CES Las Vegas

Medizintechnik-Trends aus der Wüste

E-Health-Lösungen mausern sich langsam zu ständigen Begleitern im Alltag. Das zeigte sich nirgendwo anders als auf der Technikmesse CES in Las Vegas. Die Messe gibt immerhin vor, was die Trends in den kommenden Monaten sind. Eines ist klar: Wearable Electronics stehen ganz oben auf der Liste.

Von Hannes Rügheimer Veröffentlicht:
Das Blutzucker-Management-System Dexcom G4 wird wie ein Pflaster am Körper getragen. Ein Sensor mit einer kurzen Nadel liefert die Daten.

Das Blutzucker-Management-System Dexcom G4 wird wie ein Pflaster am Körper getragen. Ein Sensor mit einer kurzen Nadel liefert die Daten.

© Dexcom

LAS VEGAS. Wenn die Besucher der großen Technik-Neuheitenschau in der Wüste von Nevada die Stände mit gekrümmten Großbildfernsehern, Funk-Haussteuerungen, IT-Lösungen fürs Auto und Tablets aller Displaygrößen passiert hatten, kamen sie auch im Ausstellungsbereich "Digital Health" vorbei.

Und auch wenn dieser Bereich nicht gerade zu den größten der Consumer Electronics Show (CES) gehörte, beeindruckten die High-Tech-Lösungen, die hier einige Dutzend Hersteller aus der Medizintechnik präsentierten, zum Teil mehr als andere Lösungen.

Einer der großen Messetrends schlug dabei die Brücke zwischen Consumer-Technik und Medizin: "Wearable Electronics" mit Fokus auf die Erfassung und Auswertung von Körperdaten waren in Las Vegas allgegenwärtig.

Die Vielzahl von Fitness-Armbändern, Sensor-Halsketten und ähnlichen Produkten ist dabei eher dem Sport- und Lifestyle-Bereich zuzuordnen: Die Armbänder von Fitbit, Runtastic, Nike, Polar und anderen erfassen Bewegungen, Beschleunigung, Höhenprofile und zum Teil Pulsraten. Und bieten dann per Smartphone-App oder Computer-Software Auswertungen etwa von Trainingszyklen, rechnen den über einen Tag kumulierten Energieverbrauch hoch und helfen beim Buchhalten über sportliche Aktivitäten und Ernährungsmanagement.

Allerdings sind die dabei eingesetzten Sensoren nach wie vor so ungenau, dass sie allenfalls grobe Schätzwerte liefern und deshalb ihrem Träger nur grundsätzliche Tendenzen verraten.

Kopfhörer erfasst Gesundheitsdaten

Bemerkenswert auf der diesjährigen CES war, dass nach den spezialisierten kleineren Anbietern nun auch die Großen in den Markt der "Wearables" und des "Quantified Self" einsteigen: Auch Sony, LG und Garmin stellten "Activity Tracker" im Armband-Format vor.

Eine clevere Idee hatte dabei LG Electronics: Dieser Hersteller baut einen Sensor für den Herzschlag und Blutsauerstoffgehalt des Trägers in einen In-Ear-Kopfhörer ein. Die zugehörige Smartphone-App erfasst und berücksichtigt die Daten bei der Auswertung sportlicher Aktivitäten.

Die Preise für solche "Activity Tracker" liegen zwischen 80 und 200 US-Dollar, für einige der Messeneuheiten wie die "Heart Rate Earphones" von LG standen Preise und Verfügbarkeit zur CES noch nicht fest.

Die meisten Innovationen bei Wearables und Lifestyle-Gadgets präsentierten allerdings kleinere Anbieter. So präsentierte die Firma Netatmo ein Schmuck-Armband, dessen UV-Sensor die Exposition gegenüber Sonnenlicht misst und den Träger auf Basis von vorher eingetragenen Daten wie Hauttyp und Gewöhnung warnt, wenn er Sonnencreme nutzen oder den Sonnenschutz mit von ihm spezifiziertem Lichtschutzfaktor erneuern oder verstärken sollte.

Der für rund 300 Dollar angebotene Wellograph ist eine "Smartwatch", deren Rückseite Sensoren für Puls und Körpertemperatur enthält.

Insgesamt ist abzusehen, dass sich Smartphones in Zukunft mit immer mehr in Schmuckstücken oder anderen Zusatzgeräten integrierten Sensoren für Körperdaten vernetzen und die Messwerte ihres Trägers mit immer ausgeklügelteren Algorithmen und auch Cloud basierten Analysen auswerten werden.

Der Preis: mehrere hundert Dollar

Gesunden Schlaf und angenehmeres Wecken verspricht das Schlaf-Management-System "Aura" des Anbieters Withings. Anders als bisherige Schlafphasen-Wecker, die mit Armbändern oder ähnlichen Sensoren arbeiten, setzt diese Lösung auf eine Sensormatte, die unter der Matratze platziert werden soll und dort nicht nur Körperbewegungen, sondern auch Atem- und Herzfrequenz des Schlafenden erkennt.

Die zugehörige Lampe hilft mit sanftem Rotlicht beim Einschlafen sowie während der Schlafphasen und soll dabei die Melatonin-Ausschüttung beeinflussen.

Als Weckzeit wird ein Zeitkorridor von 30 Minuten programmiert, wobei das System versucht, seinen Nutzer in einer seichten Schlafphase zu wecken und dieses durch sanftes Licht und angenehme Töne einleitet. Das Gerät soll zum Preis von rund 300 US-Dollar auf den Markt kommen.

Über den Lifestyle- und Sport-Aspekt hinaus gehen Lösungen, die den Alltag mit spezifischen Krankheiten erleichtern sollen. So präsentierte der Anbieter Dexcom einen Funk-Sensor, der Diabetiker dabei unterstützt, ihren Blutzuckerspiegel zu kontrollieren. Der Sensor wird wie ein Pflaster direkt am Körper aufgeklebt, wobei eine kurze Nadel unter die Haut geschoben wird, um dem Sensor Zugriff auf ein Blutgefäß zu ermöglichen.

Alle fünf Minuten erfolgt eine Messung des Blutzuckerwerts, das in der Tasche getragene Empfängergerät speichert die Daten für spätere Auswertung am PC und warnt den Träger, wenn der Blutzuckerspiegel einen definierten Bereich verlässt. Das Empfangsgerät kostet einmalig 1200 US-Dollar, ein Set mit vier Sensoren, die einen Nutzungsmonat ermöglichen, liegt bei 349 Dollar.

Asthmatiker können mit dem für 170 Dollar angebotenen Sensor "AirSonea" und der zugehörigen Smartphone-App "AsthmaSense" ihre Atemgeräusche und somit Symptome und Risikopegel ihrer Krankheit überwachen. Das System ist in Australien bereits auf dem Markt und wird derzeit von der US-"Food and Drug Administration" für eine US-Markteinführung geprüft.

Ein weiterer großer CES-Trend waren Systeme und Lösungen im Bereich "Home Care", also zur Überwachung und Versorgung von Patienten und Pflegebedürftigen in ihrem eigenen Zuhause.

Letztlich werden hier ähnliche Sensoren und Diagnoseverfahren eingesetzt wie bei Diabetes- und Schlaf- und Asthmalösungen, hinzu kommen aber komplexe Analyse- und Überwachungssysteme und Kommunikationslösungen wie etwa Videokonferenz-Verbindungen zwischen dem Patienten und seinem betreuenden Arzt.

Die Lösung "PrevaCare" vom gleichnamigen Hersteller aus Chicago will geräteunabhängig Monitoring, Analyse sowie Informationsaufbereitung und -darstellung über eine Cloud basierte Software-Plattform bereitstellen.

Hilfe fürs Patientengespräch

Eher ein Randaspekt waren vereinzelt präsentierte Lösungen für bildgebende Verfahren. Die Firma Visible Patient nutzt beispielsweise Hightech-Computergrafik, um aus Röntgen-, CT- oder MRT-Aufnahmen dreidimensionale Visualisierungen zu erzeugen.

Der Fokus liegt weniger im Bereich Diagnostik, sondern mehr auf der Ausbildung von Medizinern oder der Unterstützung bei der Diskussion von Untersuchungsergebnissen mit den betroffenen Patienten. US-Bildungseinrichtungen und -Krankenhäusern bietet das Unternehmen seine bislang noch nicht zertifizierte Software daher bis auf Weiteres kostenlos an.

Auf einem die Ausstellung begleitenden Kongress wurden die Implikationen und Trends von Medizintechnik und Sensorik diskutiert, wobei der Schwerpunkt naturgemäß auf der Situation in den USA lag.

Einige Referenten gaben jedoch Ausblicke in die mittelfristige globale technische Entwicklung und stellten zum Beispiel Sensoren und Apps in Aussicht, die in die Krebs-Früherkennung oder als Frühwarnsystem für Indikatoren im Hinblick auf Schlaganfälle oder Herzinfarkte mit einbezogen werden können.

Nicht ausgeblendet wurden bei den Diskussionen auf dem Kongress und dem Showfloor allerdings auch die damit verbundenen Gefahren: Interessiert sich die NSA bislang vor allem für Telefonate und E-Mails, dürfte sie in Zukunft wohl auch den Stresspegel und andere Körperfunktionen von Wearable-Electronics-Trägern überwachen.

Und auch Versicherungen sind naheliegenderweise hoch interessiert an den Vitaldaten und Daten über sportliche Betätigung und Lebenswandel ihrer Kunden. Vielleicht sind Nutzer und Patienten gut beraten, kritische medizinische Daten lieber lokal bei sich zu behalten als sie bereitwillig in der Cloud und auf Social-Media-Kanälen à la Facebook zu veröffentlichen.

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