Geplatzter Prozess

Scheinimpfungen: Von angeklagtem Hausarzt fehlt jede Spur

Es sollte einer der größten deutschen Prozesse um manipulierte Corona-Impfungen werden: Doch der Angeklagte kam einfach nicht. Mittlerweile suchen die Ermittler ein halbes Jahr nach dem Hausarzt.

Veröffentlicht:
176 Scheinimpfungen soll der 74-jährige Angeklagte vorgenommen haben.

176 Scheinimpfungen soll der 74-jährige Angeklagte vorgenommen haben.

© benjaminnolte / stock.adobe.com

Augsburg. Rund ein halbes Jahr nach dem Untertauchen eines wegen zahlreicher falscher Impfungen angeklagten Hausarztes gibt es weiter keine Spur von dem Mann. Der Haftbefehl gegen den 74-Jährigen sei noch immer in Kraft, sagte ein Sprecher des Augsburger Landgerichtes. Weitere Erkenntnisse über den Aufenthaltsort des Mediziners gebe es aber nicht.

Im Juni sollte vor dem Landgericht ein großer Prozess wegen Hunderter mutmaßlich manipulierter Corona-Impfungen beginnen. Die Strafkammer hatte zwei Dutzend Verhandlungstage bis November geplant. Doch als die Vorsitzende Richterin die Verhandlung eröffnete, fehlte der Arzt auf der Anklagebank.

Der Mann hatte sich abgesetzt - auch sein Verteidiger hatte keine Erklärung für das Verschwinden. Die Kammer erließ umgehend einen Haftbefehl gegen den Mann, doch die Kripo konnte den Beschuldigten kurzfristig nirgends finden. Seitdem wird weiter nach dem Arzt gefahndet. Ob der geplatzte Prozess nachgeholt werden kann, ist insofern bislang völlig unklar.

Scheinimpfungen und Schonimpfungen

Der Mediziner soll in seiner Praxis im schwäbischen Wemding nördlich von Donauwörth im Jahr 2021 bei 176 Patienten Scheinimpfungen vorgenommen haben. Den Impfstoff soll der Mann entsorgt und den eigentlich Impfwilligen nur leere Spritzen ins Gesäß gestochen haben, zumeist ohne dass diese das bemerkten. Die Staatsanwaltschaft geht von 314 manipulierten Erst- und Zweitimpfungen aus.

Daneben soll der Allgemeinmediziner bei impfkritischen Bürgern als Anlaufstelle bekannt gewesen sein - für Bescheinigungen ohne echte Impfung. Er soll laut Anklage in mindestens 49 Fällen solche nicht vorgenommenen Impfungen bescheinigt haben. In der Szene soll dies als „Schonimpfung“ bekannt gewesen sein.

Strafverfahren auch gegen viele Patienten

Tatsächlich gab es nach den Ermittlungen eine noch größere Zahl von Patienten, die diese Scheinimpfung bewusst in Anspruch genommen haben. Denn parallel zu dem Verfahren gegen den Hausarzt liefen auch zahlreiche Strafermittlungen gegen Patienten. Diese mussten sich dann am Amtsgericht in Nördlingen verantworten.

Nach früheren Angaben des dortigen Gerichts wurden schon vor dem Hauptverfahren am Landgericht Augsburg rund 80 Verfahren mit etwa 100 Angeklagten verhandelt. Im Regelfall endeten die Verhandlungen mit Geldstrafen für die Patienten. Es habe nur wenige Freisprüche gegeben, erklärte eine Gerichtssprecherin.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe war gegen den Hausarzt ein vorläufiges Berufsverbot erlassen worden. In dem vielleicht doch noch stattfindenden Prozess am Landgericht soll auch geprüft werden, ob das Berufsverbot dauerhaft angeordnet wird. Der 74-Jährige ist wegen vorsätzlicher Körperverletzung, Betrugs und wissentlich unrichtiger Dokumentation von Schutzimpfungen gegen das Coronavirus angeklagt. (dpa)

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Berufsrecht

Kollegen als Patienten? Was das fürs Honorar bedeutet

Das könnte Sie auch interessieren
Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

© DG FotoStock / shutterstock

Update

Neue Podcast-Folgen

Grippeschutz in der Praxis – Jetzt reinhören!

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Herz mit aufgemalter Spritze neben Arm

© Ratana21 / shutterstock

Studie im Fokus

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Prävention durch Influenzaimpfung?

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Junge Frau spricht mit einer Freundin im Bus

© skynesher | E+ | Geytty Images

Update

Impflücken bei Chronikern

Chronisch krank? Grippeimpfung kann Leben retten

Anzeige | Viatris-Gruppe Deutschland
Pneumokokken-Kinderimpfquote steigern!

© William - stock.adobe.com

Anstieg angehen:

Pneumokokken-Kinderimpfquote steigern!

Anzeige | MSD Sharp & Dohme GmbH
Familie_Strandperle_19966847.jpg; 19966847, Familie; MKC; Lizenzfrei; Strandperle; Bildnummer 19966847; Rechnungsnummer R6745624033; Lizenznehmer: MSD Sharp & Dohme GmbH, München

© Shutterstock / MKC

Impfungen

Impfstoffe – Krankheiten vorbeugen, bevor sie entstehen

Anzeige | MSD Sharp & Dohme GmbH
HPV-Impfung für Erwachsene

© syedfahadghazanfar / shutterstock

Eine Rechnung, die aufgeht!

HPV-Impfung für Erwachsene

Anzeige | MSD Sharp & Dohme GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Abb. 1: Zeitaufwand pro Verabreichung von Natalizumab s.c. bzw. i.v.

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [9]

Familienplanung und Impfen bei Multipler Sklerose

Sondersituationen in der MS-Therapie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Biogen GmbH, München
Impfungen – ob Influenza oder Reisezeit

© Springer Medizin Verlag GmbH

Impfungen – ob Influenza oder Reisezeit

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Sanofi-Aventis Deutschland GmbH, Frankfurt a. M.
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

„ÄrzteTag“-Podcast

Wie organisieren Sie die HPV-Impfung, Dr. Hösemann?

Cochrane-Review

Gestagene können Endometriose-Beschwerden offenbar verringern

Lesetipps
Ein Vorteil bei ärztlichen Patientinnen und Patienten: Die Kommunikation läuft direkter. (Motiv mit Fotomodellen)

© contrastwerkstatt / stock.adobe.com

Berufsrecht

Kollegen als Patienten? Was das fürs Honorar bedeutet