Hausärzte sollen sich besuchen

Die DEGAM geht bei der Fortbildung neue Wege: Künftig sollen sich Kollegen gegenseitig besuchen - und voneinander lernen. Die Gesellschaft spricht von einem Kulturwechsel - endlich werde die "Blackbox Sprechstunde" geknackt.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:
Von einander lernen - im Gespräch und bei Besuchen.

Von einander lernen - im Gespräch und bei Besuchen.

© Mathias Ernert

BREMEN. Einen "Kulturwechsel in der hausärztlichen Fortbildung" - nicht mehr und nicht weniger erwartet sich der Bremer Hausarzt Dr. Günther Egidi von dem Plan der kollegialen Visitation von Hausärzten untereinander.

Die Idee zu dem Projekt hatte die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM).

Mit dem Projekt wäre die "Blackbox Sprechstunde" geknackt und der Weg frei für einen bereichernden und vorurteilsfreien Austausch unter Kollegen - so wünscht es sich die DEGAM.

Allerdings - wer mitmacht, muss sich zeigen. "Und das ist ein sehr großer Schritt", sagte Egidi, der bei der DEGAM die Fortbildung vertritt, der "Ärzte Zeitung".

Kollegen sollen Kollegen im Sprechzimmer besuchen, während sie mit ihren Patienten arbeiten, so der Plan. Gleiches gilt für die Praxisteams inklusive Medizinischer Fachangestellter (MFA).

Gedacht ist laut DEGAM an ein "peer-assessment". "Das bedeutet, dass beide Parteien auf Augenhöhe lernen - die besuchte Praxis und die Besuchenden", betont Egidi.

Wer hospitiert, soll nachher reflektieren und gegebenenfalls kommentieren, was ihm an den Arzt-Patient-Konsultationen aufgefallen ist, beziehungsweise an der Patienteninteraktion der MFA.

"Dabei können sich die Teams an Fragebögen orientieren, die wir entwickelt haben", sagt Egidi. Die Fragen schlagen ein einfaches und wertschätzendes Feedback vor. "Aber die Fragebögen sind kein Muss", so Egidi.

DEGAM will neue Fortbildungskultur anstoßen

Wer mitmachen will, soll sich lediglich auf einige Bedingungen einlassen, unter anderem, nicht in die Gespräche zwischen hospitierendem Arzt und seinem Patienten einzugreifen, für eine wertschätzende Atmosphäre zu sorgen und für eine gemeinsame Reflexion der Hospitation bereitzustehen.

Dafür vergibt die DEGAM das Label "DEGAM-Hospitationspraxis", allerdings nur an DEGAM-Mitglieder. Die Hospitationspraxen erhalten dann eine entsprechende Urkunde und die Erlaubnis, das Label für ihre eigene Homepage zu benutzen.

Derzeit bemüht sich die DEGAM darum, dass beide Parteien für ihr Engagement Fortbildungspunkte bekommen. "Denn nach unserer Erfahrung profitieren und lernen beide - die Besuchenden und die besuchten Praxen", sagt Egidi.

Bis jetzt stehen rund 30 Ärzte auf der Liste der DEGAM. "Unsere Zukunftsvision ist, dass wir deutschlandweit eine große Gruppe von Hausärzten haben, die sich zu Hospitationen bereit erklären", sagt der Bremer Hausarzt.

Auf der DEGAM-Homepage (www.degam.de) könnten dann all diese Praxen über ein Fähnchen auf eine Deutschlandkarte angewählt werden. Die beteiligten Kollegen verabreden sich dann zur Hospitation.

In den Niederlanden sind kollegiale Praxis-Hospitationen gang und gäbe, gibt es doch seit Jahren das "Visitate"-Programm. Inzwischen gehöre die kollegiale Hospitation sogar zu den Voraussetzungen der Zertifizierung von Hausarztpraxen, so Egidi.

"Wir wünschen uns auch in Deutschland eine neue Fortbildungskultur, unser Projekt ist ein Anstoß dazu", sagt Egidi.

"Wir alle sind in der Ausbildung durch die Klinikhierarchien geprägt und haben uns da durchgebissen. Jetzt besteht die Gefahr, dass wir selber kleine Diktatoren werden könnten." Auch das soll durch Praxishospitationen auf Augenhöhe gebannt werden.

http://degam.de

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