Hintergrund

Praxis-QM: Großpraxen machen es den Kleinen vor

Ein QM-System mit Zertifikat: das ist für 60 Prozent der Großpraxen eine Selbstverständlichkeit - obwohl es zusätzliche Kosten bedeutet. Denn die Praxen nutzen die Zertifizierung als Management- und Marketing- Instrument - auch gegenüber dem eigenen Team.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:

Qualitätsmanagement (QM) hat sich zu einer festen Größe in den Praxen gemausert. Das gilt besonders für Großpraxen, Medizinische Versorgungszentren (MVZ) und ambulant versorgende Kliniken.

Denn immerhin 60 Prozent dieser ambulant tätigen Einrichtungen halten bereits ein QM-Zertifikat in den Händen oder haben sich gar rezertifizieren lassen.

Und das, obwohl es im ambulanten Bereich nach wie vor keine Pflicht zur Zertifizierung gibt.

Zusammengetragen haben diese Informationen der TÜV Süd und die Stiftung Gesundheit. Dabei ist das spannende an der Gemeinschaftsstudie mit dem Titel "Qualitätsmanagement in ärztlichen Großpraxen und medizinischen Einrichtungen 2011", dass insgesamt 95 Prozent der befragten Ärzte ihr QM bereits implementiert haben (wir berichteten kurz).

Nur fünf Prozent befinden sich noch im Prozess der Umsetzung. Das heißt, die Studie konnte keinen einzigen QM-Verweigerer ausmachen.

QM ist keine Makulatur für Ärzte

Ergebnisse, die auch noch einmal die Aussagekraft der QM-Statistik der KBV stärken, die erst vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde.

Hier hieß es nämlich, dass gerade einmal 0,7 Prozent der Ärzte, die 2010 in die Stichprobenprüfung der KVen kamen, noch gar nicht mit QM begonnen hatten.

Nahezu jeder zweite Arzt in der KBV-Statistik befand sich 2010 bereits in der Phase der Weiterentwicklung seines QM.

Rückendeckung für die KBV-Statistik bedeutet dies deshalb, weil die Kassenärztlichen Vereinigungen in ihren Stichproben lediglich Fragebögen an die Praxen senden, aber keine Prüfer zu den Ärzten schicken.

Haben 60 Prozent der Großpraxen aber ein Zertifikat in der Hand, dann ist eindeutig belegt, dass QM in den Praxen eben nicht Makulatur ist, sondern funktioniert.

Fast die Hälfte erachtet die Zertifizierung als wichtig

Dabei mag die Tatsache, dass von den 6000 per Zufallsstichprobe ausgewählten und angeschriebenen Praxisinhabern für die Gemeinschaftsstudie von TÜV Süd und Stiftung Gesundheit nur 191 aussagekräftige Antworten lieferten, die Aussagefähigkeit der Studie etwas einschränken.

Die Studie macht aber dennoch Trends im ambulanten Sektor deutlich. Denn auf die Frage, warum sich die Praxen freiwillig für eine Zertifizierung entschieden haben, antworteten rund 40 Prozent, dass nur so ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess gewährleistet werden könne.

Rund ein Drittel will mit der Zertifizierung aber auch vorbeugen - die Ärzte glauben, dass die Zertifizierung wohl bald gesetzlich vorgeschrieben wird.

Interessant ist auch, dass jeweils rund ein Drittel die Zertifizierung als wichtig für die Wirkung des QM auf die Mitarbeiter (35,4 Prozent) und auf die Patienten (32,3 Prozent) erachten, wobei Mehrfachnennungen möglich waren.

Zertifikat wichtig für Zuweiser

Es gibt - so die Meinung der Studienautoren - aber noch einen anderen Grund für die hohe Bereitschaft, sich den Prüfern zu stellen.

Vergleiche man die Daten mit denen aus der QM-Studie, die die Stiftung Gesundheit jährlich für den gesamten ambulanten Sektor erhebt, zeige sich, dass bei allen ambulanten Praxen im Jahr 2010 nicht einmal ein Fünftel zertifiziert waren.

Die Studienautoren erklären das damit, dass in dieser Erhebung auch die Einzelpraxen und kleineren Kooperationen enthalten sind. Die neue Studie umfasst Praxen mit mindestens vier Ärzten.

Für die größeren Praxen sei das Zertifikat aus zwei Gründen wichtiger: zum einen als Marketinginstrument, denn sie müssten gegenüber Zuweisern und anderen Partnern ihre Kompetenz eindeutig präsentieren können.

Und zum anderen, weil die Zertifizierung dafür sorge, dass die Strukturierung und Formalisierung von Praxisprozessen auch tatsächlich funktioniere - bei der höheren Zahl von Personal und Patienten ein enorm wichtiger Faktor.

Dabei kostet eine Zertifizierung nach DIN ISO - übrigens mit 37,9 Prozent der Spitzenreiter bei den QM-Systemen in Großpraxen - je nach Praxisgröße meist zwischen 1200 und 2000 Euro, das QEP-Zertifikat 1200 bis 2000 Euro.

Qualitätsmanagement als Teamaufgabe

Ein anderer wichtiger Trend, den die Großpraxen-Studie zeigt: Die Mehrheit der Ärzte in Großpraxen, MVZ und ambulant versorgenden Kliniken sehen den QM-Prozess als Team-Aufgabe.

Rund zwei Drittel haben ihre Mitarbeiter kontinuierlich in den Implementierungsprozess einbezogen, nur ein gutes Fünftel hat seine Mitarbeiter allerdings vorab informiert.

Dabei haben 88 Prozent der Mitarbeiter in den Praxen, die geantwortet haben, gut bist ausreichend auf die Einführung des QM reagiert.

Als größten Nutzen des QM nennen die Umfrageteilnehmer, dass sich das Bewusstsein des Teams bezüglich der Arbeitsprozesse verbessert habe (67 Prozent).

Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb hat sich in 43 Prozent der Praxen das Diskussionsvolumen im Team erhöht. Über 41 Prozent sagen aber auch, dass sich Teambesprechungen nun effizienter gestalten.

Die Wartezeiten für die Patienten sind hingegen in fast 30 Prozent der Praxen, die sich an der Studie beteiligt haben, gleich geblieben. Eine Verschlechterung des Arbeitsklimas konnten nur 8,2 Prozent der Ärzte erkennen.

Mehr Unterstützung gewünscht

Drei Viertel bescheinigen dem QM einen positiven Effekt auf die Patientensicherheit. 23,5 Prozent nehmen hierbei einen sehr positiven Effekt - ebenfalls 23,5 Prozent allerdings nur einen sehr geringen Effekt - wahr.

Im Vergleich zu den Daten aus dem gesamten ambulanten Bereich wird deutlich, dass die Großpraxen, MVZ und ambulant versorgenden Kliniken den Sicherheits-Zuwachs für die Patienten insgesamt trotzdem positiver einschätzen als der gesamte ambulante Bereich.

Bei letzterem gingen in der Studie 2010 nämlich nur 46 Prozent von einem positiven Effekt auf die Patientensicherheit aus.

Trotz der Aufgeschlossenheit gegenüber dem QM gibt es aber auch ein paar Punkte, die die Großpraxen an den QM-Systemen und ihren Anbietern bemängeln: So hätten sich fast 60 Prozent verlässlichere Infos zum tatsächlichen Zeitaufwand des QM-Prozesses gewünscht.

Und auch bei der Umsetzung fordern die befragten Ärzte mehr Unterstützung ein: 41,7 Prozent hätten sich über eine konkrete Hilfestellung zur Einbindung ihrer Mitarbeiter gefreut, ebenfalls rund 40 Prozent hätten zudem im Vorfeld Erfahrungsberichte anderer Ärzte in vergleichbarer Konstellation als hilfreich empfunden.

Und rund 30 Prozent fühlten sich nicht verlässlich genug über den finanziellen Aufwand informiert. Die Studienautoren vermuten hier und beim Thema Zeitaufwand sicherlich zu recht, dass Anbieter und Berater versuchten die Infos allgemeiner zu halten, um die wahrgenommenen Eintrittshürden möglichst gering zu halten.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Praxis-QM fördert den Wettbewerb

Mehr zum Thema

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie Hausärzte Fortbildung jetzt „feiern“

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Kommunikation und Datenschutz

Neue Perspektiven für IT in der Praxis

Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“