Abrechnungsstreit

Kliniken und Kassen schieben sich den schwarzen Peter zu

Der Streit von Krankenhäusern und Krankenkassen um Abrechnungsprüfungen reißt nicht ab. Kliniken bemängeln fehlendes Vertrauen und vermuten ein Geschäftsmodell. Die TK weist das zurück: Die Hälfte der Abrechnungen seien schlicht falsch – und Kassen würden für ungerechtfertigte Prüfungen bestraft.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Spielkarte vom Schwarzen Peter: Im Abrechnungstreit beschuldigen sich Krankenkassen und Kliniken gegenseitig, Schuld zu sein.

Spielkarte vom Schwarzen Peter: Im Abrechnungstreit beschuldigen sich Krankenkassen und Kliniken gegenseitig, Schuld zu sein.

© euthymia / stock.adobe.com

Auch wenn sich Krankenhäuser und Krankenkassen im Streit um rückwirkende Rechnungskürzungen bei der Versorgung von Schlaganfallpatienten einigen, bleibe der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) zufolge das Grundproblem bestehen: das Misstrauen vieler Krankenkassen, das den Kliniken das Leben zunehmend schwer macht.

„Wir erleben seit 15, 20 Jahren, dass sich die Spirale des Misstrauens immer weiter dreht“, beklagt DKG-Präsident Dr. Gerald Gaß. Dies schlägt sich in einer steigenden Zahl der Prüfungen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) nieder.

„Die Krankenkassen gehen immer mehr dazu über, mit Computerprogramm-gestützten Methoden kleinste Unzulänglichkeiten in der Dokumentation oder bei Strukturvorgaben zu detektieren und zum Anlass zu nehmen, Rechnungen zu kürzen oder Zahlungen komplett zu verweigern“, moniert er. Das geschehe losgelöst von der Qualität der Behandlung.

„Ärzte und Pflegekräfte im Krankenhaus müssen sich jeden Tag für ihre Arbeit am Patienten rechtfertigen“, so Gaß. „Das macht nicht nur keinen Spaß, sondern motiviert auch nicht.“ Bleibe es bei einer Misstrauenskultur, werde es schwieriger, Nachwuchs für die Arbeit in den Kliniken zu gewinnen.

Großer Interpretationsspielraum

Ein Problem aus Sicht der DKG sei, dass neue Regeln und Vorschriften im Gesundheitswesen viel Interpretationsspielraum ließen. Ein deutliches Beispiel sei der Streit über die Frage, ab welchem Zeitpunkt die 30 Minuten Transportzeit bei der Verlegung von Schlaganfallpatienten in ein überregionales Zentrum gemessen werden.

Sorgen mache den Kliniken auch die Abrechnung der geriatrischen Komplexpauschale. Manche Kassen verweigerten die Vergütung, wenn die Teilnahme an der wöchentlichen Teambesprechung mit Kürzel statt vollem Namen dokumentiert wurde.

Nach Einschätzung der DKG suchten die Kassen gerade bei Komplexziffern nach Fehlern, um die Höhe der Vergütung in Frage zu stellen. Während in der Regel drei bis fünf Prozent der Abrechnungen vom MDK geprüft werden, seien es bei Komplexziffern 15 bis 20 Prozent.

Die Kliniken sehen eine wichtige Ursache der Probleme im Operationen- und Prozedurenschlüssel. Er sei durch immer neue Anforderungen überfrachtet worden und biete damit ein Einfallstor für das Vorgehen der Kassen. Der Versuch der Kliniken, wasserdicht zu dokumentieren, binde ungeheuer viele Kräfte, berichten Klinik-Manager.

Nach Angaben der DKG gehen die Kassen unterschiedlich mit strittigen Abrechnungsfragen um. „Manche Kassen zahlen unter Vorbehalt, bis die Sache endgültig geklärt ist“, sagt DKG-Präsident Gaß. Andere aber würden sofort kürzen oder bei rückwirkenden Forderungen die Beträge mit aktuellen Zahlungen verrechnen. Den Häusern blieben dann nur Klagen, aber bis diese entschieden sind, dauere es.

Abrechnungsprüfung als Geschäftsmodell?

Der Präsident des Verbandes der Krankenhausdirektoren Deutschlands, Dr. Josef Düllings, sieht in der verstärkten Abrechnungsprüfung ein „lukratives Geschäftsmodell“ der Krankenkassen. „Die Tendenz ist: Leistungsinanspruchnahme ja, zahlen lieber nicht“, kritisiert er. Das bringe nicht wenige Häuser in Insolvenzgefahr. „Der MDK spielt eine unrühmliche Rolle als Erfüllungsgehilfe der GKV“, so Düllings.

Er und Gaß fordern eine Reform des MDK, die diesen unabhängig von den Kassen mache. Eine Instanz zur Prüfung der Richtigkeit von Abrechnungen sei wichtig, sagt der DKG-Präsident. „Aber es darf nicht um die Optimierung von Erlöskürzungen gehen, um die Fehlersuche in Dokumentationen als Anlass für Kürzungen.“

TK: Haben Grund, die Rechnungen genau anzuschauen

Thomas Ballast, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse (TK), weist die Vorwürfe gegen die Kassen zurück. „Konflikte mit der Rechnungsprüfung haben wir, seit es das Fallpauschalensystem gibt.“ Auch er sieht ein Problem in Unsicherheiten bei der Interpretation der Abrechnungsbestimmungen, die ständig angepasst würden. Die Kassen müssten sich die Rechnungen anschauen, betont Ballast. „50 Prozent der Rechnungen, die wir dem MDK zur Prüfung geben, führen tatsächlich zu Beanstandungen".

Wenn das Bundessozialgericht wie im Fall der Schlaganfallversorgung bestimmte Vorgaben mache, könnten die Kassen das nicht ignorieren, betont Ballast. „Ich darf als Krankenkasse keine Rechnung bezahlen, die offenbar rechtswidrig ist.“ Der TK-Vize verweist darauf, dass die Kassen Strafen zahlen müssten, wenn sie Klinikrechnungen zu Unrecht beanstandet haben. Ballast: „Wenn es auch Strafzahlungen für falsche Abrechnungen gäbe, sähe die Sache anders aus.“

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