Gläserner Arzt

Mehr Therapietreue durch Akteneinsicht

Wie nimmt man Patienten am besten mit? In den USA wird ein unkonventioneller Ansatz erprobt.

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BOSTON/WITTEN/HERDECKE. Stellen Sie sich vor, Sie würden Ihren Patienten jederzeit Einblick in deren Akte gewähren, in sämtliche Diagnosen und Notizen, - online. Undenkbar? In den USA ist das schon Realität. Jedenfalls im Rahmen des "OpenNotes"-Projektes, das 2011 am Bostoner Beth Israel Deaconess Medical Center, einer Uniklinik der Harvard Medical School, gestartet wurde.

Inzwischen nehmen landesweit immerhin rund acht Millionen Patienten teil, "in zwei Jahren möchten wir 50 Millionen Leute erreichen", sagt Professor Tobias Esch, der an der Harvard Medical School über ArztPatienten-Beziehungen geforscht hat und mittlerweile an der Universität Witten/Herdecke lehrt.

Zusammen mit anderen Wissenschaftlern hat Esch kürzlich eine Auswertung des Projektes veröffentlicht ("Engaging patients through open notes: an evaluation using mixed methods").

Ergebnis: Erhalten Patienten vollen Zugang zu ihren medizinischen Daten, verbessert sich die Arzt-Patienten-Beziehung erheblich. Über zwei Drittel (77 Prozent) der knapp 600 für die Studie befragten Patienten äußerten den Eindruck, dass sie durch den freien Zugang zu den sie betreffenden Arzt-Notizen "mehr Kontrolle über ihre Behandlung" hätten.

60 Prozent der Teilnehmer "konnten durch das Programm ihre Medikation korrekt oder besser dosieren", heißt es in einer Mitteilung der Universität Witten/Herdecke. Fast alle Beteiligten hätten nach eigener Auskunft "mindestens einmal einen Irrtum oder ein Missverständnis" in den Aufzeichnungen ihres Arztes entdeckt.

Einigen Patienten sei durch die Einsichtnahme in ihre Akte zudem klar geworden, dass bislang zurückgehaltene Informationen für ihre Behandlung wichtig seien.

Und wie beurteilen die Ärzte den ungehinderten Zugang zu ihren Aufzeichnungen? Anfängliche Skepsis sei mittlerweile gewichen, heißt es. Esch: "Patienten, die sich eingebunden fühlen, erzielen in der Regel auch bessere Therapieerfolge. Dafür brauchen wir eine patientenbasierte und integrative Medizin." (cw)

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Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 28.04.201611:05 Uhr

Die USA ein Vorbild???

Hier wird doch alles "überwacht" und ausspioniert, so dass öffentliche Personen schon prophylaktisch selbst ihre detaillierten Krankheitsbefunde veröffentlichen bis zum histologischen oder genetischen Befund.
Auch die Krankenakte Michael Schumacher wurde ja bereits (illegal) im Internet angeboten.

Die Unterstellung für unsere Ärzte ist daher, sie würden ihre Patienten NICHT in ihre eigene Erkrankung/Therapie mit einbeziehen, kompletter Blödsinn. Dazu braucht es auch keine Juristen mit 1000 Unterschriften für jeden Behandlungsschritt.
Nein zu googl
konsequent off-line, bei uns gibt es immer noch § 203 StGB
zum Schutz von Patient UND Arzt

Clemens M. Hürten 27.04.201614:25 Uhr

Das gleiche Ergebnis ist durch die Patientenakte offline möglich - ohne IT-Datenrisiko!!!

Ich finde es unglaublich frech, wie einseitig und manipulativ hier wieder für die Medizin-IT und die eGK geworben wird!
Meine Klienten haben jederzeit die volle Einsicht in meine psychotherapeutischen Aufzeichnungen einschließlich meiner persöönlichen Notizen. Und sie können jederzeit Kopien davon erhalten.

Das therapeutische Vertrauensverhältnis und die Beziehungsgestaltung sind außerordentlich positiv, die Compliance weit überdurchschnittlich hoch. Dies ist dokumentiert durch die Klientenbefragung, die nach jeder Stunde im Stundenbogen erfasst und statistisch ausgewertet auf meiner Website veröffentlicht ist.

Was wäre demgegenüber der Vorteil eines Online-Zugangs? KEINER
Aber das Risisko eines Hacks wäre sehr hoch!

Können Sie sich nur im Entferntesten vorstellen, was einem Menschen geschieht, wenn Hacker dessen Intimleben auf entsprechenden Hassportalen veröffentlichen?
Die Behauptung, es sei alles mehrfach abgesichert, ist lächerlich, wenn man die Enthüllungen von Edward Snowden berücksichtigt und wenn man die jüngsten Ereignisse betr. Verschlüsselungstrojaner sieht:
Eine Klinik im Saarland war betroffen, eine Außenstelle eines Fraunhofer-Instituts, die IT eineer kleinen Stadt und ein riesiges Klinikum in den USA. (und das sind nur die bekannt gewordenen Fälle!)

Wenn ein Verschlüsselungstrojaner eindringen kann, können auch Daten entwendet werden. Die eGK und die hier im Artiekl angepriesenen IT-Lösungen sind in Wahrheit die Büchse der Pandora.
Und die eigentlichen Nutznießer von eGK & Co ist die IT-Branche und die neu zu schaffende Verwaltung - aber niemals der Patient / Klient.

Clemens M. Hürten
Heilpraktiker der Psychotherapie in Rottweil + Tübingen

Dr. Richard Barabasch 27.04.201610:10 Uhr

?? Bundesdeutscher Alltagsrealität gewachsen ???

Krankenkassenpflichtversicherte betreuende bundesdeutsche Vertragsärzt-Innen geben ihre "Notizen" (was ist denn das ???) per freien Zugang (auf welche Weise denn ??) an ihre krankenkassenpflichtversicherte Patienten weiter "zur Einsichtnahme" und deren besserer Kooperation (mit wem denn ??). Mit was für 600 Probanden welcher sozialen Schicht und welchem Beruf und welchem Potential an Hardware, Sofware, Virenschutz, Intelligenz, Motivation und Absicht wurde denn dieser "Versuch" durchgeführt ?? UND : können solche schiergar visionären "Ergebnisse" (??) auf bundesdeutsche Verhältnisse im real-existierenden kassenärztlichen Vertragsarzt-Alltag heruntergebrochen werden ?? Oder ist da nicht eher ein Bruch in der Gedankenwelt des Professors zu konstatieren ? der weitab von Deutschland einer / SEINER Vision nachhing
frägt R.B.

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