Arzneigesetz kann Ärzte in Regressgefahr bringen

Das geplante Arzneigesetz (AMNOG) könnte dazu führen, dass Ärzte häufiger als bisher ein Kreuz bei Aut-idem machen.

Von Isabel Kuhlen Veröffentlicht:
Vorsicht vor der Regress-Guillotine: das AMNOG könnte Regressvorschriften verschärfen.

Vorsicht vor der Regress-Guillotine: das AMNOG könnte Regressvorschriften verschärfen.

© Tomicek

VELLMAR. Noch wird über die einzelnen Paragrafen des geplanten Arzneimittel-Marktneuordnungs-Gesetzes (AMNOG) im Gesundheitsausschuss des Bundestags gerungen. In einem besonders umstrittenen Passus geht es in dem Gesetz darum, die Apotheker stärker als bisher zu verpflichten, nur noch das preisgünstigste Produkt des verschriebenen Wirkstoffs abzugeben.

Diese angestrebte Neuregelung für die Substitutionsverpflichtung der Apotheker könnte vermutlich recht bald die Gerichte beschäftigen. Denn mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) wird sie nicht in Einklang zu bringen sein. Das verdeutlicht folgendes Beispiel, von dem Ärzte und Apotheker betroffen sind:

Arzneimittel A ist für die Indikationen X und Y zugelassen. Arzneimittel B ist nur für die Indikation X zugelassen und ist ein Rabattarzneimittel. Ein Arzt verordnet nun das Arzneimittel A, ohne das Aut-idem-Kreuz zu setzen. Es soll in der Indikation Y eingesetzt werden.

Mit Inkrafttreten dieser geplanten Gesetzesänderung zu Paragraf 129 SGB V müsste der Apotheker dem Patienten das Arzneimittel B abgeben, obwohl dieses Arzneimittel zur Behandlung von Y gar nicht zugelassen ist.

Die Abgabe des Arzneimittels B, das für die Indikation Y nicht zugelassen ist, wäre dann ein Off-labeluse. Nach der Rechtsprechung des BSG (Az.: B 1 KR 37/00 R) ist ein Off-label-use zu Lasten der GKV nur unter sehr engen Ausnahmevoraussetzungen zulässig: • Vorliegen einer schwerwiegenden Erkrankung, • Fehlen einer alternativen Behandlungsmöglichkeit, • Bestehen einer begründeten Aussicht auf einen Behandlungserfolg.

Unabhängig davon, ob das erste und dritte Kriterium im Einzelfall bestätigt werden kann, gibt es jeweils eine alternative Behandlungsmöglichkeit, nämlich die Verwendung des tatsächlich verordneten und für die jeweilige Indikation zugelassenen Arzneimittels.

Und so steht es im Gesetzentwurf

Entwurf des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes Paragraf 129 Absatz 1:
für ein gleiches Anwendungsgebiet

Das heißt: Eine Substitution in den von der Krankenkasse geforderten Fällen müsste bei korrekter Auslegung der Rechtsprechung des BSG zum Off-label-use - im Ergebnis sogar zu einem Regress aufgrund der Substitution - führen.

Die Folge: Apotheker werden - trotz zum Teil abweichendem Zulassungsumfang zweier Arzneimittel - zur Substitution gezwungen. Gleichzeitig wäre die Verordnung aufgrund der Substitution nicht mehr zu Lasten der GKV möglich, da laut BSG die Voraussetzungen für den Off-labeluse nicht vorliegen.<&p>

Dem verordnenden Arzt könnte also ein "sonstiger Schaden" vorgeworfen und ein Regress festgesetzt werden. Um der Regressgefahr zu entgehen, bliebe den Ärzten nur der Ausweg, künftig öfter als bisher Aut-idem anzukreuzen.

Isabel Kuhlen ist Rechtsanwältin und Apothekerin in Vellmar.

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