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Triage-Entscheidung: Gesundheitsministerin Warken spricht von wichtigem Urteil

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken begrüßt die Entscheidung der Verfassungsrichter, die Triage-Regelungen aus der Corona-Zeit für nichtig zu erklären. Auch der Marburger Bund meldet sich zu Wort.

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„Wir brauchen rechtssichere Regelungen“: Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zur Triage-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

„Wir brauchen rechtssichere Regelungen“: Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zur Triage-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.

© Britta Pedersen/dpa

Berlin. Das Bundesverfassungsgericht hat die in der Corona-Krise getroffenen gesetzlichen Regelungen zur Triage gekippt. Gesundheitsministerin Nina Warken wertet die Entscheidung der Karlsruher Richter als „wichtig“.

„Wir brauchen rechtssichere Regelungen in solchen Ausnahmesituationen für Betroffene und für Ärztinnen und Ärzte“, sagte die CDU-Politikerin am Dienstag vor Journalisten in Berlin.

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Ärztinnen und Ärzte müssten sich in ihrer Handlungsentscheidung auf rechtssichere Vorgaben verlassen können, betonte Warken. Die Bundesregierung werde das Urteil daher „sehr genau“ prüfen und die notwendigen Schlüsse daraus ziehen. Das werde man zusammen mit den Ländern tun – diese hätten laut Verfassungsgericht die Regelungskompetenz dafür.

Für die SPD-Fraktion betonte deren gesundheitspolitischer Sprecher, Dr. Christos Pantazis: „Unser Ziel bleibt, den Schutz vulnerabler Gruppen zu gewährleisten und zugleich Ärztinnen und Ärzte in Extremsituationen rechtssicher zu entlasten.“

Johna: Höchst bedeutsame Entscheidung

Die 1. Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund, Dr. Susanne Johna, erklärte, das Urteil sei ein „großer persönlicher Erfolg“ für die beschwerdeführenden Ärztinnen und Ärzten und eine für die gesamte Ärzteschaft „höchst bedeutsame Entscheidung“.

Das Bundesverfassungsgericht habe klargestellt, dass die Ausübung ärztlicher Tätigkeit nicht durch unzulässige staatliche Vorgaben eingeengt werden dürfe, kommentierte Johna.

Zur ärztlichen Berufsfreiheit gehöre gerade auch die Freiheit und Verantwortung, selbst in medizinischen Dilemmasituationen ärztliche Entscheidungen nach fachlicher Kenntnis und eigenem Gewissen in kollegialer Übereinstimmung zu treffen, so Johna.

„Das bedeutet für uns Ärztinnen und Ärzte unter den Bedingungen einer extremen Notlage bei begrenzten intensivmedizinischen Ressourcen, alles in unserer Macht Stehende zu tun, um unter derart schwierigen Umständen die größtmögliche Zahl an Menschenleben zu retten.“

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Juristen hingegen zeigten sich unbefriedigt nach dem Karlsruher Beschluss. „Das Ergebnis ist unglücklich, weil nun ein Flickenteppich der Triage-Vorgaben zu entstehen droht“, sagte Professor Stefan Huster, Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Sozial- und Gesundheitsrecht und Rechtsphilosophie an der Ruhr-Universität Bochum, dem „Science Media Monitor“ (SMC).

Gericht hat sich inhaltlich nicht positioniert

Er verwies darauf, dass mit der Entscheidung nichts geklärt worden sei, weil sich das Gericht „inhaltlich mit der Frage nach genauen Triage-Kriterien gar nicht befasst hat.“ Dagegen habe das Bundesverfassungsgericht 2021 eine gesetzliche Regelung zum Schutz behinderter Menschen vor Diskriminierung verlangt. „Der Regelungsauftrag besteht weiterhin“, erinnerte Huster.

Der Medizinethiker Professor Gregor Marckmann, Vorstand des Instituts für Ethik, Geschichte und Theorie der Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), nannte es keine gute Lösung, dass es allein der Ärzteschaft überlassen wird, wie in Triage-Entscheidungen in der Intensivmedizin entschieden werden soll.

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„Vielmehr sollte es Vorgaben durch den Gesetzgeber geben, wie dies beispielsweise bei der Organtransplantation der Fall ist. Diese Vorgaben sollten die Kriterien und allgemeine Verfahrensgrundsätze formulieren“, sagte Marckmann dem SMC. Die konkrete Ausgestaltung der Kriterien solle – wie bei der Organverteilung – aber der Ärzteschaft überlassen werden. An diesem Punkt sei der jetzt verworfene Paragraf 5c des Infektionsschutzgesetzes „zu weit“ gegangen.

Es braucht ein Real-Time-Kapazitätenregister

Es sei zum Glück durch die jetzt ungültig erklärte Regelung nie zu schwierigen Entscheidungen gekommen, erinnerte Professor Christian Karagiannidis, Leiter des ECMO-Zentrums am Klinikum Köln-Merheim. Dazu habe auch beigetragen, dass das Divi-Intensivregister für Kapazitäten der Intensivmedizin in deutschen Krankenhäusern eine Steuerung der Patienten erlaubt habe.

„Dies ist auch die Hauptnachricht neben der Stärkung der ärztlichen Entscheidungsfreiheit: Ein Real-Time-Kapazitätenregister ist der Schlüssel, um Triage zu verhindern, daher müssen wir es über Europa in Anbetracht möglicher Krisen ausweiten“, sagte der Leiter des Divi-Registers dem SMC. (hom/fst)

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