HINTERGRUND

Mancher Gemeinschaftspraxis droht mit den neuen Arztnummern das Aus

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Wer mit Praxis-PC arbeitet, dürfte mit Arzt- und Betriebsstättennummern keine großen Probleme haben.

Wer mit Praxis-PC arbeitet, dürfte mit Arzt- und Betriebsstättennummern keine großen Probleme haben.

© Foto: Klaro

"Überzogene Kontrollwut" und "Bürokratiemonster" - das sind nur zwei der vielen wenig schmeichelhaften Attribute, die hausärztliche Standesvertreter für die zum 1. Juli anstehende Einführung der Betriebsstättennummer (BSNR) und der individuellen lebenslangen Arztnummer (LANR) haben.

Beide Nummern sind Bestandteil des neuen, zum 1. Januar 2007 in Kraft getretenen Vertragsarztrechts. Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sind sie für Vertragsärzte zur Kennzeichnung der abgerechneten Leistungen notwendig. Gleichzeitig bedeutet die Änderung aber auch, dass zum Beispiel die Betriebsstättennummer auf jedem Formular enthalten sein muss. Als Betriebsstätte gilt dabei der Ort, an dem der Arzt seine Leistungen erbringt. So erhält er sowohl für die angestammte Praxis als auch für eventuell bestehende Zweigpraxen jeweils eine individuelle Betriebsstättennummer.

Innerbetriebliche Abläufe in der Praxis werden offengelegt

Baden-Württembergs Landes-Hausärzteverbands-Chef Dr. Berthold Dietsche sieht vor allem fachgleiche Gemeinschaftspraxen als Opfer der Neuregelung. "Bisher gab es gegenüber der KV eine gemeinsame Abrechnung. Mit den beiden Nummern kann jeder nachvollziehen, wer was in der Praxis erbracht und abgerechnet hat", bringt Dietsche seine Verärgerung über die neu geschaffene Transparenz in Sachen Abrechnung auf den Punkt.

Dr. Ingo Pflugmacher, Fachanwalt für Medizin- und Verwaltungsrecht aus Bonn, verdeutlicht die Problematik am Beispiel einer Gemeinschaftspraxis. War etwa der Seniorpartner vertragärztlich nur in ganz geringem Umfang tätig, so erkannte die KV dies bei fachgleichen Praxen bisher nicht. Mit der Angabe der Arztnummer wird aber der Tätigkeitsumfang jedes einzelnen Arztes transparent. Da im BMV seit Juli 2007 auch festgelegt ist, dass jeder Vertragsarzt mit voller Zulassung mindesten 20 Wochenstunden Sprechstunde halten muss, kann die KV zukünftig eine geringere Tätigkeit beanstanden. "Wird die vertragsärztliche Arbeitszeit nicht gesteigert, droht der Entzug der halben Zulassung", führt der Medizinrechtler die Konsequenzen des Einsatzes der lebenslangen Arztnummer für betroffene Gemeinschaftspraxen vor Augen.

Hausärzte-Chef Dietsche will deshalb die Umsetzung der beiden Pflicht-Kennzeichnungen für Ärzte und Praxen verhindern. Dafür hat er im Mai auf der Vertreterversammlung der KV Baden-Württemberg einen Antrag durchgesetzt, in der die Vertreter die Zustimmung zu BSNR und LANR verweigern.

Ein Grollen innerhalb der Ärzteschaft ist keinesfalls nur aus den Reihen der baden-württembergischen Hausärzte zu vernehmen. Bereits im April machte zum Beispiel die Vertreterversammlung der KV Westfalen-Lippe Nägel mit Köpfen und fasste den Beschluss, die Neuregelung schlicht nicht umzusetzen. Im Wortlaut heißt es: "Die Kennzeichnung der Abrechnung mit der persönlichen Arztnummer wird als bürokratisches Monster von den Vertragsärzten in Westfalen-Lippe boykottiert und nicht durchgeführt."

Notfalls müssen die zuständigen Ministerien einschreiten

Medizinrechtler Pflugmacher räumt den Boykottbestrebungen keine Aussicht auf Erfolg ein: "Die Kennzeichnungspflicht ist Teil des Bundesmantelvertrages (BMV) und somit rechtsverbindlich. Weigert sich eine KV als Anstalt des Öffentlichen Rechts, die Vorgaben umzusetzen, müsste das zuständige Ministerium als Aufsichtsbehörde die Umsetzung ohne Wenn und Aber verfügen." Gleichwohl bringt Pflugmacher Verständnis auf für den Unmut, für den die Kennzeichnungspflicht vor allem bei Hausärzten sorgt. Denn die beiden Nummern könnten für manche Gemeinschaftspraxis Vorboten einer abrechnungstechnischen Götterdämmerung sein. Denn derzeit müssen nur versorgungsbereichs- oder fachübergreifende Gemeinschaftspraxen und MVZ die erbrachten Leistungen arztbezogen kennzeichnen. Bisher war im BMV vorgesehen, dass Einzelpraxen und fachgleiche Gemeinschaftspraxen ohne Nebenbetriebsstätten von der umfassenden Kennzeichnungspflicht befreit werden können. Von dieser Option wird nun kein Gebrauch gemacht. Bei der Abrechnung sind die Leistungen unter Angabe der LANR, aufgeschlüsselt nach Betriebsstätten und Nebenbetriebsstätten, anzugeben.

STICHWORT

Nummern für Ärzte und Betriebsstätten

Jedem Vertragsarzt, angestellten Arzt in Praxis oder MVZ, Ermächtigten und Notarzt wird eine Arztnummer (LANR) zugewiesen, die "lebenslang" für die vertragsärztliche Tätigkeit, unabhängig vom Status oder der Zugehörigkeit zu Berufsausübungsgemeinschaften oder dem Tätigkeitsort, gelten soll.

Die Betriebsstättennummer (BSNR) ordnet die Leistung der Arztpraxis oder dem Ort der Leistungserbringung zu. Sie wird für jede Betriebsstätte und Nebenbetriebsstätte des Vertragsarztes oder des MVZ vergeben. Sie ist bei der Abrechnung zusammen mit EBM-Ziffern sowie der LANR anzugeben.

Im Ernstfall droht Entzug der halben Zulassung.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Der Gesundheitsdialog

© Janssen-Cilag GmbH

J&J Open House

Der Gesundheitsdialog

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

© Springer Medizin

Johnson & Johnson Open House-Veranstaltung am 26. Juni 2025 beim Hauptstadtkongress

Impulse für den medizinischen Fortschritt: Welches Mindset braucht Deutschland?

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
J&J Open House beim Hauptstadtkongress

© [M] Springer Medizin Verlag

Video zur Veranstaltung

J&J Open House beim Hauptstadtkongress

Kooperation | In Kooperation mit: Johnson & Johnson Innovative Medicine (Janssen-Cilag GmbH)
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Manchmal kommt Künstliche Intelligenz ziemlich abstrakt daher. Doch es gibt zunehmend auch konkrete Anwendungen, sogar für Arztpraxen.

© 3dkombinat - stock.adobe.com

Praxisorganisation

Mit KI zu mehr Entlastung fürs Praxisteam

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Symposiums v.l.n.r.: Professor Karl Broich (BfArM), Dr. Jürgen Malzahn (AOK-Bundesverband), Dr. Christine Mundlos (ACHSE e.V.), Hauke Gerlof (Ärzte Zeitung), Dr. Johanna Callhoff (DRFZ), Professor Christoph Schöbel (Ruhrlandklinik, Universitätsmedizin Essen), Privatdozent Dr. Christoph Kowalski (Deutsche Krebsgesellschaft), Dr. Peter Kaskel (Idorsia)

© Thomas Kierok

ICD-11: Die Zeit ist reif für die Implementierung

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Idorsia Pharmaceuticals Germany GmbH, München
Abb. 1: Bei erfolgreich therapierter Sialorrhö ist Teilhabe wieder leichter möglich

© Olesia Bilkei / stock.adobe.com [Symbolbild]

Glycopyrroniumbromid bei schwerer Sialorrhö

Wirtschaftliche Verordnung durch bundesweite Praxisbesonderheit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Proveca GmbH, Düsseldorf
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Krebs in Deutschland

Bei zwei Krebsarten nahm die Sterblichkeit am stärksten ab

Geldanlage

Vermögen auf Rezept: Wie sich eine langfristige Finanzplanung auszahlt

Lesetipps
Die Luftbelastung in Innenräumen mit Reinigungsprodukten betrifft jede Person. Sie beeinflusst unsere Lungenfunktion, und das lebenslang. Diese Gefahr wird unterschätzt. So die Meinung einer Pneumologin aus Italien.

© natali_mis / stock.adobe.com

Verschmutzte Luft

Was Reinigungsmittel in der Lunge anrichten können