Unisextarife

Nicht für jedes Sparschwein gut

Der Countdown läuft: Ab 21. Dezember müssen Versicherer bei Neugeschäften auf Unisextarife umstellen. Gerade bei Renten- und Lebensversicherungen birgt das für Kunden aber nicht nur Chancen.

Von Friederike Krieger Veröffentlicht:
Vorsorgen fürs Alter? Die Rentenversicherungspolicen sollten für Frauen künftig günstiger werden.

Vorsorgen fürs Alter? Die Rentenversicherungspolicen sollten für Frauen künftig günstiger werden.

© Jeanette Dietl / fotolia.com

KÖLN. Die Kosten für die Geschlechtsumwandlung hatte die Krankenversicherung HUK-Coburg bezahlt. Danach wollte die Gesellschaft von ihrem ehemaligen Kunden, der zur Kundin geworden war, höhere Prämien.

Der Grund: Jetzt sei der Kunde eine Frau und müsse deshalb in einen - teureren - Frauentarif. So geht's nicht, entschied der Bundesgerichtshof im Sommer.

Weil die Kundin genetisch ein Mann geblieben ist und durch die Geschlechtsumwandlung keine längere Lebenserwartung hat, durfte der Versicherer die Beiträge nicht anheben", so der Fachanwalt für Versicherungsrecht Arno Schubach.

Die neuen Tarife

Ein Urteil des EuGH aus dem März 2011 hat die Unisex-Tarife ins Rollen gebracht. Die Richter haben damit eine Ausnahmeregelung von der Gleichstellungsrichtlinie, die bis dato oft von den Versicherern praktiziert wurde, verboten.

Bei Neuverträgen dürfen die Versicherer ab 21.12.2012 keine Tarifunterschiede mehr zwischen Männern und Frauen machen.

Die Auswirkung: Bei Rentenpolicen werden die Prämien tendenziell eher Richtung des teureren Geschlechts marschieren.

Solche Diskussionen wird es in Zukunft nicht mehr geben. Denn ab dem 21. Dezember 2012 dürfen die Versicherer keine Verträge mehr verkaufen, bei denen Männer und Frauen allein aufgrund des Geschlechts unterschiedlich behandelt werden. Heute zahlen Ärzte und Ärztinnen in vielen Sparten unterschiedlich hohe Prämien.

Die Versicherer begründen das mit der statistisch gesehen höheren Lebenserwartung von Frauen. Kundinnen bekommen bei einer privaten Rentenversicherung bei gleicher Monatszahlung später eine geringere Monatsrente als Männer.

Weil sie länger leben, erhalten sie unterm Strich die gleiche Summe wie Männer, argumentieren die Manager.

Altverträge sind meist nicht betroffen

Freiwillig schaltet die Branche nicht auf die geschlechtsneutralen Tarife um. Die Änderung erzwingt der Europäische Gerichtshof.

Die Richter haben im März 2011 eine Ausnahmeregelung von der Gleichstellungsrichtlinie verboten, die Versicherern unterschiedliche Tarife für Männer und Frauen erlaubt hatte.

Sie sahen darin einen Verstoß gegen den Gedanken der Gleichstellung. Unisex-Tarife werden aber nur für neue Policen und bei einschneidenden Vertragsänderungen obligatorisch.

In der privaten Rentenversicherung müssten die Prämien für Frauen nun eigentlich deutlich günstiger werden. Die meisten Versicherer werden die neuen Preise aber nicht einfach in der Mitte zwischen beiden Geschlechtern festlegen.

Denn im Bestand der Versicherer befinden sich in den seltensten Fällen genauso viele Männer wie Frauen. Zudem ist unklar, wie sich der Geschlechtermix in Zukunft entwickeln wird. Deshalb berechnen die Anbieter Sicherheitszuschläge.

"Die Prämien werden daher in Richtung des teureren Geschlechts tendieren", sagt Andreas Schulze, Abteilungsleiter im Maklervertrieb Zentralbereich beim Versicherer Allianz.

Ein Aufpreis von 55 Prozent?

Noch gibt es nur wenige Unisex-Angebote. Im Markt kursieren unterschiedliche Schätzungen, wie stark sich die verschiedenen Policen für das jeweilige Geschlecht verteuern werden.

Stiftung Warentest schätzt anhand einer Stichprobe unter elf Versicherern, dass Männer in der privaten Rentenversicherung zwischen zwei und zehn Prozent mehr zahlen müssen, während Frauen bis zu vier Prozent sparen.

Für sie werden demnach Kapitallebensversicherungen zwischen 0,2 und sechs Prozent teurer, Männer sparen hier bis zu drei Prozent. Größer sind die Beitragsunterschiede bei Risikolebenspolicen.

Weibliche Kunden müssen hier zwischen 16 und 55 Prozent mehr zahlen, während Männer bis zu 22 Prozent sparen können. Bislang ist die Risikolebensversicherung für Ärztinnen günstiger als für Ärzte, weil die Sterbewahrscheinlichkeit für jüngere Frauen geringer ist.

Die Versicherer werben aggressiv mit der Unisex-Einführung. Sie sprechen gezielt das Geschlecht an, das demnächst mehr für die Policen bezahlen muss. Verbraucherschützer warnen vor solchen Schnellschüssen.

"Es macht für Frauen keinen Sinn, nur wegen der Unisex-Tarife jetzt eine Risikolebensversicherung abzuschließen", sagt Elke Weidenbach von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

Auch Männer sollten dem Werben nicht nachgeben und auf die Schnelle noch eine Rentenversicherung abschließen, sagt Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender des Bunds der Versicherten. "Die Umstellung auf Unisex sollte nicht das entscheidende Argument für den Abschluss einer Police sein", sagt auch er.

Wenn Ärzte sich zum Kauf einer Renten-Police entscheiden, sollten sie darauf achten, dass sie unisex-sicher ist. Der Vertrag muss so gestrickt sein, dass er nicht bei nachträglichen Änderungen ganz oder teilweise auf die geschlechtsneutrale Kalkulation umgestellt wird.

Dieser Fallstrick kann insbesondere Ärzten zum Verhängnis werden, die eine staatlich geförderte Rürup-Rente mit niedrigem Beitrag abgeschlossen haben und später größere Summen nachschießen wollen.

Vorsicht bei ruhenden Verträgen

"Wenn die Zuzahlungen wesentlich größer als die regulären Beiträge sind, kommt der Vorteil durch den rechtzeitigen Abschluss nur noch in abgeschwächter Form zum Tragen", sagt Michael Franke, Geschäftsführer beim Analysehaus Franke und Bornberg.

Denn die neuen Beitragsanteile würden bei fehlender Unisex-Sicherheit gemäß den Unisex-Grundlagen versichert. Wer seinen Vertrag nach einer Beitragsfreistellung wieder in Kraft setzen will oder den Rentenbeginn vorziehen oder hinausschieben will, dem droht sogar die komplette Vertragsumstellung auf Unisex.

"Keine Gefahr besteht, wenn der Anbieter angibt, bei Änderungen die bei Vertragsabschluss gültigen Rechnungsgrundlagen anzuwenden", sagt Franke.

Ob das der Fall ist, sollten Kunden vor Abschluss beim Versicherer erfragen.

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