Europa

Blutspende: Mann ist nicht gleich homosexuell, wenn er Auskunft verweigert

Mit Erfolg klagte ein Franzose gegen den Eintrag „homosexuell“ in eine Blutspenderdatei, nur weil er die Frage nach gleichgeschlechtlichem Geschlechtsverkehr nicht beantworten wollte.

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Blut wird immer gebraucht. Allerdings fragen die Blutspendedienste nach sexuellem Risikoverhalten.

Blut wird immer gebraucht. Allerdings fragen die Blutspendedienste nach sexuellem Risikoverhalten.

© Gina Sanders / stock.adobe.com

Straßburg. Blutspendedienste dürfen auch Daten zur sexuellen Orientierung potenzieller Spender speichern. Werden entsprechende Angaben verweigert, darf die betreffende Person allerdings in der Datenbank nicht als homosexuell geführt werden, urteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg zu einem Streit aus Frankreich.

Der Kläger wollte 2004 Blut spenden. In der medizinischen Eingangsuntersuchung wurde er gefragt, ob er jemals Sex mit einem anderen Mann gehabt habe. Er verweigerte die Antwort und wurde abgelehnt. In seine Datenbank trug der französische Blutspendedienst EFS einen Code für Männer ein, die Sex mit anderen Männern haben. Auch 2006 und 2016 wurde er deshalb als Spender abgewiesen.

Verschiedene Klagen hiergegen blieben in Frankreich ohne Erfolg. Vor dem EGMR kritisierte der Mann die Speicherung seiner Daten und bekam teilweise recht.

Übermäßig lange Speicherfrist

Grundsätzlich betonte der EGMR – bezogen auf das Streitjahr 2016 – jedoch, „dass die Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten über die Ergebnisse der Auswahlverfahren für Blutspenderkandidaten zur Gewährleistung der Sicherheit des Blutes beiträgt und daher auf sachdienlichen und ausreichenden Gründen beruht“.

Allerdings forderten die Straßburger Richter, die Daten müssten sachlich richtig, aktuell sowie für die Ziele der Blutspende „zweckdienlich und relevant sein“. Auch die Dauer der Speicherung müsse entsprechend begrenzt werden.

Hier sah das Computersystem des EFS eine Speicherung bis zum Jahr 2278 vor. Das erschien dem EGMR „übermäßig lange“ zu sein.

Vor allem aber rügten die Straßburger Richter die Speicherung des Codes für Männer, die Sex mit anderen Männern haben. Dies sei „reine Spekulation“. Vielmehr hätte ein Vermerk ausgereicht, dass der potenzielle Spender hierzu keine Angaben gemacht hat. Denn auch schon dies hätte nach den Regeln des Blutspendedienstes zu einem Ausschluss geführt.

12000 Euro für den Kläger

Wegen dieser beiden Punkte hat Frankreich das Recht auf Privat- und Familienleben des Klägers verletzt, urteilte der EGMR. Er sprach dem Mann daher eine Entschädigung von 3000 Euro zu und weitere 9000 Euro für die Kosten des Verfahrens.

2016 wurde in Frankreich der generelle Ausschluss homosexueller Männer von der Blutspende aufgehoben. Zunächst durften Männer allerdings nur dann Blut spenden, wenn sie ein Jahr lang keinen gleichgeschlechtlichen Sex hatten. Ab 2019 reichte eine Abstinenz von vier Monaten aus. Seit März 2022 wird in Frankreich die Frage nach der sexuellen Orientierung vor einer Blutspende nicht mehr gestellt.

In Deutschland sind Blutspenden homosexueller und anderer Personen mit „sexuellem Risikoverhalten“ weiterhin beschränkt. Die Frist der Sperre wurde allerdings im September 2021 auf vier Monate nach einem „sexuellen Risikoverhalten“ begrenzt. (mwo)

Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, Az.: 3153/16

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