Partikelzentrum in Marburg

Wie Phönix aus der Asche

Fast sollte die Anlage abgerissen werden und galt schon als potenzielle Investitionsruine. Doch seit einem Jahr arbeitet das Partikeltherapie-Zentrum in Marburg. Betreiber und Ärzte zeigen sich zufrieden.

Von Gesa Coordes Veröffentlicht:

MARBURG. Ein Jahr nach der Eröffnung des Marburger Ionenstrahl-Therapiezentrums (MIT) sind Ärzte und Techniker sehr zufrieden. Nachdem die 120 Millionen Euro teure Anlage bereits verschrottet werden sollte, wurde nun das Jahresziel übertroffen. Bislang haben 170 Krebspatienten von den Ionenstrahlen profitiert. Weltweit gibt es nur neun vergleichbare Zentren, in Europa sind es nur drei.

"Die Anlage läuft extrem stabil", berichtet der wissenschaftlich-technische Direktor des Ionenstrahl-Therapiezentrums, Professor Thomas Haberer, der zu den Pionieren der modernen Strahlentherapie zählt. Dafür arbeitet ein Team aus 40 Physikern und Techniker rund um die Uhr in drei Schichten. Dabei sei die Anlage in keinem guten Zustand gewesen, als sie 2015 als Kooperationsprojekt zwischen dem Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum und dem privaten Krankenhausbetreiber Rhön neu gestartet wurde.

Doch sowohl die Techniker als auch die 20 bis 30 Ärzte und medizinischen Mitarbeiter wurden eigens für die Arbeit in dem futuristisch anmutenden Gebäude auf den Marburger Lahnbergen ausgebildet. Dadurch sei die Anlaufzeit deutlich verkürzt worden, sagt MIT-Geschäftsführer Professor Jürgen Debus.

Verdoppelung der Patientenzahl

Geht es jetzt nach Plan, wird sich die Patientenzahl bereits 2017 verdoppeln. Auf Dauer sollen ab 2018 jedes Jahr mindestens 600 Krebskranke bestrahlt werden. "Wenn wir darunter liegen, bekommen wir Schwierigkeiten", sagt Debus. Der Geschäftsführer des Universitätsklinikums Gießen und Marburg, Gunther K. Weiß, zeigte sich indes "sehr zuversichtlich", dass sich das Ionenstrahl-Therapiezentrum in Zukunft auch wirtschaftlich tragen werde. Bislang kommen die Patienten vor allem aus Nord- und Mitteldeutschland, aber auch aus dem angrenzenden Ausland.

Von den Strahlen profitieren vor allem Krebspatienten mit Tumoren, die man auf "normalem" Weg nicht erreichen kann, weil sie zu tief im Körper oder zu nah an gesundem Gewebe liegen. Deshalb werden vor allem Patienten mit Hirntumoren behandelt, aber auch Tumore in den Speicheldrüsen, Prostatakarzinome und Bauchspeicheldrüsenkrebs.

Relativ wenige Nebenwirkungen

Vermehrt werden die Strahlen auch bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt. So wurde ein zwölfjähriger Junge mit einem Hirntumor behandelt. Er konnte – wie die meisten Patienten des Ionenstrahl-Therapiezentrums – ambulant bestrahlt werden und kam über fünf Wochen hinweg täglich nach der Schule nach Marburg. Der Tumor ist inzwischen verschwunden.

Man kann die Strahlen sehr viel präziser und konzentrierter platzieren, erläutert die MIT-Direktorin Professor Rita Engenhart-Cabillic. Dabei hinterlässt das Verfahren kaum Schäden in der Umgebung des Tumors und hat relativ wenige Nebenwirkungen. Sie geht davon aus, dass in Zukunft etwa 15 Prozent der Tumorpatienten, denen heute nicht mit konventionellen Methoden geholfen werden kann, von dem Verfahren profitieren könnten. Außer Krebspatienten werden auch Menschen behandelt, die unter Gefäßmissbildungen im Gehirn leiden.

Geforscht wird noch über den Nutzen der Therapie bei speziellen Herzrhythmusstörungen sowie bei den Bewegungsunruhen von Parkinsonpatienten. Zudem wird in Studien analysiert, welche Patientengruppen den größten Nutzen von der Strahlentherapie mit Partikeln haben.

Für die Patienten gibt es vier Behandlungsplätze, an denen Computer die optimale Strahlendosis für jeden einzelnen Punkt im Tumor berechnen. Bei Bestrahlungen des Kopfes werden Kunststoffmasken für die Patienten eigens angefertigt, die so mit der robotergesteuerten Patientenliege verschraubt sind, dass der Kopf völlig unbeweglich ist.

Das alles hat seinen Preis: Die Behandlung kostet etwa dreimal so viel wie eine konventionelle Strahlentherapie. Engenhart-Cabillic hält es trotzdem für eine günstige Therapie: "Ein neues Krebsmedikament kostet ein Vielfaches."

Marburger

Ionenstrahl-

Therapiezentrum Heidelberg

Der Gründung der Betreibergesellschaft ging ein jahrelanges politisches Gezerre voraus. Als Folge startete die Anlage vier Jahre später als geplant.

An der MIT ist das Heidelberger Ionenstrahl-Therapiezentrum (HIT) mit 75,1 Prozent beteiligt. Die Rhön-Klinikum AG, der das Universitätsklinikum Gießen-Marburg gehört, hält 24,9 Prozent der Anteile.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Umstellung TI-Kryptografie von RSA auf ECC

Wechsel zu neuem eHBA: KBV bittet Netzagentur um Fristverlängerung

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: Schematische Wirkprinzipien verschiedener immuntherapeutischer Ansätze beim Multiplen Myelom

© Johnson & Johnson

Therapie des Multiplen Myeloms

Ebnet die Präzisionsmedizin den Weg zur funktionellen Heilung dieser Neoplasie?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Janssen-Cilag GmbH, Neuss
Abb. 1: APPULSE-PNH-Studie: Hämoglobin-Werte und ARC während des 24-wöchigen Studienzeitraums

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH)

Nach Umstellung auf Iptacopan: Hämoglobin-Wert klinisch relevant verbessert

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novartis Pharma GmbH, Nürnberg
Tab. 1: Im Rahmen des Ringversuchs eingesetzte Anti-Claudin-18.2-Antikörperklone: Erfolgsraten und Problemanalyse. Berücksichtigt wurden Antikörper, die in 2 Laboren verwendet wurden

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [8]

Adenokarzinom des Magens/gastroösophagealen Übergangs

Claudin-18.2-Testung – wichtige Aspekte in der Praxis

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Astellas Pharma GmbH, München
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Lungensurfactant

Warum Seufzen der Atmung gut tut

Lesetipps
Der Rücken eines Mannes mit Gürtelrose zeigt Vesikel.

© Chinamon / stock.adobe.com

Alter für Indikationsimpfung herabgesetzt

STIKO ändert Empfehlung zur Herpes zoster-Impfung

Mammografie-Screening bei einer Patientin

© pixelfit / Getty Images / iStock

Prävention

Mammografie-Screening: Das sind Hindernisse und Motivatoren