Arzt & Patient

Immer weniger Ärzte machen Anwendungsbeobachtungen

Knapp zwei Prozent aller Ärzte nahmen 2019 an einer Anwendungsbeobachtung teil. Pro Patient wurden sie dafür im Schnitt mit 360 Euro honoriert.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Auswertung einer Anwendungsbeobachtung beim Arzt

Echter Arbeitsaufwand oder leicht verdientes Geld? Bei Anwendungsbeobachtungen gehen die Meinungen auseinander.

© Petrik / stock.adobe.com

Berlin. Anwendungsbeobachtungen (AWB) geraten immer wieder in den Verdacht, rein marketing-getriggerte Veranstaltungen der Pharmaindustrie zu sein. Aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion geht jetzt hervor, dass AWB weit weniger häufig stattfinden, als ihr schlechter Ruf vermuten lässt – und teilweise deutlich weniger fürstlich dotiert sind, als in Medienberichten schon mal behauptet.

Unter Berufung auf Zahlen der KBV heißt es in der Regierungsantwort, von 2014 bis zum jüngsten Berichtsjahr 2019 sei der Anteil der an AWB teilnehmenden Ärzte (Freiberufler und Klinikärzte) von 4,64 Prozent (16.952 Ärzte) auf 1,96 Prozent (7900) kontinuierlich zurückgegangen (-53 Prozent). Im selben Zeitraum nahm die Grundgesamtheit um zehn Prozent auf 402.000 Ärzte zu.

Honorar kräftig gestiegen

2015, im ersten Berichtsjahr einer nach Klinikärzten und Niedergelassenen aufgeschlüsselten Datenerfassung, waren mit rund 12.000 Niedergelassenen fast fünfmal mehr ambulant tätige Ärzte an AWB beteiligt, als stationär tätige. Im vergangenen Jahr hingegen waren es nur noch etwas mehr als doppelt so viele (5531 Niedergelassene, 2369 Klinikärzte). Im Mittel dauert den Angaben zufolge eine AWB drei Jahre.

Kräftig zugelegt hat von 2014 bis 2019 die durchschnittliche Arzt-Vergütung pro AWB-Patient, nämlich um 36 Prozent auf zuletzt 360 Euro. Dieser Betrag liegt zwar immer noch deutlich unter demjenigen, den die Grünen-Abgeordneten in der Vorbemerkung ihrer Anfrage unter Bezugnahme auf einen Bericht der „Tagesschau“ von 2014 nennen: 669 Euro.

Dennoch ist nach Ansicht der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft (AkdÄ) das AWB-Honorar „oft unangemessen hoch“. Erst kürzlich hatte das Gremium Kollegen mit der Begründung von einer AWB-Teilnahme abgeraten, dass sich damit relevante Fragen, beispielsweise zum Zusatznutzen, im direkten Vergleich zu anderen Therapeutika nicht beantworten ließen. Und Fragen, die mittels AWB zu beantworten wären – etwa zum Off-Label-Use oder zur spezifischen Therapietreue –, erfahrungsgemäß nicht gestellt würden.

„Keine Kenntnis“ von AWB-getriebenen Verordnungskosten

Für „angemessen“ in Sachen AWB-Vergütung hält die AkdÄ in Anlehnung an die GOÄ-Nummer 85 (ausführliches Gutachten) einen Stundensatz von maximal 75 Euro.

Auf die Frage der Grünen nach Hinweisen auf ausufernde Verordnungskosten infolge ärztlicher AWB-Teilnahme, erklärt die Bundesregierung, ihr lägen „hierzu keine Erkenntnisse vor“. Im übrigen beinhalteten die Rahmenvorgaben zur Wirtschaftlichkeitsprüfung, „dass insbesondere verordnete Leistungen von Ärztinnen und Ärzten, die an AWB teilnehmen, geprüft werden“.

Nach Auskunft des Pharmaverbandes vfa gaben dessen Mitgliedsunternehmen 2019 bundesweit rund 404 Millionen Euro für Arzthonorare im Zusammenhang mit der Teilnahme an klinischen Studien und Anwendungsbeobachtungen aus.

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