Pädiater fordern

"Wir brauchen mehr Dolmetscher!"

Mehr Dolmetscher für die Behandlung von jungen Patienten mit Migrationshintergrund forderten Pädiater auf der Jahres- tagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder-und Jugendmedizin in Hamburg. Außerdem müssten die Kosten dafür von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen werden.

Raimund SchmidVon Raimund Schmid Veröffentlicht:
Dr. Holger Finkernagel untersucht die Tochter einer Asylbewerberin in einem Flüchtlingsheim in Bad Berleburg.

Dr. Holger Finkernagel untersucht die Tochter einer Asylbewerberin in einem Flüchtlingsheim in Bad Berleburg.

© Anja Krüger

HAMBURG. Professionelle Dolmetscher sollten bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung mit aufgenommen und zu einer verbindlichen Regelleistung werden.

Diese Forderung ist bei Veranstaltungen zur transkulturellen Pädiatrie bei der 112. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kinder-und Jugendmedizin (DGKJ) und der 68. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin (DGSPJ) in Hamburg gestellt worden.

In Kinderkliniken und Sozialpädiatrischen Zentren sei es kaum möglich, kranke oder entwicklungsgestörte Kinder aus Migrationsfamilien adäquat behandeln zu können, wenn keine Dolmetscher zur Verfügung stünden, hieß es dort übereinstimmend.

Massive Sprachbarrieren

In Nordrhein-Westfalen (NRW) beispielsweise könnten Kinderärzte nur in der Hälfte aller Kinderkliniken auf solche professionellen Dienste zurückgreifen, berichte der Pädiater Dr. Thorsten Langer auf dem Hamburger Kongress.

Nach den Ergebnissen einer Umfrage, an der sich 38 Kinderkliniken in NRW beteiligt haben, räumten neun Kliniken sogar ein, bei 26 bis 50 Prozent aller Behandlungsfälle mit massiven Sprachbarrieren konfrontiert zu sein.

Der Einbezug professioneller Dolmetscher scheitert aber häufig nicht nur an fehlenden finanziellen Mitteln. Ein noch größeres Problem sei es, dass gar keine Dolmetscher zur Verfügung stünden, berichte Langer.

Zudem genüge die Qualität der Dolmetscher zum Teil nicht den hohen Anforderungen. So empfänden es manche als Problem, wenn zum Beispiel eine kurdische Familie mit einem türkischen oder arabischen Dolmetscher konfrontiert werde.

Hinzu kommt die immense Breite unterschiedlicher Sprachen als weiteres Problem. Gerade in den arabischen Ländern werden sehr viele unterschiedliche Dialekte gesprochen. Das führt dazu, dass selbst professionelle Dolmetscher nicht immer alle geforderten Sprachvarianten beherrschten.

Darf kein Dauerzustand werden!

Dr. Harald Lüdicke aus Kerpen berichte von Erfahrungen aus Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ). Sie stützen sich auf Ergebnisse einer Umfrage vom März 2016 unter 51 SPZ. Danach sind dort nur in einem Drittel aller Behandlungen von Kindern mit Migrationshintergrund professionelle Dolmetscher im Einsatz.

Man behilft sich mit Notlösungen: In zwei Drittel aller Fälle übernehmen Laien, in der Regel Verwandte, das Übersetzen. Das dürfe jedoch auf keinen Fall ein Dauerzustand werden, kritisierte Lüdicke.

In 58 Prozent der SPZ, die professionelle Dolmetscher einsetzen, finanzieren die Zentren selbst diese Leistungen. Auf Dauer sei dies ein untragbarer Zustand, monierte Lüdicke beim Kongress.

98 Prozent aller befragten Zentren sehen es daher als vordringliche Aufgabe an, diese Dolmetscherdienste künftig regelhaft und einheitlich zu finanzieren.

Nur so könne auf Dauer eine qualifizierte Behandlung von Kindern mit Migrationshintergrund erfolgen und nur so könne man den Anforderungen an die Patientensicherheit und den Aufklärungspflichten der Ärzte in vollem Umfang gerecht werden.

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