Zukunft der Gesundheits-Apps

Der Traum von einer Uhr, die Krebs erkennt

Gesundheitsdaten per App zu erfassen ist für viele Patienten längst Alltag. Probleme machte bislang jedoch oft das Übermitteln an den Arzt seines Vertrauens oder das Speichern und Auswerten. Das wollen Apple und Google ändern.

Kerstin MitternachtVon Kerstin Mitternacht Veröffentlicht:
Was können Smartwatches in Zukunft noch?

Was können Smartwatches in Zukunft noch?

© alexey_boldin/Fotolia.com

FRANKFURT/MAIN. Mit einem Smartphone lässt sich mittlerweile einiges mehr machen als Telefonieren und Nachrichten versenden: Viele sammeln mithilfe von Apps zum Beispiel ihre Lauf-Daten - zurückgelegte Kilometer, verbrauchte Kalorien und Zeit -, andere messen ihr Schlafverhalten oder ihren Blutdruck.

Bisher waren dies einfach nur Daten, die auf dem Smartphone gespeichert waren, mehr konnte mit diesen Daten erst einmal nicht anfangen. Dies wollen Apple und Google mit ihren Apps "Health" und "Google Fit" ändern. Denn die Daten sollen nicht mehr nur bloß gesammelt, sondern auch analysiert und genutzt werden.

Steht eine Gesundheitsrevolution an?

Mit der "Health App" von Apple sollen Gesundheits- und Fitnessdaten übersichtlich auf dem Smartphone dargestellt werden. Apple spricht selbst bereits davon, dass das eine echte Gesundheitsrevolution werden könnte. Herzfrequenz, verbrannte Kalorien, Blutzucker, Cholesterin - alle gesammelten Daten stellt die Health App an einem Ort auf dem Smartphone bereit.

Mit einem Fingertipp sind sie verfügbar und sollen übersichtlich den aktuellen Stand der Gesundheit anzeigen. Mit der App können Nutzer zudem eine Art Notfallpass erstellen.

Dieser enthält wichtige Informationen, wie Blutgruppe oder Angaben zu Allergien, und ist direkt vom Sperrbildschirm aus zugänglich, so Apple. Dort können etwa auch Kontaktdaten hinterlegt werden, also wer im Notfall zu benachrichtigen ist.

Datenaustausch von App zu App

Dabei lege der Nutzer selbst fest, was wie geteilt werden soll. So soll die App, die den Blutdruck misst, die Werte zum Beispiel gleich automatisch an den Hausarzt weiterleiten können. Oder die Ernährungs-App kann der Fitness-App sagen, wie viele Kalorien man am Tag zu sich nimmt. Wenn Gesundheits- und Fitness-Apps zusammenarbeiten, werden sie aussagekräftiger und sollen mehr Nutzen bringen, so Apple.

Der Nutzer entscheide dabei immer selbst, wie er die Daten, die er sammelt, nutzt oder mit anderen teilt. Jeder bestimme , welche Informationen in der Health App abgelegt werden und welche Anwendungen über Health App Zugriff auf diese Daten haben.

Wenn das Telefon mit einem Code oder Touch ID gesperrt ist, seien die Gesundheits- und Fitnessinfos in der Health App verschlüsselt, heißt es bei Apple.

Dr. Urs-Vito Albrecht, MPH, stellvertretender Direktor des hannoverschen Standorts des P. L. Reichertz Instituts für Medizinische Informatik der TU Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) sieht das Thema Datenschutz kritisch.

"Im Bezug auf den Datenschutz liegt die Gefahr darin, dass die gesammelten Informationen zum Nachteil der Anwender eingesetzt werden könnten. Es ist ohne Weiteres möglich, die gesammelten Daten einer Stelle mit denen an anderer Stelle zu verknüpfen, um so ein sehr detailliertes Profil zu erstellen. Das geht in eine Detailtiefe, die sich außerhalb unserer Vorstellungskraft bewegen kann - und, da die Rechner und Netze nicht vergessen - auch bis tief in die Vergangenheit detailgetreu bleibt."

Risiken sind noch nicht abzuschätzen

Es würden Dinge gespeichert, die wir nicht als relevant erachten, weil wir sie nicht in Beziehung bringen könnten. "Das lässt sich durch entsprechende Rechenleistung allerdings überwinden", so Albrecht, der auch Geschäftsführender Arzt der Ethikkommission der MHH ist.

Diese Daten seien wertvoll für diverse Stellen, ob es Unternehmen sind, die Werbung schalten oder Versicherungen, die ihre Policen anhand des Lebensstils der Versicherten berechnen wollten. Arbeitgeber seien interessiert, um das Risiko von Ausfallzeiten zu bestimmen oder die Leistungsfähigkeit abzuschätzen.

Albrecht: "Vieles ist noch Dystopie, einige Wege dahin werden allerdings schon vorbereitet. Es wird von uns abhängen, wie weit wir das als Gemeinschaft auch tragen wollen."

Das Unternehmen Google hat mit der App "Google Fit" nachgezogen. Auch hier handelt es sich um eine offene Plattform. Mithilfe der App sollen die Daten über die Fitness-Aktivitäten, die mit verschiedenen Apps auf dem Smartphone gesammelt werden, an einem zentralen Ort gebündelt werden, damit diese besser analysiert werden können.

Wie aussagefähig sind die Daten?

Es stellt sich jedoch die Frage, wie aussagekräftig diese gesammelten Daten tatsächlich sind und ob sie den Gesundheitszustand des Smartphone-Besitzers genau widerspiegeln können? "Das kommt sehr auf die Art der erhobenen Daten und die Auswahl der Studienpopulation an.

Verzerrungen können sich aufgrund der unterschiedlichen Qualität der verbauten Sensorik, wie auch aus den unterschiedlichen, außerhalb des Labors wenig standardisierten Versuchsumgebungen, ergeben", erklärt Albrecht.

"Die Apps, die ernsthaft in der Diagnostik und Therapie eingesetzt werden sollen, müssen sich nach dem Medizinproduktegesetz einer staatlichen Regulierung unterwerfen", erklärt Albrecht. Es werde allerdings nicht möglich sein, jede App zu prüfen, da der Markt rasant wächst und unübersichtlich ist, ergänzt der App-Experte.

"Am wichtigsten sind daher die Anwender, die es letztendlich in der Hand haben, ob sie die App nutzen oder nicht. Sie können aber nur anhand von transparenter und ausführlicher Information der Hersteller eine begründete Nutzungsentscheidung treffen.

Hersteller sind daher aufgefordert fair und situationsangemessen zu informieren und es nicht bei Marketingversprechen zu belassen", sagt Albrecht.

Prävention über die Smartwatch

Apple-Chef Tim Cook hält den Gesundheitsbereich für einen der größten Zukunftsmärkte, wie er in einem Gespräch mit dem ehemaligen Hedge-Fund-Manager Jim Cramer im US-Fernsehen erklärte, berichtet heise online. Der Gesundheitsmarkt werde "wohl signifikant unterschätzt": Statt völlig auf Dritte angewiesen zu sein, werde jeder durch Geräte wie die Apple Watch selbst in die Lage versetzt, seine Gesundheit und Fitness zu prüfen und im Griff zu behalten.

Der Apple-Chef glaube absolut daran, dass die Apple Watch noch zu seinen Lebzeiten Bluthochdruck, Diabetes aber auch Krebs erkennen könne. Die Früherkennung derartiger Krankheiten werde die Lebenserwartung deutlich erhöhen, heißt es auf heise online weiter.

"Natürlich muss es Visionen geben und natürlich möchte der Konzern seine Produkte verkaufen und stellt sie in entsprechendes Licht. Allzu schnell wird es rein technologisch nicht möglich sein und die Frage ist auch, ob das überhaupt zielführend ist", erklärt Albrecht.

Es gibt allerdings bereits Apps, die einem sagen, wann man zum Arzt gehen soll. "Doch ist solchen Apps mit Skepsis zu begegnen. Diagnostik und Therapie sind ärztliche Domänen und den ärztlichen Rat kann eine rein technische App nicht ersetzen", sagt Albrecht.

Grundsätzlich lasse sich jedoch sagen, dass die Apps ein Potenzial für das Gesundheitswesen haben, das lasse sich aus der enormen Durchdringung von Smartphones ablesen, so Albrecht.

"Ein zuvor nie auf diese Weise denkbarer Zugang zu den Menschen ist möglich. Was allerdings noch nicht klar ist, ist das ideale Anwendungsfeld: Sind es die Gesundheitsaufklärung und Gesundheitsförderung? Ist es die Prävention oder das Selbstmanagement für chronisch Erkrankte? Es bleibt spannend abzuwarten.

Studienprobanden kommen via App

Apple hat indes schon den nächsten Schritt angekündigt: Das Unternehmen will mit dem neuen Framework "ResearchKit" die klinische Forschung erleichtern. Wissenschaftler können hiermit leicht Studien-Apps erstellen, über die sich iPhone-Nutzer als Probanden an Studien beteiligen können. Diese Apps können auch die Sensoren des Gerätes zur Datenerhebung heranziehen.

An der Stanford Universität war man sehr überrascht, als sich über Nacht innerhalb von 24 Stunden 11.000 Personen für eine Studie zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen über eine mit Apples ResearchKit erstellte App registrierten. Um 10.000 Personen für eine Studie zu bekommen, würde es sonst ein Jahr dauern, so ein Stanford Mitarbeiter, berichtet das Nachrichtenunternehmen Bloomberg.

Aber macht es tatsächlich Sinn, Studien über das iPhone durchzuführen? Albrecht sieht dies kritisch: "Nur auf dem iPhone sicherlich nicht, da die Nutzergruppe zu eingeschränkt ist und sie schon allein aufgrund dieser Auswahl mit einer Vielzahl von deutlichen Verzerrungen rechnen müssen. Eine für sämtliche Plattformen offene Lösung wäre sicherlich mehr im Sinne der Forschung. Aber dann macht es durchausSinn.

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