Telemedizin

Krankt Gesundheit 4.0 an fehlenden Voraussetzungen?

Der Tablet-PC als Helfer von Ärzten bei der Visite, Patientendaten für Mediziner aus der Cloud: In Deutschland haben diese Ideen viel zu wenig fruchtbaren Boden, monieren Experten.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Viele Anwendungen wie die sektorenübergreifende E-Akte sind heute noch eine Utopie.

Viele Anwendungen wie die sektorenübergreifende E-Akte sind heute noch eine Utopie.

© D3Damon / iStock / Thinkstock

DÜSSELDORF. Bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen sollte die Politik einen aktiveren Part übernehmen, als sie es bisher getan hat, findet Dr. Axel Wehmeier, Sprecher der Geschäftsführung der Deutschen Telekom Healthcare and Security Solutions GmbH. "Es ist Aufgabe der Politik, strategisch zu denken und einen Weg zu finden, wie man das Thema verantwortungsbewusst jenseits der Binnenkonflikte in der Selbstverwaltung vorantreiben kann", sagte Wehmeier bei der Tagung "Digitale Revolution im Gesundheitswesen – Patientendaten: Gold oder Dynamit?" des Clusters InnovativeMedizin.NRW in Düsseldorf.

Im Gesundheitsbereich und dem öffentlichen Sektor komme die Digitalisierung am langsamsten voran. Während die Industrie 4.0 schon Realität sei, fehle es für Gesundheit 4.0 immer noch an Voraussetzungen – sowohl technischer als auch gesellschaftlicher und politischer Art. "Die digitale Gesundheit ist einer der Bereiche schlechthin, wo das Internet gemanaged werden muss, wo es eines intensiven politischen Diskurses bedarf", betonte Wehmeier.

Nur Ansammlung von Pilot-Studien?

Die Telemedizin sei immer noch nicht mehr als eine bunte Ansammlung von Pilot-Studien. "Bisher hat es eigentlich keine telemedizinische Anwendung geschafft, in die Regelversorgung zu kommen." Der Einsatz von iPads für die Visite im Krankenhaus sei erst einer kleinen Minderheit vorbehalten, obwohl erwiesen sei, dass die Ärzte dadurch mehr Zeit für die Patienten und die notwendigen Daten schneller zur Hand haben. "Es ist eine politische Strategie gefordert, wie man digitale Produkte qualitätsgesichert in den Markt bekommt", sagte er.

Wehmeier begrüßte den Plan der Techniker Krankenkasse, ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte anzubieten. Bei der Ausschreibung stehe die Entscheidung kurz bevor, berichtete der Telekom-Manager. "Ich halte es für eine gute Initiative, dass hier nicht auf die Gematik gewartet wird."

Apropos Gematik: Die Telematik-Infrastruktur ist aus seiner Sicht zwar nicht die modernste Technologie, es macht aber dennoch Sinn, sie als Basis-IT auszurollen. "Damit haben wir die Datenschutz- und Sicherheitsprobleme für den stationären und ambulanten Bereich geregelt."

Im internationalen Vergleich ist Deutschland bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen gar nicht so schlecht aufgestellt, wie hierzulande viele meinen, findet Dr. Clemens Suter-Crazzolara, Vice President Product Management for Connected Health and Precision Medicine beim Softwarehersteller SAP. "Bei Industrie 4.0 ist Deutschland einer der Treiber weltweit, diese Chance haben wir meiner Einschätzung nach im Gesundheitsbereich auch."

"Ärzte fangen an zu ahnen"

In den Niederlanden etwa scheiterten Investitionen in die Digitalisierung etwa daran, dass die Ärzte darauf bestehen, dass Patientendaten ausschließlich in Excel-Sheets verarbeitet werden, berichtete Suter-Crazzolara, der selbst aus den Niederlanden stammt. "Viele Krankenhäuser und Ärzte fangen an zu ahnen, dass Daten einen bestimmten Wert haben."

Auch in Deutschland muss man seiner Ansicht nach die Vorteile von Big Data, also der Auswertung großer Datenmengen, noch viel deutlicher machen. Es werde aber die meiste Zeit nur über die Probleme und Sorgen gesprochen. Die Herausforderung bestehe darin, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen. "Man muss sich die Zeit nehmen, die Dinge zu erklären und ihnen die Vorteile klar zu machen", forderte Suter-Crazzolara.

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