Innovative Arztpraxis

Digitales Sprechzimmer spart Zeit

Vor eineinhalb Jahren verwirklichte Dr. Michael Gurr seine Vision eines Online-Sprechzimmers. Nun bringt er seine Idee anderen Kollegen persönlich nahe.

Marco MrusekVon Marco Mrusek Veröffentlicht:

EISENBERG / PFALZ. Im Februar dieses Jahres hat Dr. Michael Gurr mit seinem Online-Sprechzimmer den zweiten Platz des "Erfolgs-Rezept Praxis-Preis" gewonnen (wir berichteten). Für den Hausarzt, der dieses Projekt unter der Webadresse "meinarztdirekt.de" zusammen mit dem Informatiker Hans-Georg Schleißinger im Januar 2016 an den Start brachte, hat der Preis viel bewegt.

Bei Gurrs Online-Sprechzimmer können Bestandspatienten ihren Ärzten Fragen stellen, die diese zeitunabhängig beantworten. Die Kommunikation funktioniert wie bei Messenger-Diensten (WhatsApp) – auch Bilder können angehangen werden. Durch Registrierung per Zugangscode, Verschlüsselung und Lagerung der Daten auf deutschem Boden sind die Konversationen Gurr zufolge sicher vor Datenklau. Die Abrechnung erfolgt je nach Zeitaufwand mit GOÄ-Nummer 1 oder 3. Der Patient kann die Rechnungen über gängige Online-Bezahlsysteme begleichen. Privatpatienten können sie ausdrucken und bei ihrer Versicherung einreichen. Für Kassenpatienten ist die Konsultation nach Bundesmantelvertrag bisher noch eine Selbstzahlerleistung.

"Durch den Erfolgs-Rezept Praxis-Preis sind wir bekannt geworden und haben viele Rückfragen bekommen", berichtet der Zweitplatzierte aus Eisenberg. Etwa 25 seiner Kollegen nutzen sein Online-Sprechzimmer aktiv, er selbst hält Kontakt zu 100 seiner Bestandspatienten über "meinarztdirekt.de". Seine Patienten seien Wiederholungstäter, sagt er. Besonders für Menschen auf dem Land ist der digitale Austausch mit dem Arzt attraktiv, berichtet Gurr. Seit 15 Jahren ist er hausärztlich auf dem Land tätig und kennt die dort teils langen Wege bis in die Sprechstunde. "Meine Patienten nutzen das digitale Sprechzimmer rege. Der älteste Nutzer ist 89 Jahre alt und vom Portal begeistert."

Bei seinen ärztlichen Kollegen sei allerdings mehr Überzeugungsarbeit nötig, so Gurr. "Die Ärzte sind noch etwas zögerlich und haben vor allem Bedenken, das digitale Sprechzimmer könnte sie mehr Zeit kosten." Auch seien seine Kollegen durch die allgegenwärtige Digitalisierung hinsichtlich solcher Themen gesättigt. Und die seiner Ansicht nach miserable Vergütung der Videosprechstunde tue ihr Übriges.

Momentan arbeitet Gurr daran, sein Online-Sprechzimmer bekannter zu machen. "In den vergangenen Monaten haben wir vor allem Nutzer-Feedback umgesetzt und kleinere Fehler ausgebessert. Jetzt wollen wir die Kollegen direkt ansprechen." Dabei ist ihm der persönliche Kontakt zu seinen Kollegen wichtig, wenn er für sein Sprechzimmer wirbt. Denn die ließen sich manchmal nur sehr zögerlich auf Neues ein. Da helfe nur das direkte Gespräch. Gurr bietet Fortbildungen und Präsentationen zu seinem Online-Sprechzimmer an, um den Bekanntheitsgrad zu erhöhen.

"Eine Marketing-Kampagne würde nichts bringen, man muss persönlich an die Leute rangehen", betont Gurr. Das funktioniere gut, die Kollegen, die an den Fortbildungen teilnehmen, seien von seinem Projekt begeistert. "Die Erfahrung ist durchweg positiv, vor allem die Zeitersparnis wird gelobt." Denn: Durchschnittlich zehn bis 15 Patientenkontakte würden wöchentlich über das digitale Sprechzimmers bearbeitet, rechnet Gurr vor. Auch dieses Jahr suchen UCB Innere Medizin und die Fachverlagsgruppe Springer Medizin, zu der die "Ärzte Zeitung" gehört, wieder Ideen, wie die des Hausarzts aus Eisenberg.

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