Evaluationsbericht zur KBV-Zukunftspraxis

Innovationen im Praxisalltag: Nicht alles was glänzt, bedeutet für die Praxis auch Gold

Der Evaluationsbericht zur KBV-Zukunftspraxis legt schonungslos offen, wie für zukunftsträchtig erachtete Innovationen schon vor Markteinführung scheitern können, wie die Krebsprävention zeigt.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Nicht jede digitale Innovation, die einen Nutzen für die Praxis verspricht, kann dieses Versprechen auch einhalten. Das zeigt nicht zuletzt die Erfahrung der KBV-Zukunftspraxis.

Nicht jede digitale Innovation, die einen Nutzen für die Praxis verspricht, kann dieses Versprechen auch einhalten. Das zeigt nicht zuletzt die Erfahrung der KBV-Zukunftspraxis.

© Sergey Nivens / Shotshop / picture alliance

Berlin. Innovative digitale Anwendungen müssen ihr Potenzial in vertragsärztlichen Praxen erkennbar, schnell, lösungsorientiert und mit geringem Implementierungsaufwand zeigen, um Ärzte und Psychotherapeuten samt ihren Teams zu unterstützen. Das geht aus dem jetzt veröffentlichten Evaluationsbericht zum Projekt Zukunftspraxis der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) hervor. Die Idee des Projekts KBV-Zukunftspraxis ist es, digitale Anwendungen für die ambulante Versorgung im Praxisalltag zu testen. Aus einem Wettbewerb gingen zehn Gewinner hervor, deren Produkte zwischen 2019 und 2022 in jeweils einjährigen Testphasen erprobt wurden. Aus den Ergebnissen wurden Faktoren ermittelt, die die Akzeptanz digitaler Innovationen beim Praxisteam, aber auch bei Patientinnen und Patienten schaffen. „Das Interesse und Engagement der Praxen war von Anfang an enorm. Das Konzept hat sich bewährt: Neuerungen werden im Praxisbetrieb getestet – in engem Austausch zwischen Nutzern und Anbietern, um das volle Optimierungspotenzial auszuschöpfen“, stellten die KBV-Vorstände Dr. Andreas Gassen, Dr. Stephan Hofmeister und Dr. Thomas Kriedel fest.

Die Praxistests zeigten, dass digitale Anwendungen ihr Potenzial im Praxisbetrieb voll entfalten, wenn sie schnell erkennbaren Mehrwert schaffen, lösungsorientiert sind und in der Praxis gut integrierbar sind. „Die entscheidenden Faktoren sind Nutzen, Mehrwert und Einfachheit. Sind diese gegeben, engagieren sich Ärzte und Psychotherapeuten mit ihren Teams dafür, digitale Neuerungen in ihrem Berufsalltag gezielt einzusetzen“, verdeutlicht Gassen. Vertragsärztliche Praxen nutzten bereits heute verschiedene Anwendungen, unter anderem die Videosprechstunde oder Praxisverwaltungssysteme (PVS). „Ärztinnen und Ärzte sind immer offen für digitale Innovationen, die einen konkreten Mehrwert haben und sich unkompliziert in den Arbeitsalltag der Praxen integrieren lassen“, erläutert Hofmeister.

Ist die Technik in der Praxis veraltet, nützen auch Innovationen nichts

Im Rahmen der KBV-Zukunftspraxis wurden neue Produkte als nützlich für die Praxisorganisation bewertet. Als hinderlich erwiesen sich neben veralteten Telefonanlagen fehlende Integrationsmöglichkeiten in das PVS. In den Ergebnissen der KBV-Zukunftspraxis sieht Kriedel die wiederholten Forderungen der KBV gegenüber gematik, Politik und Industrie bestätigt. „Die PVS-Industrie soll künftig stärker an die Kandare genommen werden, auch verbunden mit Aufgaben und Optionen für die KBV“, forderte Kriedel.

Dass aber auch strategische Unternehmensentscheidungen einen flächendeckenden Einsatz in Haus- und Facharztpraxen verhindern können, zeigt laut Evaluationsbericht das Beispiel einer digitalen Lösung für das Hautkrebsscreening. Diese habe bereits eine gewisse Marktreife besessen und verfügte seit 2017 über eine CE-Zertifizierung. Getestet sei die Innovation ebenfalls schon gewesen im Rahmen einer dreijährigenmultizentrischen Studie. Das Projektteam der KBV-Zukunftspraxis bewertete die Lösung zum Zeitpunkt der Projektauswahl als reif für den Praxistest.

Geplant gewesen sei, die Anwendung in zehn Haut- sowie fünf Hausarztpraxen mit hohem Anteil an Hautkrebsscreening-Patienten und chirurgischer Entfernung zu testen. Der Fokus der Evaluation sollte darauf liegen, ob das Tool als praxisinternes System zur genaueren Differenzierung melanomverdächtiger Hautveränderungen akzeptiert werde und eine Unterstützung darstelle, ob es zur Entscheidung über eine Intervention beitrage und ob sich allgemeine Empfehlungen für eine optimierte Hautkrebsvorsorge ableiten ließen.

Investoren konzentrierten sich auf US-Markt

Der Hersteller sei daran interessiert gewesen, sein Gerät und das damit verbundene Angebot weiterzuentwickeln – mit der Zielstellung der Aufnahme in den GKV-Leistungskatalog. Das sei allerdings mit hohen Anforderungen verbunden. Eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode für den vertragsärztlichen Bereich benötige die Prüfung und Zustimmung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Der Anbieter wollte dem Ziel im Zuge der Zulkunftspraxis näherkommen, wie es im Bericht heißt.

Im Verlauf des Projekts hätten sich dann zwei große, aber überwindbare Hürden gezeigt. Der Hersteller habe damals bundesweit nur über zwei Geräte verfügt, die Herstellung weiterer Geräte sei komplex. „Der Zeitrahmen, der für die Evaluationsphase in Praxen aus dem gesamten Bundesgebiet angesetzt war, hätte möglicherweise nicht ausgereicht. Dazu gab es allerdings Lösungsideen“, ist zu lesen. Zum anderen habe der Anbieter aber auch mehr Kapital benötigt. Dafür seien Investoren gewonnen worden – diese hätten sich aber dazu entschieden, sich erst einmal auf den viel größeren amerikanischen Markt zu konzentrieren. Die Evaluation in den KBV-Zukunftspraxen sei somit abgesagt worden.

Mehr als 60 Unternehmen beteiligten sich am Ideenwettbewerb der KBV-Zukunftspraxis. Bei zehn Anwendungen wurden Produktreife, Patientenbezogenheit und Mehrwert im Praxisalltag zunächst als praxistauglich eingestuft. Fünf Anwendungen konnten schließlich in Praxistests von 150 Praxen evaluiert werden. Wissenschaftlich begleitet wurde das Projekt durch das Institut für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft der Charité Berlin. Es wurde eine qualitative Analyse durchgeführt, bei der die ausgewählten Testpraxen ihre individuellen Anwendungserfahrungen in drei Phasen bewerteten: vor dem Beginn des Tests, nach drei Monaten und nach zwölf Monaten.

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