Burnout-Symptome bei Arzt-Kollegen richtig deuten

Bei Medizinern einen Burnout zu diagnostizieren ist nicht ganz einfach. Denn für viele Ärzte ist dies ein absolutes Tabu-Thema.

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NEU-ISENBURG (ug). Burnout gilt inzwischen zwar fast als Modekrankheit. Dennoch ist Tatsache, dass jeder fünfte bis vierte Kassenarzt ausgebrannt und erschöpft ist.

Burnout-Falle Nummer eins für Ärzte seien die überhöhten Selbstansprüche und das Verleugnen einer Überforderung, so Professor Dr. Götz Mundle, Chefarzt der Oberbergklinik Berlin/Brandenburg in Wendisch Rietz.

Doch wie geht man vor, wenn ein Kollege als Patient in die Praxis kommt und man den Eindruck hat, er ist einem Burnout nahe?

Zunächst gilt es laut Mundle, der in seiner Klinik viele Kollegen mit Burnout behandelt, darum, die Warnsignale für beginnendes Burnout richtig zu deuten. Diese sind laut dem Psychiater zum Beispiel sinkende Konzentration, Versagensgefühle und Empathieverlust bis hin zu Zynismus und Sarkasmus, auch gegen die Patienten.

Dazu kommen unspezifische somatische Symptome wie Schlafstörungen, Atembeschwerden, Schwindel oder Rückenschmerzen.

Immer auch an Burnout denken

Doch wegen solcher unbestimmter Symptome einen Kollegen aufsu-chen? Schon bei rein organischen Krankheiten sei die Hemmschwelle hoch, weiß Mundle. Doch bei psychischen Problemen gebe es eine große Scham und ein Riesen-Tabu, das unter Kollegen anzusprechen.

Häufig dienen denn auch physische Symptome als Einstiegsthemen. "Von Behandlerseite ist es ganz wichtig, bei diffusen Beschwerden ohne organische Befunde an Burnout zu denken." Eine gründliche körperliche Untersuchung ist aber nötig, denn es können ja auch andere Erkrankungen dahinter stecken.

Hat man den Verdacht auf Burnout, ist eine offene Gesprächsatmophäre wichtig. Man schildert behutsam die eigene Wahrnehmung: "Sie wirken erschöpft, abwesend…" Das darf man nicht als Versagen hinstellen, sondern muss klar machen, dass das jedem Engagierten passieren kann. "Keine Vorschriften, keine Vorwürfe", warnt Mundle.

Prozenziale kenne und besser mit Stress umgehen

Weist der Patient Kollege es weit von sich, ausgebrannt zu sein, ist das in Ordnung. "Unterschiede in der Wahrnehmung dürfen stehen bleiben." Doch man sollte nicht aufgeben: "Vielleicht täusche ich mich, aber auf mich wirken Sie erschöpft, und ich möchte Ihnen Hilfe anbieten, etwas für Sie tun, nicht gegen Sie…"

Dann gelte es, zu informieren und die Burnout-Symptome zu schildern. Denn diese dürfe man auch bei einem Arzt-Kollegen - vor allem nicht, wenn er als Patient gekommen sei -voraussetzen.

Der erste Schritt aus dem Burnout sei, aus der Verleugnung herauszut-reten. Mundle: "Wenn es gelingt, offen über die Situation und Ängste zu sprechen, dann ergeben sich oft schon Lösungen von selbst: Was sind die Zeit- und Stressfaktoren in Beruf und in mir selbst? Wo liegen meine Grenzen? Welche Punkte kann ich ändern? Was sind meine Kraftquellen, Werte und Ressourcen?"

Wer seine eigenen Ansprüche und Potenziale kenne, könne gelassener mit Stress im Arbeitsalltag umgehen. Notwendig hierfür sei eine aktive Innenschau, zum Beispiel durch Achtsamkeits- oder Meditationsübungen.

Mundle: "Fünf Minuten den eigenen Atem zu beobachten kann die eigene Wahrnehmung und den inneren Stress radikal verändern. Eine wertvolle Möglichkeit, im Arbeitsleben wieder lebendig und aktiv zu sein." (ug)

Lesen Sie dazu auch: Wenn Ärzte selbst zu Patienten werden

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