Labor

Haftungsfalle Wunschleistung

Vor jeder IGeL muss der Patient bekanntlich über die Kosten aufgeklärt werden. Doch das gilt nach aktueller Rechtsprechung nicht nur für die selbst erbrachten Leistungen. Wer hier nicht aufpasst, muss mit Schadensersatzzahlungen rechnen.

Von Ingo Pflugmacher Veröffentlicht:
Bevor ein Arzt Blutproben mit entsprechendem Anforderungsprofil ans Labor schickt, sollte er den Patienten auf mögliche Zusatzkosten hinweisen.

Bevor ein Arzt Blutproben mit entsprechendem Anforderungsprofil ans Labor schickt, sollte er den Patienten auf mögliche Zusatzkosten hinweisen.

© Mathias Ernert

BONN. Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Ein Sprichwort, das Ärzte, die IGeL bzw. Wunschleistungen in ihrer Praxis anbieten, mehr als beherzigen sollten. Denn aus der aktuellen Rechtsprechung und dem durch das Patientenrechtegesetz eingeführten Paragrafen 630c Abs. 3 BGB ergibt sich eine neue Haftungsfalle.

Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hatte am 18.09.2013 (Az.: 5 U 40/13) folgende Konstellation zu beurteilen: Ein Arzt hatte gegenüber seinem Patienten medizinisch nicht notwendige Leistungen erbracht, die der privat versicherte Patient jedoch entgegen Paragraf 1 Abs. 2 GOÄ nicht ausdrücklich verlangt hatte. Jedenfalls konnte der Arzt ein solches Verlangen nicht beweisen.

Neben den unmittelbaren Behandlungen durch den beklagten Arzt selbst waren auch Laborleistungen streitig, die medizinisch nicht indiziert waren. Der behandelnde Arzt hatte wie üblich die Blutprobe entnommen und diese einem Laborarzt mit dem Anforderungsprofil übersandt.

Der Laborarzt rechnete unmittelbar gegenüber dem Patienten ab, der Patient bezahlte diese Laborrechnung zunächst, später forderte er die Kosten der Laboruntersuchung jedoch vom beklagten Arzt zurück.

Gericht sah Pflichtverletzung des Arztes

Das OLG Köln hat entschieden, dass der behandelnde Arzt verpflichtet ist, die Laborkosten als Schadenersatz an den Patienten zu zahlen.

Der Arzt habe die sich aus dem Behandlungsvertrag ergebende Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung verletzt, indem er den Laborauftrag erteilte, ohne den Patienten zuvor darüber aufzuklären, dass es sich bei den labormedizinischen Leistungen um solche handelt, die die Krankenversicherung aufgrund fehlender medizinischer Indikation nicht erstatten wird.

Es gehöre zu den Pflichten des behandelnden Arztes, den Patienten vor unnötigen Kosten und unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen zu bewahren, so weit er über bessere Kenntnisse und besseres Wissen verfüge.

Dies sei dann der Fall, wenn der behandelnde Arzt positive Kenntnis von der Unsicherheit der Kostenübernahme durch die Krankenversicherung hat. Oder wenn sich aus den Umständen zumindest hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten nicht gesichert ist.

Diese Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung treffe den Arzt nicht nur bei eigenen Leistungen. Er müsse den Patienten auch dann aufklären, wenn er Laborleistungen eines Laborarztes durch Übersendung von Labormaterial veranlasst, soweit deren Erstattung nicht gesichert ist.

Diese Überlegungen des OLG Köln zur wirtschaftlichen Aufklärung entsprechen der seit Jahren bestehenden Rechtsprechung der Zivilgerichte. Neu ist allerdings die ausdrückliche Erstreckung der Aufklärungspflicht auch auf die Kosten medizinisch nicht indizierter Laborleistungen, die der behandelnde Arzt empfiehlt bzw. veranlasst.

Patientenrechtegesetz verschärft die Situation noch

In dem vom OLG entschiedenen Verfahren spielte die Regelung des Paragrafen 630c Abs. 3 BGB zwar noch keine Rolle, da sie noch nicht in Kraft getreten war.

Seit dem 26.02.2013 (Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes) gilt jedoch zusätzlich, dass jeder Arzt den Patienten vor dem Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren muss, wenn ihm bekannt ist, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch Dritte nicht gesichert ist oder sich für den Arzt hierfür hinreichende Anhaltspunkte ergeben.

Bei der Beauftragung von Laborleistungen, die durch einen Laborarzt auf Überweisung erbracht werden, deren Kostenerstattung aber ausgeschlossen oder nicht gesichert ist, muss der behandelnde Arzt den Patienten also schriftlich über die voraussichtlichen Kosten informieren.

Eine solche Information ist mit vielen der üblichen Laboranforderungsscheine möglich. Diese enthalten häufig neben der Bezeichnung der Parameter bzw. Profile bereits die Aufstellung der Kosten.

Der Arzt muss dem Patienten diese Kosten benennen und ihn darauf hinweisen, dass eine Erstattung durch seine Versicherung ausgeschlossen bzw. nicht gesichert ist. Dieser Hinweis empfiehlt sich stets, wenn es sich um medizinisch nicht indizierte Leistungen handelt, da auch die privaten Krankenversicherungen in der Regel nur notwendige Untersuchungsleistungen erstatten.

Es mag in einzelnen Versicherungsbedingungen Abweichungen geben, dieser Tatsache wird der Arzt durch den Hinweis gerecht, dass eine Erstattung nicht gesichert sei. Eine vollständig fehlende wirtschaftliche Aufklärung wird er nicht mit der Unkenntnis der Details der Versicherungsbedingungen entschuldigen können.

Dokumentation schützt vor Zahlungsforderungen

Aus Beweisgründen empfiehlt es sich schließlich, dass der Arzt sich die Aufstellung der voraussichtlichen Kosten mit dem Vermerk "einverstanden" oder "Auftrag erteilen" vom Patienten unterschreiben lässt und diese Erklärung zur Patientenakte nimmt.

Die Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung wird häufig als ungerecht oder überzogen empfunden.

Vergegenwärtigt man sich aber, dass man selbst von einer Autoreparaturwerkstatt in der Regel einen Kostenvoranschlag erwartet und berücksichtigt man darüber hinaus, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient sich zu Recht auf einem völlig anderen Niveau bewegt, als das zwischen Autobesitzer und Werkstatt, so kann man die Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung auch als Ausdruck der besonderen Stellung des Arztes und seiner Verantwortung für die Menschen und das Gemeinwesen verstehen.

Die Rechtsprechung betont insoweit stets das überlegene Wissen des Arztes. Überlegenes Wissen ist aber nichts Negatives.

Dr. Ingo Pflugmacher ist Fachanwalt für Medizin- und Verwaltungsrecht und Partner der Kanzlei Busse & Miessen in Bonn.

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