Apothekenreform

Bundestag befasst sich jetzt mit neuer Rx-Preisbindung

Für gewöhnlich bringt Gesundheitsminister Spahn Gesetzentwürfe schnell ins Parlament. Eine Ausnahme bildet das Apothekenstärkungsgesetz, das erst jetzt – über ein Jahr nach Entwurfsvorlage – zur Lesung gelangt.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Geht es nach dem deutschen Gesetzgeber, sollen Apotheken im Rezeptgeschäft auch in Zukunft keine Prozente geben. Wie die EU-Kommission zur geplanten sozialrechtlichen Absicherung der Rx-Preisbindung steht, ist noch nicht raus.

Geht es nach dem deutschen Gesetzgeber, sollen Apotheken im Rezeptgeschäft auch in Zukunft keine Prozente geben. Wie die EU-Kommission zur geplanten sozialrechtlichen Absicherung der Rx-Preisbindung steht, ist noch nicht raus.

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Berlin. Die Bundesregierung hat jetzt den Kabinettsentwurf des „Gesetzes zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ in den Bundestag eingebracht – einschließlich Gegenäußerung zu der bereits im September 2019 ergangenen Stellungnahme des Bundesrates, aber ohne das Placet der EU-Kommission. Der Gesetzentwurf wird laut aktueller Tagesordnung des Plenums am 11. September in 1. Lesung beraten werden.

Gewichtigster Baustein der Apothekenreform ist die sozialrechtliche Absicherung der bisher nur arzneimittelrechtlich gefassten Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel. In Paragraf 129 SGB V soll künftig ausdrücklich festgehalten werden, dass Apotheken nur dann mit den gesetzlichen Kostenträgern abrechnen können, wenn sie gemäß Rahmenvertrag an der Regelversorgung teilnehmen.

Damit wären sie dann gezwungenermaßen zugleich auf die im Arzneimittelgesetz verankerte Rx-Preisbindung verpflichtet. Apotheken, die dagegen verstoßen, drohen saftige Geldstrafen oder sogar ein zeitweiliger Ausschluss von der GKV-Versorgung.

Hürde gegen Preiswettbewerb

Die Bundesregierung reagiert mit diesem Regelungsvorschlag auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes, der 2016 befand, EU-Versandapotheken müssten sich im Geschäft mit deutschen Kunden nicht an die Preisbindung halten und dürften deshalb auch im Rezeptgeschäft Zugaben gewähren. In dieser Hinsicht reicht demnach das deutsche Arzneimittelgesetz nicht aus, alle Marktteilnehmer gleichermaßen zu disziplinieren.

Wird die Preisbindung dagegen zusätzlich im Sozialrecht verankert, dann müssten auch DocMorris und Co, wenn sie an der hiesigen Regelversorgung teilnehmen wollen, notgedrungen auf Zugaben im Rezeptgeschäft mit Kassenpatienten verzichten und könnten inländischen Apotheken höchstens in der Konkurrenz um Privatrezepte einen Preiswettbewerb liefern.

Der Gesundheitsschutz fällt in die nationale Hoheit der EU-Mitgliedstaaten, weshalb eine sozialrechtliche Preisbindung, so das Kalkül, in Brüssel und Luxemburg voraussichtlich auf weniger Widerstand stößt.

Gespräche mit der Kommission dauern an

Den ersten Entwurf hatte Gesundheitsminister Jens Spahn schon Anfang Mai vorigen Jahres präsentiert. Dass die Apothekenreform parlamentarisch nicht entscheidend vorankam, hatte seine Gründe erst im Wechsel der EU-Kommission und dann wohl auch in der Corona-Krise, die in Brüssel andere Prioritäten setzte. Denn Minister Spahn wollte die sozialrechtliche Absicherung der Preisbindung zunächst nicht ohne grünes Licht von europäischer Seite auf den Weg bringen, um am Ende nicht doch noch ein Vertragsverletzungsverfahren wegen Binnenmarktbeschränkung zu provozieren.

Anfang Juni hatte das BMG verlauten lassen, die Gespräche mit der Kommission verliefen konstruktiv. Was offenbar nichts daran ändert, dass sie sich hinziehen. Auf Nachfrage erklärte das Ministerium jetzt, es befinde sich „auf verschiedenen Ebenen in einem Austausch mit Vertreterinnen und Vertretern der Europäischen Kommission. Dieser Austausch dauert weiterhin an.“

Zeit wird knapp

Dass die Regierung nun den Startschuss zur parlamentarischen Beratung auch ohne Rückendeckung aus Brüssel gibt, dürfte dem Interesse geschuldet sein, die Sache noch vor dem absehbaren Ende der Legislaturperiode und dem Beginn des Wahlkampfs zur Bundestagswahl 2021 vom Tisch zu bekommen.

Das Gesetz ist im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig. Die Länderkammer hatte in ihrer Stellungnahme unter anderem gefordert, den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu verbieten, statt die Preisbindung nur sozialrechtlich abzusichern.

Zudem fordern die Länder, bei Gelegenheit der Apothekenreform die Regeln für Rabattverträge zwischen Pharmaherstellern und Krankenkassen dahingehend zu ändern, dass Exklusivverträge mit nur einem Partner um mehr Liefersicherheit willen ausgeschlossen werden. Beidem hat die Bundesregierung in einer jetzt verabschiedeten Gegenäußerung eine Absage erteilt.

Botendienst-Honorar mit auf der Agenda

Neben der ergänzenden sozialrechtlichen Rx-Preisbindung beinhaltet das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz weitere Neuerungen, die allerdings schon im sogenannten Omnibusverfahren als Anhängsel an andere Gesetze beschlossen wurden, beispielsweise Modellprojekte zur Grippeimpfung in Apotheken oder das Mehrfachrezept.

Andere Inhalte wie etwa neue, erstattungsfähige Apothekendienstleistungen, sind noch zu verhandeln. Wie aus Apothekerkreisen verlautet, soll auch das infolge der Coronakrise dauerhaft einzuführende Honorar für Botendienste öffentlicher Apotheken – 2,50 Euro plus Mehrwertsteuer je Lieferung – per Änderungsantrag in das Gesetzgebungsverfahren mit aufgenommen werden.

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