Sparen die Kassen auf Kosten der Mütter?

Das Müttergenesungswerk wirft den Krankenkassen vor, vermehrt Anträge auf Mutter-Kind-Kuren ungerechtfertigt abzulehnen. Die Kassen bestreiten diesen Vorwurf und weisen auf weniger gestellte und schlecht begründete Anträge hin.

Kerstin MitternachtVon Kerstin Mitternacht Veröffentlicht:
Eine Mutter- oder Vater-Kind-Kur kann Müttern und Vätern wieder Kraft für den Alltag geben.

Eine Mutter- oder Vater-Kind-Kur kann Müttern und Vätern wieder Kraft für den Alltag geben.

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NEU-ISENBURG. Fast jeder dritte Antrag auf Mutter-Kind-Kuren ist im vergangenen Jahr von den Kassen abgeschmettert worden, außerdem melden Mutter-Kind-Einrichtungen im ersten Quartal 2010 Einbrüche bei den Belegungszahlen um 20 Prozent. Doch das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zeigt sich über diese Entwicklung unbesorgt und sieht keinen Handlungsbedarf.

Viele Mütter und Väter fühlen sich nach Angaben des Müttergenesungswerks (MGW) durch Kindererziehung und Beruf belastet und leiden unter psychischen Problemen, wie etwa Erschöpfungszuständen oder Schlafstörungen. Schon im Jahr 2007 hatte eine Studie des Bundesfamilienministeriums ergeben, dass 2,1 Millionen Mütter kurbedürftig seien. Auch der aktuelle Familienreport der AOK weist auf eine Überlastung der Mütter und Väter hin. Einer der am häufigsten genannten Belastungen ist dabei Zeitdruck.

Das MGW und auch die Konferenz der Frauenministerinnen und -minister haben das BMG auf den Rückgang der Mutter-Kind-Kuren und die gestiegene Ablehnungsquote hingewiesen und die Bundesregierung gebeten, sich für das Recht der Eltern auf Kuren einzusetzen. Im März hat der Gesundheitsausschuss des Bundestags bereits einen Bericht zur Situation der Mutter/Vater-Kind-Kuren vorgelegt. Darin heißt es, dass die Ausgaben der Krankenkassen für Mutter-Kind-Kuren im Jahr 2009 nach vorläufigen Angaben um 5,1 Prozent gesunken seien, dafür aber in den beiden Jahren zuvor einen zweistelligen Zuwachs verzeichnen konnten.

"Dieser Bericht beschönigt die aktuelle Situation", sagt MGW-Geschäftsführerin Marianne Schilling. Der Zuwachs sei aufgrund einer Gesetzesänderung im Jahr 2007 zustande gekommen. In diesem Jahr trat das Wettbewerbs-Stärkungsgesetz in Kraft und Mutter-Kind-Kuren wurden als Pflichtleistung der gesetzlichen Krankenkassen eingeführt.

Schilling hält es für unzureichend, dass der Gesundheitsausschuss die Entwicklung lediglich "beobachten" will. "Die Kassen bräuchten ein Signal, dass die Politik hinter den Mutter-Kind-Kuren steht", sagt sie.

Nach Angaben des MGW sind die Ablehnungen bundesweit im Vergleich zum Vorjahr um vier Prozentpunkte auf 31 Prozent im Jahr 2009 gestiegen. Besonders deutlich sei dieser Anstieg bei Barmer GEK und Techniker Krankenkasse (TK). "Viele Krankenkassen handeln eindeutig gesetzwidrig, hier wird auf Kosten der Mütter gespart", klagt Schilling.

Thomas Schlicht, zuständig für Mutter-Kind-Kuren bei der TK, kann dies nicht bestätigen: "Ich kenne diese Zahlen, aber nach unseren Angaben ist die Ablehnungsquote bei etwa 26 Prozent gleich geblieben." Thorsten Jakob von der Barmer GEK geht von einer höheren - wenn auch konstanten - Ablehnungsquote aus: "Die Quote für 2009 und 2010 liegt unverändert bei etwa 30 Prozent."

Nach Informationen des MGW würden die Kassen bei mehr als einem Drittel die Anträge mit der Begründung ablehnen, dass die ambulanten Maßnahmen nicht ausgeschöpft seien. Dies kann Schlicht von der TK nicht bestätigen. "Häufige Gründe, warum wir Anträge ablehnen, sind zum Beispiel, dass die Mütter keine mutterspezifischen Belastungsstörungen aufweisen, oder sie zu krank sind und eine Mutter-Kind-Kur nicht das Richtige für sie wäre." Die TK gibt den Vorgang dann zum Beispiel an die Rentenversicherung weiter oder zeigt den Frauen andere Hilfsangebote auf, beispielsweise eine Erziehungsberatung. "Dies ist aber nach unserer Sicht nicht gleichzusetzen mit einer Ablehnung, dass ambulante Maßnahmen nicht ausgeschöpft seien", so Schlicht. "Manchmal ist eine ambulante Behandlung medizinisch gesehen einfach sinnvoller."

Auch die Barmer GEK lehnt Anträge nach eigenen Angaben nur dann ab, wenn sie nicht medizinisch begründet sind. "Jeder, der einen Antrag aus medizinischer Sicht benötigt, wird ihn auch genehmigt bekommen", sagt Jakob.

Schlicht bemängelt, dass die Anträge qualitativ schlechter geworden seien: "Besonders bei den Beratungsstellen fällt uns das auf. Die niedergelassenen Ärzte sollten die Anträge so stellen, dass wir sie als Kassen einwandfrei beurteilen können." Auch Jakob von der Barmer GEK moniert, dass viele Anträge nicht gut begründet seien. Die TK verweist zudem darauf, dass die Zahl der Anträge im ersten Quartal 2010 um 15 Prozent gesunken seien. Das habe dann zu entsprechenden Rückgängen in Mutter-Kind-Einrichtungen geführt. "Auch die saisonalen Effekte haben nach unserer Sicht zu Belegrückgängen beigetragen, dies hat nichts mit Ablehnungen von Seiten der Kassen zu tun", erläutert Schlicht.

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