Sozialpädiatrische Zentren:

Je 400.000 Einwohner reicht ein Zentrum

Das Bundessozialgericht hat die Bedarfsgrenze für die Zulassung Sozialpädiatrischer Zentren konkretisiert. Und dabei auch die Einschränkung der Überweisungsbefugnis auf bestimmte Arztgruppen bestätigt.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
In Sozialpädiatrischen Zentren soll Kindern, die Entwicklungsstörungen zeigen oder unter psychischen Erkrankungen oder Behinderungen leiden, interdisziplinär geholfen werden.

In Sozialpädiatrischen Zentren soll Kindern, die Entwicklungsstörungen zeigen oder unter psychischen Erkrankungen oder Behinderungen leiden, interdisziplinär geholfen werden.

© purplequeue / Fotolia

KASSEL. Die Zulassungsgremien dürfen die Anzahl Sozialpädiatrischer Zentren (SPZ) begrenzen. Beispielsweise ist in einer Region mit 650.000 Einwohnern nur für ein SPZ Platz, entschied kürzlich das Bundessozialgericht. Zudem dürfen dem Urteil zufolge die Zulassungsgremien die Befugnis zur Überweisung in ein Sozialpädiatrisches Zentrum auf bestimmte Facharztgruppen beschränken.

Konkret ging es um die Versorgung der Region Augsburg. Dort betreibt die Hessing-Stiftung bereits ein SPZ. Die Überweisung dorthin ist nur Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin, für Neurologie und Psychiatrie sowie Kinder- und Jugendpsychiatern erlaubt. Gegen diese Beschränkung klagte die Hessing-Stiftung. Der "Facharztfilter" sei ein ungerechtfertigtes Zugangshindernis für die behandlungsbedürftigen Kinder.

Facharztfilter rechtmäßig

Außerdem will die Katholische Jugendfürsorge der Diözese Augsburg ein eigenes SPZ in der Region errichten. Die Zulassungsgremien hatten dies verweigert. Dagegen klagt die Katholische Jugendfürsorge mit dem Hinweis, das bestehende SPZ der Hessing-Stiftung sei "nachweislich überlastet", weil es nicht nur die Stadt, sondern auch das Umland mitversorge.

 Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in München hatte beide Verfahren zusammengefasst und die Klagen abgewiesen. Auch die Revisionen vor dem BSG hatten nun keinen Erfolg. "Der Berufungsausschuss durfte aufbauend auf dem in Fachkreisen bestehenden weitreichenden Konsens davon ausgehen, dass ein leistungsfähiges SPZ grundsätzlich erst ab einer Einwohnerzahl von etwa 400.000 bis 500.000 in der zu versorgenden Region wirtschaftlich betrieben werden kann", erklärten die Kasseler Richter zur Begründung.

Daher sei die Einschätzung der Zulassungsgremien nicht zu beanstanden, dass in der Region Augsburg mit etwa 650.000 Einwohnern nur Platz für ein Sozialpädiatrisches Zentrum ist. Lange Wartezeiten oder andere Indizien für eine abweichende Einschätzung gebe es nicht.

Auch der "Facharztfilter" sei rechtmäßig, urteilte das BSG. Die Zulassungsgremien hätten Arztgruppen ausgewählt, die besonders gut beurteilen könnten, ob eine Behandlung in einem SPZ erforderlich ist. Dass im Einzelfall auch andere Ärzte, etwa Hausärzte, über entsprechende Kenntnisse verfügen, ändere daran nichts.

Es bestehe auch eine ausreichende flächendeckende Versorgung mit den ausgewählten Arztgruppen.

Seit 1989 ist eine Ermächtigung ärztlich geleiteter Sozialpädiatrischer Zentren durch den Zulassungsausschuss gesetzlich möglich (§ 119 SGB V). Sie sollen Kinder mit entsprechendem Bedarf interdisziplinär und unter Einbeziehung des sozialen Umfelds, insbesondere der Familie, behandeln.

Dabei schreibt das Gesetz lediglich eine "ausreichende" Versorgung vor. Das Bundessozialgericht hatte, wie berichtet, bereits 2011 entschieden, dass dabei auch nicht ausgelastete Kapazitäten in benachbarten Planbereichen zu berücksichtigen seien, so dass nicht jeder Landkreis ein eigenes SPZ benötige.

Bundessozialgericht

Az.: B 6 KA 6/15

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