Forschungsprojekt

Mitarbeiter in Arztpraxen besonders gestresst

Stress am Arbeitsplatz ist Studien zufolge eine hohe Belastung für Beschäftigte, besonders in Arztpraxen.

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Viele Patienten, kaum Zeit: Ärte geben an, besonders gestresst zu sein.

Viele Patienten, kaum Zeit: Ärte geben an, besonders gestresst zu sein.

© Tero Vesalainen / Getty Images / iStock

TÜBINGEN. Mitarbeiter in Arztpraxen empfinden häufiger hohen Stress als die Allgemeinbevölkerung. Das geht aus einer aktuellen Umfrage der Universitätsklinika Tübingen und Bonn hervor, die im Rahmen einer Vorstudie eines Projekt Gesundheit in der Arbeitswelt durchgeführt wurde.

Die Ursachen für die hohe Stressbelastung in Arztpraxen könnten demnach unter anderem in der zunehmenden Anzahl mehrfach erkrankter Menschen, im Fachkräftemangel, der Ökonomisierung des Gesundheitswesens sowie wachsenden administrativen Aufgaben liegen. Vor allem kleine Teams in Arztpraxen könnten auf diese Herausforderungen nur begrenzt reagieren, heißt es in einer Mitteilung des Universitätsklinikums.

Hier setzt ein vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit zwei Millionen Euro geförderter Forschungsverbund, IMPROVE-job, an. Sein Ziel ist, die Arbeitszufriedenheit in Arztpraxen perspektivisch zu verbessern. Dazu soll in mehreren Teilprojekten ein Ansatz zur Prävention psychischer Belastungen am Arbeitsplatz entwickelt werden.

Das Gemeinschaftsprojekt wird geleitet von Prof. Monika A. Rieger, Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Tübingen, und Prof. Birgitta Weltermann, Direktorin des Instituts für Hausarztmedizin am Universitätsklinikum Bonn.

Übertragbarer Ansatz

Der Ansatz soll auch auf kleinere und mittlere Unternehmen übertragbar sein. Hierzu werden in der Studie insgesamt 56 Arztpraxen beteiligt, wobei die primäre Zielgruppe Hausärzte und MFA sind. „In der Studie können sich Hausarztpraxen-Teams gemeinsam Gedanken machen, um den Praxisalltag in Bezug auf die Stressbelastung zu verbessern“, erklärt Professor Monika A. Rieger, die das Projekt mitverantwortet.

Auch in der Allgemeinbevölkerung ist die Stressbelastung am Arbeitsplatz offenbar hoch. Das deutet eine weitere aktuelle Studie an, die am Mittwoch veröffentlicht worden ist. Die für die arbeitende Bevölkerung repräsentative Umfrage wurde durchgeführt vom Umfrageinstitut YouGov im Auftrag der Versicherung Swiss Life. Demnach fühlen sich fast zwei Drittel der arbeitenden Bevölkerung in ihrem Job gestresst.

Was sind die Gründe?

Hauptgründe sind demnach Zeitdruck und eine unerfreuliche Atmosphäre am Arbeitsplatz. Diese beiden Faktoren nannten 46 beziehungsweise 45 Prozent der mehr als 2000 Befragten. Leistungsdruck und die Aufgabenfülle sind dagegen für weniger als ein Drittel die Hauptgründe für Stress.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund nannte die Ergebnisse der Umfrage „besorgniserregend“. „Wir brauchen eine umfassende und vor allem verbindliche Anti-Stress-Politik auf nationaler und europäischer Ebene“, forderte Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.

Die Belastung am Arbeitsplatz geht häufig einher mit Erkrankungen. Das ist für Versicherungen bedeutsam. Krankschreibungen und Arbeitsunfähigkeit wegen seelischer Ursachen hätten in den vergangenen Jahren stark zugenommen. „Psychische Erkrankungen sind mittlerweile Hauptursache für ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben“, sagte Jörg Arnold, Deutschland-Chef der Swiss Life. (mu/dpa)

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Kommentare
Klaus-Dieter Thill 25.07.201916:05 Uhr

Stressbelastung in Arztpraxen und die Ursachen - Die andere Seite der Medaille

Die Ursachenforschung der Studie folgt den Angaben, die auch seitens vieler Praxisteams genannt werden und die Stress als Folge ungünstiger äußerer Einflüsse sehen. Unternehmens-Analysen in Arztpraxen zeigen jedoch, dass die Teams im Durchschnitt nur knapp die Hälfte der Regelungen, Instrumente und Verhaltensweisen einsetzen, die für einen reibungslos funktionierenden Praxisbetrieb notwendig sind. Damit liegt die Stress-Ursache primär im Inneren der Betriebe und Ärzte sowie Mitarbeiterinnen setzen sich durch eine mehr oder weniger ausgeprägte Praxismanagement-Insuffizienz selbst unter Druck. Äußere Faktoren können dabei weitgehend außer Acht gelassen werden, denn der Vergleich mit Haus- und Facharztpraxen, die systematisch nach dem Best Practice-Prinzip arbeiten, erbringt, dass diese hiervon nicht beeinflusst werden, obwohl die Rahmenbedingungen für alle gleich sind.

Der Bericht verweist auch darauf, dass vor allem kleine Teams in Arztpraxen auf die äußeren Einflüsse nur begrenzt reagieren können. Betrachtet man die unternehmerisch-strukturelle Seite der Praxisarbeit, wird deutlich, dass in vielen Fällen ein falscher Personalschlüssel die Ursache ist. Praxisinhaber versuchen, die Kosten ihrer Betriebe so gering wie möglich zu halten. Hierfür bleibt ihnen als substanzielle Größe nur der Personalstamm, der dann in seiner Minimalform für die Arbeitsanforderungen, denen die Praxen unterliegen, nicht ausreicht.

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