Medizinische Forschung

DFG sieht bei der Translation noch viel Luft nach oben

Aus der Grundlagenforschung in die Anwendung: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft will an den medizinischen Fakultäten „eine der Translation zugewandte Forschungskultur“ stärken.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Forschen an Arznei für Morgen? Nicht jede medizinische Grundlagenforschung endet in einem universitären Translationsprojekt.

Forschen an Arznei für Morgen? Nicht jede medizinische Grundlagenforschung endet in einem universitären Translationsprojekt.

© Franz Pfluegl / stock.adobe.com

Berlin. Die Translation gilt gerade in hoch entwickelten Industrieländern wie Deutschland als Innovationstreiber und Motor für die Pharma-, Biotech-, aber auch Medizintechnikbranche. Allerdings steht es aus Sicht der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) an den Medizinischen Fakultäten deutscher Universitäten in puncto Translation nicht zum Allerbesten.

Deshalb hat die DFG-Senatskommission für Grundsatzfragen in der Klinischen Forschung (SGKF) am Dienstag in Berlin bei einem gemeinsamen Symposium mit dem Berlin Institute of Health (BIH) ihre Empfehlungen zur Stärkung der Universitätsmedizin der Öffentlichkeit vorgestellt. Aufgabe der SGKF ist laut DFG die Beratung von Politik und Behörden, der Wissenschaft und der Öffentlichkeit im Auftrag des Senats der DFG. Im Rahmen der Kommissionsarbeit sollen Stellungnahmen zu Themen mit Relevanz für die medizinische Forschung erarbeitet werden, die von gesellschaftlicher, politischer oder wirtschaftlicher Bedeutung sind.

Defizite auch bei der Regulierung

„An den Medizinischen Fakultäten gilt es, eine der Translation zugewandte Forschungskultur, ein Mindset für Translation, weiter zu stärken“, konstatiert die SGKF in ihrer Empfehlung. Um das Ziel zu erreichen, seien Ausbildungsstrukturen auszubauen und weiterzuentwickeln, damit Wissenschaftler frühzeitig an translationale Forschung herangeführt und den damit verbundenen Ansprüchen gerecht werden können, lautet eine Handlungsempfehlung. „Auch müssen die Regulierungsbehörden stärker als bisher für die spezifischen Erfordernisse translationaler Forschungsprojekte sensibilisiert werden, um eine konstruktiv-kritische Begleitung dieser Projekte leisten zu können“, identifiziert die Kommission eine weitere Großbaustelle.

Um möglichen politischen Widerständen präemptiv zu begegnen, verweisen die Wissenschaftler darauf, dass es zu den Kernaufgaben der Universitätsmedizin gehöre, „die Translation, also die Überführung grundlagenwissenschaftlicher Forschungsergebnisse in neue präventive, diagnostische oder therapeutische Verfahren zur Anwendung am Menschen“ aktiv zu betreiben.

Um dieser Aufgabe auch weiterhin gerecht werden zu können, muss sich die Universitätsmedizin aus DFG-Sicht strukturell, finanziell und strategisch weiterentwickeln – um in der Zukunft schlagkräftiger zu werden. Das Fundament dafür sei bereits gelegt, betonte DFG-Vizepräsidentin und SGKF-Vorsitzende Professor Britta Siegmund in Berlin. „In der deutschen Universitätsmedizin sind die Voraussetzungen für erfolgreiche Translationsprozesse gegeben, da Grundlagenforschung, klinische Forschung und universitäre Krankenversorgung hier aufs Engste miteinander verzahnt sind, jedoch wird dieses Potenzial aktuell nicht ausgeschöpft“, monierte Siegmund.

Professor Georg Duda vom Julius Wolff Institut der Charité, stellvertretender Sprecher des BIH Center for Regenerative Therapies und Leiter der Arbeitsgruppe, die die Empfehlungen erarbeitet hat, ergänzte: „Die Rahmenbedingungen, unter denen translationale Forschung stattfindet, ändern sich aufgrund neuer technischer Möglichkeiten, eines sich wandelnden Rollenverständnisses der Akteure und neuer gesetzlicher Vorschriften kontinuierlich – die Empfehlungen der Senatskommission sollen einen Beitrag dazu leisten, die translationale Forschung in Deutschland nachhaltig zu stärken.“

Aufruf, Fördermittel abzurufen

Neben dem oben erwähnten, zu stärkenden Mindset für Translation, empfiehlt die SGKF, die Infrastrukturen der Universitätsmedizin weiterzuentwickeln und Translations-Hubs aufzubauen. Diese Translations-Hubs sollen laut Empfehlung komplementär zu bereits bestehenden Strukturen sein und etwa Infrastruktur, qualifiziertes Personal und finanzielle Ressourcen bereitstellen, die allen Wissenschaftlern in der medizinischen Forschung zur Verfügung stehen. Zuletzt werden die Forscher aufgerufen, von den bereits bestehenden Förderungsoptionen translational orientierter Forschung durch die DFG weiter rege Gebrauch zu machen.

Wie es in den Empfehlungen weiter heißt, seien viele Industrieunternehmen dazu übergegangen, eigene wissenschaftliche Aktivitäten zu reduzieren, um so das unternehmerische Risiko zu minimieren. „Die Industrie versteht sich damit heute oft als Investor in Forschungsergebnisse und fokussiert zunehmend auf den Aufkauf (fast) fertig entwickelter Translationsprojekte“, so die SGKF.

Klassische Aufgabenteilung löst sich auf

Andererseits gingen neue technologische Entwicklungen damit einher, dass sich die „klassische“ Aufgabenteilung zwischen Forschung, Entwicklung und Anwendung auflöse. Dies sei zum Beispiel der Fall bei zellulären Therapieansätzen oder dem 3D-Druck von Implantaten, bei denen die Universitätsmedizin zum Hersteller von Arzneimitteln respektive Medizinprodukten werde.

„Zudem ergeben sich im Kontext der Digitalisierung auch Möglichkeiten, große Datenmengen für die Forschung zu nutzen – zum Beispiel durch die Nutzung von Registerdaten oder von Daten aus der Krankenversorgung“, heißt es weiter. Hierfür müssten allerdings Verfahren gefunden werden, wie die berechtigten Interessen des Datenschutzes mit den technologischen Möglichkeiten sinnvoll vereinbart werden können.

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