Großbritannien

Trotz Warnungen: Boris Johnson will COVID-Maßnahmen beenden

Auch wenn die Zahl der Neuinfektionen mit Corona in Großbritannien täglich steigt, hält Premierminister Boris Johnson an seinem Plan fest: Am 19. Juli sollen alle Maßnahmen, wie zum Beispiel die Maskenpflicht, fallen. Die Ärzteschaft ist besorgt.

Arndt StrieglerVon Arndt Striegler Veröffentlicht:
Großbritanniens Premierminister Boris Johnson kündigte am Montag an, am 19. Juli alle COVID-Maßnahmen aufzuheben.

Großbritanniens Premierminister Boris Johnson kündigte am Montag an, am 19. Juli alle COVID-Maßnahmen aufzuheben.

© Tayfun Salci / ZUMAPRESS.com / picture alliance

London. Ärzte und Wissenschaftler sind nervös, viele Patienten und Oppositionspolitiker verärgert, doch der britische Premierminister Boris Johnson hält an seinem Freedom Day am 19. Juli fest. An diesem Tag sollen in England alle noch bestehenden Corona-Einschränkungen fallen.

Die Aufhebung der noch bestehenden Maßnahmen wie die Maskenpflicht, der Mindestabstand und das Verbot, zum Beispiel Nachtclubs wieder zu eröffnen, war von Johnson seit Wochen angekündigt worden. Bislang geschah dies stets mit dem Zusatz, „sollten die Infektionszahlen dies erlauben“. Rund zehn Tage vor dem Freedom Day bestätigte jetzt sowohl Johnson als auch sein neuer Gesundheitsminister Sajid Javid, dass an dem Plan festgehalten werden solle. „Wenn nicht jetzt, wann dann?“, fragte Javid eher rhetorisch.

COVID-Neuinfektionen steigen stark

„Mit Sicherheit nicht jetzt“, kam die klare Antwort seitens der britischen Ärzteschaft. „Zu früh“, „zu riskant“ und „zu unberechenbar“ sei das Virusgeschehen, um zum Beispiel auch die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln am 19. Juli abzuschaffen, rügte der Vorsitzende des größten und wichtigsten britischen Ärtzteverbandes (British Medical Association, BMA), Dr. Chaand Nagpaul.

Die BMA verweist auf die seit Wochen stark steigende Zahl der COVID-Neuinfektionen. Sie liegt inzwischen bei deutlich über 20.000 Neuinfektionen pro Tag und selbst der Gesundheitsminister hält es für „denkbar“, dass es nach dem 19. Juli „täglich bis zu 100.000 neue COVID-Infektionen“ geben könnte.

Unverantwortlicher Wahnsinn

„Es ist Wahnsinn und unverantwortlich, angesichts dieser Entwicklungen alle Vorsichtsmaßnahmen, die ja dem öffentlichen Gesundheitsschutz dienen, über Bord zu werfen“, so der Führer der größten britischen Oppositionspartei, Labour, Keir Starmer im Londoner Unterhaus. Die Sieben-Tage-Inzidenz (Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Patienten binnen einer Woche) liegt derzeit laut Londoner Gesundheitsministerium bei 244,3. Tendenz: weiter steigend.

Wichtig: Eines der Argumente der Regierung Johnson für die Aufhebung aller Restriktionen ist, dass zwar die Zahl der Neuinfektionen drastisch steigt, die Zahl schwerer Krankheitsverläufe, Klinikeinweisungen und Todesfälle aber nach wie vor niedrig seien. Freilich: „Der kausale Zusammenhang zwischen Neuinfektionen und Klinik und Tod besteht nach wie vor, er ist nur schwächer geworden“, so Nagpaul. In jüngster Zeit steigt zum Beispiel die Zahl der auf Intensivstationen liegenden COVID-Patienten wieder an.

Lernen, mit dem Virus zu leben?

Gesundheitsminister Javid hält dagegen, dass die Impfstoffe „unser Schutzwall“ gegen COVID seien und dass England lernen müsse, „mit dem Virus langfristig zu leben“. Der Minister wies außerdem darauf hin, dass man im staatlichen britischen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) „nicht nur auf COVID starren“ sollte, sondern auch andere Krankheiten im Auge behalten müsse.

Als Folge hunderttausender gestrichener Operationen während der Pandemie warten derzeit mehr als fünf Millionen Patienten im Königreich auf eine Operation oder auf eine fachärztliche Behandlung. Das ist ein neuer Rekord.

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