Wilke-Wurst

Keine Transparenz, nirgends

Das hessische Umweltministerium verspricht Aufklärung. Foodwatch wartet weiter auf eine Liste der Verkaufsstellen.

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Hinter der Werkszufahrt zum nordhessischen Wursthersteller Wilke ist es seit ein Woche still: Die Waren von Wilke werden mit mindestens zwei Todesfällen in Verbindung gebracht.

Hinter der Werkszufahrt zum nordhessischen Wursthersteller Wilke ist es seit ein Woche still: Die Waren von Wilke werden mit mindestens zwei Todesfällen in Verbindung gebracht.

© Uwe Zucchi/dpa

Waldeck/Wiesbaden. Das hessische Umwelt- und Verbraucherministerium hat im Fall des Lebensmittelskandals um den Fleischverarbeiter Wilke Aufklärung zugesagt und gesetzgeberische Konsequenzen angekündigt. Unter anderem soll das Weisungsrecht der Fachaufsicht über die kommunale Lebensmittelüberwachung erweitert werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf sei bereits in den Landtag eingebracht worden, teilte Ministerin Priska Hinz (Grüne) am Montagabend mit.

Gleichzeitig wurde auf dem Portal „lebensmittelwarnung.de“ eine Liste mit über 1000 Produkten des wegen massiver Hygienemängel vor einer Woche geschlossenen Herstellers veröffentlicht. Die Liste enthält jedoch nur Produkte, die ohnehin mit dem allgemein nachvollziehbaren Herstellerkennzeichen „DE EV 203 EG“ versehen sind.

Umweltministerium war seit Mitte August informiert

Die von der Verbraucherorganisation Foodwatch mit Frist Dienstagmittag eingeforderte Übersicht der Verkaufsstellen, die von Wilke Fleisch bezogen und etwa als Caterer oder in Restaurants abgeben haben – so zum Beispiel Ikea –, liegt nach wie vor nicht vor.

Gegenüber Foodwatch hatte das Umweltministerium am Montag bestätigt, seit dem 12. August über den Listerien-Verdacht gegen Wilke anhand einer Analyse des Robert Koch-Instituts unterrichtet gewesen zu sein. Zunächst wurden zwei Todesfälle in Südhessen sowie über 30 Lebensmittelvergiftungen mit dem belasteten Fleisch in Verbindung gebracht. Wilke-Mitarbeiter berichteten, dass es üblich gewesen sei, auch angeschimmeltes Fleisch weiterzuverarbeiten.

Eine Spur führt nach Niedersachsen

Am Dienstag meldete die Deutsche Presseagentur, dass Wilke-Wurst möglicherweise auch in Niedersachsen Erkrankungen verursacht haben könnte. Ein Sprecher des Landesgesundheitsamtes habe mitgeteilt, dem Amt seien drei Fälle bekannt, in denen ein Listerientyp nachgewiesen wurde, der mit hoher Wahrscheinlichkeit im Zusammenhang mit dem hessischen Fleischverarbeiter steht.

Die Keime seien genetisch eng mit den Listerien verwandt, die in den Wilke-Waren nachgewiesen wurden.

Die drei erkrankten Menschen seien zwischen 50 und 90 Jahre alt. Zwei von ihnen sind inzwischen gestorben. Einer von ihnen starb den Angaben zufolge jedoch an einer anderen Erkrankung, bei der zweiten Person habe nicht ermittelt werden können, ob die Listeriose-Erkrankung todesursächlich war.

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch hat unterdessen beim Verwaltungsgericht Kassel einen Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den Landkreis Waldeck-Frankenberg eingereicht. Mit dem Eilverfahren will Foodwatch erreichen, dass der Landkreis als zuständige Behörde Mitteilung darüber macht, welche Verkaufsstellen von dem wegen massiver Hygienemängel geschlossenen Korbacher Fleischverarbeiter Wilke beliefert wurden.

Foodwatch hatte am Sonntag Mittag beim Landkreis, dem hessischen Umweltministerium sowie dem Regierungspräsidium Darmstadt beantragt, die Öffentlichkeit binnen 48 Stunden über bekannte Verkaufs- und Abgabestellen wie Wursttheken, Restaurants, Caterer, Hotels oder Kantinen zu informieren. Eine Antwort habe man bisher nicht erhalten, teilte die Verbraucherorganisation am Dienstag Abend mit.

„Wir möchten wissen, welche Erkenntnisse die Behörden über Abnehmer und Verkaufsstellen haben. Bei einem so schweren Verdacht wie einer Listerienbelastung darf keine bekannte, verbraucherrelevante Information unter Verschluss bleiben“, begründet Foodwatch-Geschäftsführer Martin Rücker die Eingabe beim Verwaltungsgericht. Mit dem Verfahren wolle man darüber hinaus aber auch klären, welche Informationsansprüche die Verbraucher bei einem gesundheitlich begründeten Rückruf überhaupt hätten. Rücker: „Entweder gibt es einen Rechtsanspruch – dann müssen die hessischen Behörden endlich liefern und die Menschen informieren. Gibt es keinen Rechtsanspruch, dann muss der Gesetzgeber dringend nachbessern und die Behörden zu Transparenz verpflichten.“

Der hessischen Umweltministerin Priska Hinz (Grüne) warf Foodwatch am Mittwoch vor, untätig zugesehen zu haben „wie potenziell Listerien-belastete Wurst an Supermärkte, Fleischtheken und Krankenhäuser geliefert wurde“. Der Keimbefall bei Wilke sei dem Ministerium am 16. September bestätigt worden. Spätestens zwei Tage später „hätte ein öffentlicher Rückruf erfolgen müssen“. Der kam dann am 2. Oktober. (cw)

(aktualisiert am 09.10.2019, 15 Uhr)

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