Streit ums Geld für den Hausarzt um die Ecke
Gesundheitsminister Daniel Bahr will die Landflucht von Ärzten stoppen. Sein Gesetzentwurf verspricht Ärzten, die sich in strukturschwachen Regionen oder Stadtvierteln niederlassen, mehr Geld und freieres Arbeiten.
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Sparschwein im Blick: Kostenfolgen der Reform sind umstritten.
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BERLIN. Das Versorgungsstrukturgesetz soll die Weichen für eine auch in Zukunft sichere, flächendeckende medizinische Versorgung stellen.
Trotz dieses Anspruchs hagelte es Kritik von allen Seiten, nachdem das Bundeskabinett vergangenen Mittwoch den Entwurf angenommen hatte.
Kritik an Bahr
Tenor: Der Minister betreibe Klientelpolitik. Je nach Interessenlage setzten Vertreter der Oppositionsparteien, der Arbeitgeber, der Gewerkschaften und der Sozialverbände unterschiedliche Schwerpunkte.
Das Gesetz gehe die Überversorgung mit Ärzten an attraktiven Standorten nicht an.
Die Kosten seien nicht kalkulierbar und müssten zudem von den gesetzlich Versicherten über die Zusatzbeiträge getragen werden.
Mehrkosten bis zu 200 Millionen Euro
Ihre Meinung ist gefragt
200 Millionen Euro im Jahr werde das Gesetz im schlechtesten Fall an Mehrkosten auslösen, hatte Bahr ausrechnen lassen. Dazu kommen 120 Millionen für die Vertragszahnärzte.
Seine Vor-Vorgängerin im Amt, Ulla Schmidt (SPD) habe den Ärzten einst vier Milliarden Euro zukommen lassen, ohne darüber die Versorgung zu steuern, versuchte Bahr diese Zahlen einzuordnen.
Misstrauen schlägt der Rechnung sogar aus den Reihen des Koalitionspartners entgegen. Finanzminister Wolfgang Schäuble hatte nach langen Diskussionen durchgesetzt, dass die finanziellen Folgen des Gesetzes Anfang 2014 auf den Prüfstand müssten.
Ergebe sich unter dem Strich ein Minus, müsse das Gesundheitswesen sparen. Eine Gegenfinanzierung fordern auch Abgeordnete der Unionsfraktion.
Straubinger regt Honorarkürzungen für Ärzte in überversorgten Bezirken an
Der CSU-Sozialpolitiker Max Straubinger will bei den Beratungen im Parlament, Honorarkürzungen für Ärzte in überversorgten Bezirken anregen (wir berichteten).
Für den Minister kein geeignetes Mittel, Überversorgung abzubauen. Er setze auf die mit dem Gesetz entstehenden freiwilligen Steuerungsmöglichkeiten für die KVen, Arztsitze stillzulegen.
Köhler will Gesetzt über Ankauf "überflüssiger Praxen"
KBV-Chef Dr. Andreas Köhler hat inzwischen gefordert, den Aufkauf "überflüssiger Praxen" zur gesetzlichen Pflicht zu machen.
Auf etwa 300 Millionen Euro im Jahr schätzte KBV-Chef Dr. Andreas Köhler im "ARD-Morgenmagazin" den Preis, den die Gesellschaft für die Förderung des Konzepts "Hausarzt um die Ecke" aufbringen müsse.
Dass es bei dem Gesetz nicht nur um Geld für Ärzte geht, ging in der Kakofonie der Kritik weitgehend unter. Etwa 40.000 Ärzte müssten in den nächsten fünf Jahren ersetzt werden, sagte Köhler.
Das Gesetz enthält daher Komponenten, die mehr junge Menschen zum Medizinstudium bewegen sollen. Zudem soll die Residenzpflicht entfallen. Ärztinnen können sich nach einer Geburt zwölf statt sechs Monate vertreten lassen.
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