Arztbewertung

Patienten meckern nur selten im Netz

Arztbewertung im Internet: Nur eine Meckerecke für Patienten? Viele Kollegen fürchten genau das. Eine neue Studie zeigt jetzt aber das Gegenteil.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:
Bewertungsportale im Netz: Viel Lob für Ärzte.

Bewertungsportale im Netz: Viel Lob für Ärzte.

© Andreas Gebert / dpa

LONDON. Auf der Website "NHS Choices" der britischen Gesundheitsbehörde (National Health Service) können Patienten Lob oder Kritik im Zusammenhang mit einer ärztlichen Behandlung loswerden.

Wer dieses Angebot nutzt und warum, wollten Forscher um Matteo Maria Galizzi von der London School of Economics herausfinden. Dazu hatten sie 200 zufällig ausgewählte Bürger aus den Londoner Stadtteilen Hammersmith und Fulham befragt (BMJ Open 2012; 2: e001493).

Der Bildungsgrad ist hier überdurchschnittlich hoch: Fast die Hälfte der Teilnehmer verfügte über einen Universitätsabschluss. Dennoch war die NHS-Homepage nur 15 Prozent der Befragten bekannt.

Die Gesundheitsökonomen erweiterten daher ihren Pool, indem sie Personen einbezogen, die sich nach entsprechender Aufklärung bereit zeigten, NHS Choices zu nutzen.

Willig, einen Kommentar abzugeben oder das Informationsangebot der Seite zu nutzen, waren überraschenderweise gerade diejenigen, die Positives berichten konnten: Ihr Arzt habe sich für sie Zeit genommen, er könne ihnen gut zuhören.

Auch wer sich einen Arzt des eigenen Geschlechts und aus der eigenen Altersgruppe gesucht hatte, würde nach eigenen Angaben häufiger einen Kommentar posten. Bei gleichgeschlechtlichen "Paarungen" sei das Arzt-Patienten-Verhältnis oft besonders gut, so die Forscher.

Der Grad der Übereinstimmung zwischen beiden sei "ein Indikator dafür, ob der Patient das Internet zu medizinischen Zwecken nutzt". Die Online-Kommentare drücken zudem sowohl Autonomie als auch medizinisches Interesse aus, fanden die Autoren.

Es gebe keinerlei Hinweis dafür, dass Bewertungen im Netz das Verhältnis zwischen Arzt und Patienten trüben könnten. "In unserer Studie war die Absicht, NHS Choices zu nutzen, keineswegs das Ergebnis einer unbefriedigenden Konsultation", schreiben Galizzi und Kollegen.

Positive Bilanz auch in Deutschland

Es gehe nicht darum, zu meckern oder Dampf abzulassen. Das Internet werde vielmehr als ergänzende Informationsquelle gesehen. Dabei neigten vor allem wenig begüterte Patienten mit Migrationshintergrund dazu, die Seite zum Zweck der Arztwahl aufzurufen.

Die Autoren erklären dies so: Wer finanziell besser gestellt sei, könne eher auf Empfehlungen von Bekannten oder auf das Netzwerk der (privaten) Krankenversicherung zurückgreifen.

In Deutschland existiert bislang kein mit NHS Choices vergleichbares Portal. Die Qualität der Arztbewertungs-Websites ist hierzulande sehr heterogen. Ende 2009 hat das Ärztliche Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) erstmals Qualitätsstandards vorgelegt; deren Umsetzung haben Experten 2010 und noch einmal 2012 geprüft.

Wie das ÄZQ dieses Jahr mitteilte, habe es in dieser Zeit eine deutliche Verbesserung gegeben. So erfüllten die aktuell geprüften zwölf Portale jetzt mehr Kriterien des Anforderungskatalogs "Gute Praxis Bewertungsportale" (www.arztbewertungsportale.de).

Eine positive Bilanz zu Resonanz, Qualität und Seriosität der Inhalte, haben auch die Anbieter der "Weissen Liste" gezogen (www.weisse-liste.de).

Vor allem haben sich Befürchtungen, die Ärzte würden durch ein solches Bewertungsportal "an den Pranger gestellt", als haltlos erwiesen.

Nach einem Bericht beinhaltete das Portal im März 2012 etwa 150.000 Bewertungen zu 40.000 Haus- und Fachärzten (Dtsch Ärztebl 2012; 109(9): 1). Allerdings konnten bislang erst Informationen zu etwa 3500 Ärzten veröffentlicht werden.

Es gilt die Selbstauflage, dass Bewertungen erst dann online gehen, wenn für einen Arzt mindestens zehn Beurteilungen vorliegen. Die "Weisse Liste" ist ein Projekt der Bertelsmann-Stiftung und der Dachverbände der größten Patienten- und Verbraucherorganisationen in Kooperation mit der AOK, der Barmer-GEK und Techniker-Krankenkasse.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Kein Online-Pranger!

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