Onkologische Diagnostik
Erstes KI-Tool für Krebsvorsorge zugelassen
Radiologen werden während ihres Arbeitsalltags mit Unmengen an Aufnahmen konfrontiert. Hier soll nun Künstliche Intelligenz unter die Arme greifen.
Veröffentlicht:Berlin. Ein Start-up hat eine auf Künstlicher Intelligenz (KI) basierende Software entwickelt, mit der Radiologen in der Brustkrebsfrüherkennung künftig Bildmaterial hundertprozentig gesunden Gewebes schneller von dem potenziell krebsbefallenen Gewebes unterscheiden können.
Das 22-köpfige Team von Merantix Healthcare hat sein Programm namens „Vara“ auf einem der weltweit größten Brustkrebs-Datensätze mit mehr als zwei Millionen Aufnahmen trainiert, die mittels Gewebeproben und Annotationen medizinischer Experten abgesichert sind.
In Pilotprojekten habe Vara eine signifikante Arbeitserleichterung und gleichzeitig höchste Konfidenz beim Ausschluss unkritischer Fälle gezeigt.
Brustkrebs gilt als eine der Krebsformen, die leicht geheilt werden können, sofern sie früh erkannt wird: Innerhalb der ersten fünf Jahre liegt die Überlebensrate bei 99 Prozent. Innerhalb eines Jahres seien zudem 97 Prozent aller Mammografie-Befunde komplett frei von Krebsverdacht, dennoch müssen sie nach den Krebsfrüherkennungsrichtlinien der Radiologiegesellschaft von zwei Gutachtern ausgewertet werden. Im Anschluss sieht sich der sogenannte Programmverantwortliche Arzt (PVA) zusätzlich das Feedback der beiden Radiologen an. „Wenn Radiologen sich tagein tagaus so viele normale Studien ansehen müssen, übersehen sie leichter jene, die tatsächlich krebsverdächtig sind. Wir wollen Effizienzgewinne generieren dadurch, dass unsere Software den Bericht über hundertprozentig gesundes Bildmaterial vorfertigt“, erläutert Sven Piechottka, Manager Government and Regulatory Affairs und Pressesprecher des Start-ups Merantix Healthcare.
Mitte September hat Vara die CE-Kennzeichnung erhalten. Jetzt geht die Software in den Vertrieb. Das Berliner Unternehmen hat sich bereits mit mehreren Radiologie-Gruppen und Teleradiologie-Anbietern in ganz Europa zusammengeschlossen, um Vara in nationalen Screening-Programmen zur Anwendung zu bringen. Derzeit ist das Programm in fünf europäischen Ländern in der privaten Gesundheitsversorgung im Einsatz. „Wir erwarten, in den kommenden Jahren in der Radiologie noch viel mehr Bildmaterial zu bekommen.
Es geht in die Richtung Tomosynthese, dann hat man nicht mehr nur vier, sondern acht Bilder, die der Radiologe sich ansehen muss“, ergänzt Piechottka. Zur Problematik der steigenden Datenmenge gesellt sich die stagnierende und in manchen Regionen abnehmende Zahlen an Fachkräften, die diese Bilder analysieren und befunden können.
„Die repetitive Fließbandarbeit kostet Krankenkassen heutzutage Millionen, obwohl sie durch KI für einen Bruchteil der Kosten erledigt werden könnte. Wir ermöglichen in Zeiten explodierender Gesundheitskosten effizientere Erstattungsmodelle“, erklärt CEO Jonas Muff. Dabei geht sein Team auf Nummer sicher: Sobald das System unsicher ist, wird der Befund als potenziell verdächtig markiert.
In Deutschland führt Merantix Healthcare derzeit Gespräche mit Krankenkassen, um Vara zunächst in selektivvertraglichen, regionalen Settings einzusetzen.