Homecare - der Weg zu besserer Compliance?

Dienstleistungen von Homecare-Unternehmen gibt es noch nicht lange in Deutschland. Viele Ärzte beäugen sie skeptisch. Doch die Unternehmen versprechen: "Wir nehmen keinem Arzt den Patienten weg."

Von Sabine Schiner Veröffentlicht:
Infusion in einer ambulanten Einrichtung. Manche Unternehmen bieten den Service zu Hause an.

Infusion in einer ambulanten Einrichtung. Manche Unternehmen bieten den Service zu Hause an.

© Jupiterimages / Photos.com

Ditmar Basalla ist 55 Jahre alt, lebt in Köln und leidet an der Stoffwechselstörung Morbus Fabry. Alle zwei Wochen ist er auf eine Enzymersatztherapie angewiesen: Die Infusion dauert zwei Stunden. Dazu kommt ein Krankenpfleger eines Homecare-Unternehmens zu ihm ins Wohnzimmer: "Das ist das Beste, das mir passieren konnte", sagt Basalla. "Ich fühle mich gut aufgehoben."

Dienstleistungen werden oft kostenlos angeboten

Dienstleistungen von Homecare Unternehmen - ergänzend zu ambulanten Pflegediensten - gibt es noch nicht lange in Deutschland. Sie werden bei Patienten mit schweren Erkrankungen eingesetzt, bei denen es vor allem darauf ankommt, dass sie ihre Medikamente regelmäßig einnehmen und wenn diese etwa über Injektionen oder Infusionen appliziert werden.

Dadurch soll die Compliance gesichert und der Therapieerfolg gesteigert werden. Oft werden die Dienstleistungen für Patienten und Ärzte kostenlos angeboten, weil sie von Pharma-Unternehmen gesponsert oder von Firmen im Rahmen von Studien angeboten werden - dies stärkt auch die Bindung ans Produkt.

Manche Ärztevertreter sehen darin ihre Therapiefreiheit und Unabhängigkeit gefährdet. Auf einer Tagung zu Homecare-Programmen in Heidelberg wurden die Modelle diskutiert.

Für Peter Teich von der Healthcare GmbH & Co. KG ist unstrittig, dass Patienten von der koordinierten Versorgung profitieren und dadurch Kosten im Gesundheitswesen gesenkt werden. Patienten schätzten diese Art der Behandlung sehr, sie helfe bei der Krankheitsbewältigung und stütze die Compliance. Davon, so Teich, könnten auch Ärzte profitieren.

Alle zwei Wochen zur Infusion

Ditmar Basalla musste vor zehn Jahren alle zwei Wochen für eine Infusion zur Uniklinik Mainz fahren. "Ich fehlte einen ganzen Tag auf der Arbeit", erinnert er sich. Die Fahrtkosten trug er selbst. "Ich wollte meine Krankenkasse außen vor lassen."

Er nahm dafür Urlaubstage und bekam trotzdem bald Probleme mit seinem Chef. "Ich wurde gemobbt." Einige Jahre später wurde er Frührentner und bekam die Infusionen bei seiner Hausärztin. So richtig zufrieden ist Basalla allerdings erst, seit er zu Hause versorgt wird. "Ich habe einen total netten Pfleger. Wir haben ein gutes Verhältnis", sagt er im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Er organisiere Arztbesuche, Infusionstermine und sorge für die rechtzeitige Lieferung der Medikamente und die Einhaltung der Kühlkette.

Basalla, der vor knapp zehn Jahren eine Selbsthilfegruppe für Patienten mit Morbus Fabry gegründet hat, weiß, dass es für chronisch Kranke oft schwer ist, Tag für Tag die nötige Selbstdisziplin aufzubringen. "Viele Patienten brauchen jemanden, der sie vorantreibt."

Gut gefällt ihm, dass alle Beteiligten bei Homecare vernetzt sind. Mangelnde Compliance verursacht nach dem aktuellen Gesundheitsmonitor der Bertelsmann-Stiftung jährlich bis zu zehn Milliarden Euro an direkten Folgekosten . Häufigster Grund für Noncompliance ist das Vergessen. Oft sind es auch Informationsdefizite. "Je länger die Therapie dauert, desto schlechter ist die Compliance", sagt Peter Teich.

Homecare-Programme - eine Option für Rabattverträge

Er geht davon aus, dass es künftig Homecare-Programme auch im Rahmen von Selektiv- und Rabattverträgen geben wird. Vorstellbar sei, dass Fachärzte-Gruppen ähnliche Programme anbieten, um sich von Mitkonkurrenten abzugrenzen. "Ärzte müssen keine Angst haben, dass sie dadurch Patienten verlieren", sagt Teich.

Das Gegenteil sei der Fall: Ärzte könnten durch das Anbieten des Services die Bindung zum Patienten stärken, die Praxisteams würden entlastet.

"Wir nehmen keinem Arzt die Patienten weg", sagt Christian Klug vom Homecare-Anbieter Healthcare at Home (HaH) in Mannheim, der unter anderen Morbus Fabry-Patienten wie Ditmar Basalla betreut. Der Arzt treffe die Entscheidung, ob ein Patient für Homecare geeignet ist.

Erste Infusion in der Arztpraxis

Der Arzt bleibe auch für die Therapie verantwortlich. Zudem müsse der Patient das Medikament, das per Infusion oder Injektion verabreicht werde, bereits einige Zeit genutzt haben. So sei sichergestellt, dass er es auch verträgt. Möglich sei auch, dass die erste Infusion in der Arztpraxis stattfinde.

So könne der Arzt sich von der Kompetenz der Krankenschwester oder des Pflegers überzeugen. "Und die Patienten können sehen, ob die Chemie stimmt", so Klug.

In Deutschland ist HaH seit drei Jahren tätig. Die Mutterfirma wurde 1992 in Großbritannien gegründet, dort werden jedes Jahr mehr als 100.000 Patienten mit einem Heimtherapie-Service versorgt. Bundesweit gibt es 13 Projekte, eingesetzt werden 80 Krankenschwestern. Unterstützt und betreut werden vor allem ältere und multimorbide Patienten mit Diabetes, rheumatoider Arthritis und Parkinson.

Therapie zu Hause - nur ein Scherz?

Ditmar Basalla meinte übrigens zunächst, es handle sich bei der Therapiemöglichkeit zu Hause um einen Scherz. "Ein kostenloses Angebot, das ist doch nicht drin in unserem Gesundheitssystem", erzählt er. Heute ist Homecare aus seinem Alltag nicht mehr wegzudenken. "Ich habe das Gefühl, alle kümmern sich um mich und da passiert was."

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