krankenhausärztegewerkschaft AMYTS und gab der Regionalregierung 24 Stunden Zeit, dass Gesundheitspersonal in der spanischen Hauptstadt ausreichend vor einer möglichen Ansteckung mit dem neuen Coronavirus zu schützen.
Regionalregierungen werden selbst aktiv
Unterdessen nimmt die Epidemie in Spanien immer dramatischere Ausmaße an. Das Land zählte am Mittwoch fast 48 .000 Infizierte.
Das Virus breitet sich dabei vor allem besorgniserregend schnell unter dem Gesundheitspersonal aus. Waren es am Montag noch 4000 infizierte Ärzte, Sanitäter und Krankenpfleger, wurden am Mittwoch mehr als 5400 Beschäftigte im Gesundheitswesen positiv auf das Virus getestet – rund zwölf Prozent aller Infizierten.
„Da bisher selbst wenig Gesundheitspersonal überhaupt getestet wurde, dürfte die Dunkelziffer noch höher liegen“, so CESM-Vorsitzender Del Pozo.
Die Ärzteschaft klagt bei der Verteilung von Schutzkleidung über eine vollkommene Fehlkoordination. Die spanische Zentralregierung gibt ihre Probleme beim Bestellen von klinischem Schutzmaterial zu. Das im Ausland georderte Material würde nur langsam, eintreffen. So ergriffen bereits einzelne Regionalregierungen die Initiative und charterten parallel zur Zentralregierung eigenständig Flüge mit klinischem Schutzmaterial an Bord.
NATO um Unterstützung gebeten
Nach Medienberichten vom Mittwoch, hat Spanien bereits „internationale Hilfe“ bei der NATO angefragt. Konkret forderten die spanischen Streitkräfte zur Unterstützung bei der medizinischen Versorgung beim internationalen Militärbündnis 500 .000 Test-Kits, 500 Beatmungsgeräte sowie 1,5 Millionen OP-Masken und 450 .000 FFP2-Atemschutzmasken an. Das Innenministerium kündigte an, in sechs spanischen Haftanstalten Schutzmasken produzieren zu wollen.
Auch berühmte Fußballvereine wie Real Madrid und der FC Barcelona bieten Hilfe im Kampf gegen die Corona-Epidemie an. Barcelona stellte beispielsweise den Gesundheitsbehörden seine Clubanlagen zur Verfügung.
Corona-Patienten fliehen aus Kliniken
Dutzende Hotels, die seit der vergangenen Woche von der Regierung zur Schließung gezwungen wurden, boten den Gesundheitsbehörden ihre nun leer stehenden Gebäude für Erkrankte oder auch zur Unterbringung von Klinikmitarbeitern an, die sich in besonders betroffene Regionen wie Madrid begeben haben, um auszuhelfen.
Dennoch bringt die Zahl der Corona-Erkrankten Spaniens Gesundheitssystem an den Rand des Zusammenbruchs. In sozialen Medien erscheinende Handy-Videos aus spanischen Krankenhäuser demonstrieren die chaotischen Zustände in den Notaufnahmen mit auf dem Fluren liegenden Patienten.
Die Notlage in den Hospitälern, Angst und Ignoranz haben in den vergangenen Tagen bereits mehrere Corona-Patienten zur Flucht aus den Krankenhäusern animiert. Aus einem Madrider Vorstadt-Krankenhaus in Leganés sowie im Küstenort Benidorm am Mittelmeer verließen mehrere positiv getestete Patienten die Spitäler, ohne das Testergebnis abzuwarten oder entlassen zu werden. Die spanische Polizei spürte die Personen jedoch wieder auf und brachte sie zurück in die jeweiligen Kliniken.