In einer Studentenkneipe in Kiel fing alles an

Wer als Patient einen Arzt sucht, findet diesen immer häufiger über das Internet. Die Arzt-Auskunft der Stiftung Gesundheit war auf diesem Gebiet Pionier. Heute hat die Stiftung mehrere Standbeine.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung Gesundheit bei der Pflege des Datenbestandes. Jährlich sind 90 000 Aktualisierungen in der Datenbank vorzunehmen. © di

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stiftung Gesundheit bei der Pflege des Datenbestandes. Jährlich sind 90 000 Aktualisierungen in der Datenbank vorzunehmen. © di

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HAMBURG. Das wichtigste Kapital der Stiftung passt auf einen winzigen Chip: 390 000 Ansprechpartner aus dem Gesundheitswesen im gesamten Bundesgebiet sind in einer Datenbank aufgelistet und nach verschiedenen Kategorien abrufbar. Darunter allein 220 000 Ärzte, Zahnärzte und Psychotherapeuten. Viele Ärzte haben hier gegen Gebühr ihre Therapieschwerpunkte registrieren lassen, damit Patienten sie finden.

Die Adressbestände der Arzt-Auskunft haben in der Vergangenheit immer wieder Begehrlichkeiten von Personen, Firmen und Institutionen geweckt. Dr. Peter Müller, Vorstand der Stiftung, musste schon zahlreiche Anrufe von Interessenten abwehren - denn der Adressbestand bleibt allein in Händen der Stiftung.

Die finanzielle Basis waren 35 000 DM Stiftungskapital

Dass dieser Datenbestand zusammengetragen wurde, geht auf die Initiative des Journalisten Müller und einer Handvoll Ärzte zurück. Geboren wurde die Idee in den frühen Neunziger Jahren in einer Kieler Studentenkneipe. "Wer damals als Migränepatient einen Arzt brauchte, der sich gezielt und qualifiziert mit dem Thema beschäftigte, musste lange suchen", erinnert sich Müller.

Die beteiligten Ärzte sahen das genauso. Einer von ihnen war bereit, das Stiftungskapital von damals 35 000 DM beizusteuern - heute sind es 100 000 Euro -, andere investierten die von der Stiftungsaufsicht geforderte ehrenamtliche Mitarbeit. So entstand 1996 die Stiftung Gesundheit - eifersüchtig verfolgt von manchen ärztlichen Körperschaften.

Die beteiligten Ärzte wollten nicht mit ihrem Namen in Erscheinung treten, was der Stiftung immer wieder den Vorwurf mangelnder Transparenz eintrug. Das Misstrauen gegen das kostenlose Angebot war so groß, dass sich Justiziare der Kammern damals damit beschäftigten und nach einer Anzeige einer Einzelperson sogar die Staatsanwaltschaft ermittelte. Dass alles legal abläuft, erhielt die Stiftung durch alle Instanzen bestätigt. Dr. Peter Müller spricht aber nicht gern über diese Zeit. "Das ist Schnee von gestern", sagt er.

Heute sitzt die Stiftung nicht mehr in Kiel, sondern in Hamburg. Statt nur mit Ehrenamtlichen auszukommen, kann und muss Müller heute 20 fest angestellte Mitarbeiter beschäftigen, die allein für die aufwändige Pflege der Adressdatei zuständig sind. Jährlich müssen sie rund 90 000 Aktualisierungen im Bestand vornehmen. Das geht von der einfachen Adressänderung, die der Arzt selbst gemeldet hat, bis zur zeitintensiven Nachrecherche, wenn ein Arzt zunächst unbekannt verzogen ist.

Der Aufwand erklärt sich mit der Kernidee der Stiftung, Patienten und Ärzte zusammenzuführen. Dazu sind rund 1000 Therapieschwerpunkte von der Akupunktur bis zur Zuckerkrankheit aufgeführt. Patienten erhalten diese Informationen kostenlos und werden nicht von Werbung beeinflusst.

Finanziert wird das Angebot, indem Ärzte für ihre eingetragenen Therapieschwerpunkte eine Gebühr von 6,20 Euro im Monat zahlen. Der Grundeintrag ist kostenlos. Wie sehr sich die Idee aus der Kieler Studentenkneipe heute bundesweit durchgesetzt hat, sieht man nicht nur an den vielen Angeboten in diesem Segment bis hin zu Arztbewertungen, sondern auch an der hohen Resonanz der Patienten.

Denn außer den zehn Millionen Suchvorgängen pro Jahr unter www.arzt-auskunft.de greifen viele Menschen auf das Angebot über Partnerportale zurück. Besonders unter Krankenversicherungen ist der Adressbestand der Arzt-Auskunft begehrt. Sie bieten ihren Versicherten damit die Möglichkeit, einen passenden Arzt zu finden. Davon profitieren im Gegenzug die gelisteten Ärzte und nicht zuletzt die Stiftung, die nach Zugriffszahlen bezahlt wird und dieses Geld in die Pflege des Bestandes reinvestieren kann. Müller ist mit der Entwicklung zufrieden: "Die Lizenzvergabe an Krankenversicherer ist ein stark wachsendes Segment."

Die Stiftung hat ihr Tätigkeitsfeld ausgedehnt

Neben der Auskunft zertifiziert die Stiftung heute auch Fachbücher, lobt einen Publizistikpreis im Gesundheitswesen aus, initiiert Studien über die Situation in den Praxen, ist Initiator im Projekt Barrierefreie Praxis, bei dem auch die "Ärzte Zeitung" Partner ist, und hat einem Medizinrechtsberatungsnetz zum Leben verholfen. Mitglieder hat die Stiftung nicht, Unterstützer werden auf einen Förderverein verwiesen. Kontrolliert wird Stiftungsvorstand Müller von einem dreiköpfigen Kuratorium. Der Stiftungsgeber ist dort übrigens nicht mehr aktiv. Er hat sich aus der Stiftungsarbeit zurückgezogen, beobachtet die Entwicklung und hat es geschafft, bis heute anonym zu bleiben. Fest steht, dass es ein Arzt war.

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