Fachärzte versus AOK

SpiFa warnt vor weiteren TSVG-Bereinigungen

Die Suche der Bundesregierung nach Geldquellen, mit denen die Gesetzliche Krankenversicherung stabilisiert werden kann, trifft die Nerven niedergelassener Ärzte und der Kassenvertreter gleichermaßen. Die Fachärzte machen sich Sorgen um die Errungenschaften des Terminservice- und Versorgungsgesetzes.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Die Bereinigung für Leistungen aus dem TSVG ist Ende August ausgelaufen. Jetzt müssen viele von ihnen extrabudgetär vergütet werden.

Die Bereinigung für Leistungen aus dem TSVG ist Ende August ausgelaufen. Jetzt müssen viele von ihnen extrabudgetär vergütet werden.

© Pixelot / stock.adobe.com

Berlin. Zum 30. August ist der Bereinigungszeitraum für viele spezielle Leistungen aus dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) ausgelaufen. Seither werden Leistungen zum Beispiel aus den offenen Sprechstunden von Augen- und Frauenärzten, Orthopäden und Hals-Nasen-Ohren-Ärzten, für neue Patienten sowie Leistungen nach Terminvermittlung durch Hausärzte komplett extrabudgetär vergütet.

Denn: Mit diesem Datum ist die bis dato vorgesehene Bereinigung mit der Morbiditätsbedingten Vergütung (MGV) weggefallen.

AOK rechnet mit Doppelfinanzierung

Der AOK-Bundesverband schätzt, dass damit ab dem 1. September rund fünf Milliarden Euro im Jahr mehr extrabudgetär an die niedergelassenen Ärzte fließen. Beim Verband der Ortskrankenkassen geht man gleichzeitig aber davon aus, dass die Bereinigung unter anderem wegen der geringeren Leistungsmengen in der Corona-Phase nur unvollständig erfolgt ist.

In einer Stellungnahme zum Versorgungsverbesserungsgesetz, das derzeit im Bundestag beraten wird, rechnet der Kassenverband vor, dass dies zu Mehrbelastungen für die Kassen von 2,7 Milliarden Euro im Jahr führen könne.

Grund: Es komme zu einer Doppelfinanzierung von MGV-Anteilen, denen keine Leistungen mehr gegenüberstünden, weil die nun extrabudgetär vergütet würden. Deshalb versucht der Verband im Versorgungsverbesserungsgesetz eine Verlängerung des Bereinigungszeitraums um ein weiteres Jahr durchzusetzen.

SpiFa fürchtet Neutralisierung

Dagegen hat sich nun der Spitzenverband Fachärzte Deutschlands gewandt. Der Vorschlag des AOK-Verbandes laufe auf eine finanzielle Neutralisierung der extrabudgetären Zuschläge hinaus.

„Im Nachgang des Gesetzgebungsverfahrens versucht die AOK, die Fortschritte des TSVG wieder zurückzunehmen und den gewonnenen Spielraum der Fachärzte einzuschränken“, sagt Lars Lindemann, Hauptgeschäftsführer des SpiFa.

Der AOK-Vorschlag laufe den Zielen des TSVG zuwider, durch Entbudgetierung ärztlicher Leistungen Wartezeiten auf Termine abzubauen.

AOK lässt nicht locker

In den Entwürfen des Versorgungsverbesserungsgesetzes taucht der AOK-Vorschlag bislang nicht auf. Der Kassenverband lässt aber nicht locker. Erst in der vergangenen Woche hat Verbands-Chef Martin Litsch die Streichung der nach AOK-Auffassung „strategieanfälligen TSVG-Regelungen zur befristeten Bereinigung der gedeckelten Gesamtvergütung“ wieder ins Gespräch gebracht.

Hintergrund ist das im Regierungsentwurf zum Versorgungsverbesserungsgesetz geschnürte Maßnahmenbündel der Regierung zur Stabilisierung der Zusatzbeiträge und zur Einhaltung der „Sozialgarantie“. Dazu zählt ein Beitrag von acht Milliarden Euro, der aus den Rücklagen der Krankenkassen, mehr als die Hälfte von Ortskrankenkassen, finanziert werden soll.

Litsch für Bundeszuschuss

Ordnungspolitisch die beste Lösung sei ein angemessener Bundeszuschuss, argumentiert Litsch. Anderenfalls müsse die durch die Gesetzgebung in dieser Legislatur ausgelöste Steigerung der Leistungsausgaben auch von den Leistungserbringern mitgetragen werden.

Hier begegnen sich die Positionen von SpiFa und AOK-Bundesverband. Die Fachärzte haben für die kommenden Jahre einen Bundeszuschuss zum Gesundheitsfonds von mindestens 25 Milliarden Euro im Jahr gefordert. Derzeit ist dieser Wert bei 14,5 Milliarden Euro festgeschrieben.

Dass gut wirtschaftende Kassen mit ordentlichen Rücklagen nun zur Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen werden sollen, bezeichnete Lindemann als „Kassensozialismus“.

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