Antrag auf Urlaubssemester

Nur wer richtig krank ist, darf pausieren

Das Verwaltungsgericht Göttingen weist eine Medizinstudentin in die Schranken, die krankheitsbedingt ein Urlaubssemester beantragte, währenddessen aber auch als Krankenschwester arbeitete.

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Göttingen. Wer während des Studiums einer Arbeit nachgeht, kann nicht zu krank zum Studieren sein. Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht Göttingen die Klage einer Göttinger Medizinstudentin abgewiesen. Die Studentin hatte dagegen geklagt, dass die Universitätsmedizin Göttingen ihren Antrag auf Beurlaubung für das bereits angefangene Sommersemester abgelehnt hatte.

Die Klägerin hatte ihren Antrag damit begründet, dass sie aufgrund einer akuten Erkrankung studierunfähig sei. Das Gericht verwies darauf, dass es für eine Beurlaubung einen wichtigen Grund geben müsse. Dieser liege indes nicht vor. Die Klägerin habe während des Semesters als Krankenschwester im Notfallzentrum einer Klinik gearbeitet. Es sei nicht nachvollziehbar, warum sie studierunfähig, gleichzeitig aber weiterhin arbeitsfähig sei.

Die Klägerin, eine examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin, hatte Mitte April 2018 die Zulassung für einen Teilstudienplatz für den vorklinischen Abschnitt im Studiengang Humanmedizin an der Universität Göttingen erhalten. Vier Tage später begannen die Lehrveranstaltungen. Zu Beginn ihres ersten Semesters nahm sie an einem Biologiepraktikum teil. Rund zwei Wochen später meldete sie sich von den Lehrveranstaltungen für das Sommersemester ab. Zur Begründung bezog sie sich auf das Attest eines Internisten, der ihr bescheinigte, wegen einer akuten Erkrankung für das Sommersemester studierunfähig zu sein.

Sechs Wochen nach Semesterbeginn beantragte die Medizinstudentin dann ihre Beurlaubung. Die Universitätsmedizin lehnte diesen Antrag ab. Daraufhin zog die Studentin vor Gericht. Sie begründete ihre Klage damit, dass sie vollzeitbeschäftigt und im Krankenhaus in einen bereits seit Monaten festgelegten Schichtdienst eingebunden sei. Die kurzfristige Zulassung zum Studium habe sie vor erhebliche Anforderungen gestellt und sowohl physisch als auch psychisch stark belastet. Nach ihrer Teilnahme am Biologiepraktikum sei sie schwer erkrankt und nicht mehr in der Lage gewesen, das Studium im Sommersemester fortzusetzen. Ihrer beruflichen Tätigkeit habe sie dagegen durch entsprechende Planung und Umgestaltungen weiterhin nachgehen können. Dies habe aufgrund der routinierten Strukturen zur Stabilisierung und Sicherheit beigetragen, so dass sie nunmehr wieder gesund sei.

Die Universitätsmedizin machte dagegen geltend, dass die Klägerin mit Antritt des Praktikums eine Studienleistung erbracht habe mit der Folge, dass der Platz nicht anderweitig habe vergeben werden können. Die Klägerin habe zudem keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Es sei zu vermuten, dass sie die Beurlaubung als Ausweg sehe, um die Zulassung zum Medizinstudium und ihre berufliche Tätigkeit in Einklang zu bringen.

Das Gericht verwies darauf, dass Medizinstudienplätze heiß begehrt sind. Mit der Bereitstellung eines kapazitätsbeschränkten Studienplatzes sei die Erwartung verbunden, dass das Studium zielstrebig und zielgerecht absolviert werde. Eine Beurlaubung könne grundsätzlich nur ausnahmsweise erfolgen, wenn dafür ein wichtiger Grund vorliege. Eine berufliche Tätigkeit sei allerdings kein wichtiger Grund. Die Klägerin hätte aufgrund ihrer Bewerbung jederzeit damit rechnen müssen, zum Studium zugelassen zu werden. Es sei bekannt, dass eine Zulassung im Nachrückverfahren auch kurz vor Beginn der Lehrveranstaltungen erfolgen könne. Darauf hätte sie sich entsprechend einstellen müssen.

Die Studentin habe auch nicht nachgewiesen, dass sie krankheitsbedingt studierunfähig gewesen sei. Zwar könnten die attestierten Angst-, Panik-, Schlaf- und Konzentrationsstörungen grundsätzlich zu einer Studierunfähigkeit führen. Diese Atteste seien indes nicht nachvollziehbar, da die Klägerin während des Semesters, für das die Beurlaubung beantragt wurde, einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Ihre Arbeit im Notfallzentrum eines Krankenhauses beschränke sich keineswegs auf Routinearbeiten, sondern erfordere ein hohes Maß an Flexibilität, Belastbarkeit und Entscheidungsfähigkeit. Mit Angst-, Panik- und Konzentrationsstörungen sei dies kaum vereinbar. Den Attesten sei nicht zu entnehmen, warum ihr diese Tätigkeit dennoch möglich beziehungsweise aus therapeutischen Gründen erforderlich gewesen sei. (pid)

Verwaltungsgericht Göttingen, Az.: 4 A 345/18

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