Schweinegrippe: Viele Ärzte stehen zwischen Verunsicherung und Impfskepsis

Die Haltung vieler Ärzte zur Schweinegrippe-Impfung scheint von den - bislang - milden Krankheitsverläufen geprägt zu sein. Aktiv empfohlen wird die Impfung kaum, sich selbst zu schützen, sehen Ärzte wenig Grund.

Hauke GerlofVon Hauke Gerlof Veröffentlicht:

Medizin wird nicht nur bestimmt durch wissenschaftliche Erkenntnisse. Sie beruht ebenso auf der eigenen Erfahrung, die ein Arzt bei der Behandlung von Patienten macht. Das zeigt auch der Umgang mit dem Thema Schweinegrippe-Impfung durch Ärzte.

Bei einer - nicht repräsentativen - Befragung von Lesern hat die "Ärzte Zeitung" ein Stimmungsbild vom Verlauf der Impfung in den Praxen und von der Haltung von Niedergelassenen zur Impfung eingefangen. Gefragt wurden die Ärzte unter anderem danach, ob sie sich selbst impfen lassen würden und wie sie auf ihre Patienten zugehen.

Das Ergebnis: Die Skepsis scheint bei vielen Kollegen zu überwiegen. Die Neigung, sich selbst impfen zu lassen, ist nicht stark ausgeprägt. Und die Impfung wird offenbar auch nicht sehr offensiv den Patienten angeboten. Aber Patienten, die sich impfen lassen wollen, raten die Ärztinnen und Ärzte in den Praxen mehrheitlich offenbar auch nicht ab.

Der milde Verlauf bisher lässt viele Ärzte zögern

Wie stark die Erfahrung, die Ärztinnen und Ärzte mit H1N1 gemacht haben, in die Bewertung der Lage einfließt, zeigt sich bei vielen Antworten: "Wir hatten schon fünf positiv getestete junge Patienten in unserer Praxis. Aber eine Therapie war nicht nötig, weil der Krankheitsverlauf sehr milde war", schreibt die Allgemeinärztin Dr. Adelheid Paulwitz aus Neu-Isenburg. Sie wolle sich daher vorerst nicht impfen lassen. "Meinen Mitarbeitern stelle ich es frei, sich impfen zu lassen. Ich gebe auch keine Empfehlung, da zu diesem Thema alle eine eigene Meinung haben", so Paulwitz weiter. Auch ihren Patienten empfehle sie die Impfung nicht. "Bei ausdrücklichem Wunsch rate ich aber auch nicht ab - die Nachfrage ist aber gering", beschreibt sie ihre Vorgehensweise.

Auch Dr. Heinz Oehl-Voss aus Waldbronn bei Ettlingen will sich nicht impfen lassen. Er verstehe wohl, warum die Verantwortlichen so gehandelt haben, wie sie gehandelt haben. "Hätte man vor einem halben Jahr nicht reagiert und der Verlauf wäre kritischer geworden, hätte es sicher schwere Vorwürfe gegeben.

Sich aber zu einem Milliarden-schweren Projekt zu bekennen - das fällt halt schwer", schreibt der Allgemeinmediziner. Die bisherige Lage sei durch einen meist günstigen Krankheitsverlauf charakterisiert gewesen. Oehl-Voss sieht für sich deshalb keinen Sinn darin, sich impfen zu lassen.

Welch tiefe Spuren der Verunsicherung die Debatte um die unterschiedlichen Impfstoffe "fürs Volk" und "für die Regierung" hinterlassen hat, zeigt die Antwort von Dr. Udo Fuchs aus Hamburg. Er werde erst über eine eigene H1N1-Impfung nachdenken, "wenn sich alle Mitglieder der Regierung mit dem ,fürs Volk‘ vorgesehenen Impfstoff impfen lassen".

Er habe sich gegen die saisonale Grippe sowie gegen Pneumokokken selbst geimpft und empfehle die Impfungen auch seinen Mitarbeiterinnen, so Fuchs weiter. Ähnlich gehe er auch bei seinen Patienten vor. Gegen H1N1 impfe er auf Nachfrage, bespreche aber beide Impfstoffe, die auf dem Markt sind.

Die Nachfrage der Patienten ist sehr gering

Er selbst wolle zunächst "abwarten, wie die Impfreaktionen ausfallen", so die Stellungnahme von Dr. Hans-Georg Müller aus Feuchtwangen. Wenn möglich, wolle er einen Impfstoff ohne Adjuvantien beziehen. Er kläre die Patienten über die Impfung auf, aber "die Nachfrage ist gleich null". In seiner ländlich geprägten Gemeinde habe es auch in den Vorjahren nur wenige echte Grippefälle gegeben. Zudem scheine von der aktuellen Form des Virus nur eine geringe Gefährdung auszugehen, so dass die Nutzen/Risiko Abwägung Zurückhaltung auferlege. Bei einer modifizierten, gefährlicheren Virusvariante sei es dagegen "fraglich, ob der Impfstoff noch hilft".

"Impfung ohne Hektik und Panik ist der richtige Weg"

Anderer Meinung ist Thomas Sitte vom Schmerz & Palliativzentrum in Fulda. Er wolle sich zwar nicht selbst impfen lassen, weil er "die Grippeimpfung leider (!) sehr schlecht" vertrage. Aber generell glaube er, "vorbeugen ist besser als bohren". Als überzeugter Impfgegner sollte man es lassen. "Aber mit dieser Klientel muss man nicht unbedingt diskutieren", schreibt Sitte. Eine "Impfung ohne Hektik und Panik" sei vermutlich der richtige Weg. Die Situation sei jetzt aber "so aufgeheizt, dass eine sachliche Auseinandersetzung kaum mehr möglich sein wird". Er sei gespannt, "in welche Richtung die "Ärzte Zeitung" dazu beitragen wird."

Sagen Sie uns Ihre Meinung!

Wie halten Sie es mit der Impfung gegen Schweinegrippe? Sind Sie mit den Abläufen zufrieden? Wie hoch ist die Nachfrage von Patienten? Wie aufwändig ist der Aufklärungsprozess für Sie? Wie organisieren Sie es, dass Sie angebrochene Impfstoff-Dosen innerhalb von 24 Stunden verbrauchen? Fühlen Sie sich von den Gesundheitsbehörden ausreichend unterstützt? Wir interessieren uns für Ihre Meinung zum Thema Schweinegrippe - und dafür, wie Sie die Impfung organisieren.

Und so erreichen Sie uns: per Fax: 0 61 02 / 50 61 78 per Post: Ärzte Zeitung Wirtschaftsressort Postfach: 200251 63077 Offenbach per Mail: wi@aerztezeitung.de

Wir werden alle Zuschriften aufnehmen und in unsere Berichterstattung einfließen lassen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Debatte um Schweinegrippe am Wendepunkt?

Lesen Sie dazu auch: Schweinegrippe dringt weiter vor in Europa

Weitere aktuelle Berichte, Bilder und Links zum Thema Schweinegrippe (Neue Grippe) finden Sie auf unserer Sonderseite

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Statistisches Bundesamt

Beschäftigte arbeiten 2026 2,4 Arbeitstage mehr

Das könnte Sie auch interessieren
Innovationsforum für privatärztliche Medizin

© Tag der privatmedizin

Tag der Privatmedizin 2025

Innovationsforum für privatärztliche Medizin

Kooperation | In Kooperation mit: Tag der Privatmedizin
Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer und Vizepräsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, hofft, dass das BMG mit der Prüfung des Kompromisses zur GOÄneu im Herbst durch ist (Archivbild).

© picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen

Novelle der Gebührenordnung für Ärzte

BÄK-Präsident Reinhardt: Die GOÄneu könnte 2027 kommen

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Maximale Vitamin-C-Blutspiegel nach oraler (blau) und parenteraler (orange) Tagesdosis-Gabe.

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Infusion

Parenterale Gabe erzielt hohe Plasmakonzentrationen an Vitamin C

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Abb. 1: FIB-4 1,3: numerische 26%ige Risikoreduktion der 3-Punkt-MACE durch Semaglutid 2,4mg

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [17]

Kardiovaskuläre, renale und hepatische Komorbiditäten

Therapie der Adipositas – mehr als Gewichtsabnahme

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz
SCD-PROTECT-Studie-- Frühe Phase nach Diagnose einer Herzinsuffizienz – deutlich höheres Risiko für den plötzlichen Herztod als in der chronischen Phase.

© Zoll CMS

SCD-Schutz in früher HF-Phase

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: ZOLL CMS GmbH, Köln
Abb. 2: Schneller Wirkeintritt von Naldemedin im Vergleich zu Placebo in den Studien COMPOSE-1 und COMPOSE-2

© Springer Medizin Verlag GmbH, modifiziert nach [15]

Opioidinduzierte Obstipation

Selektive Hemmung von Darm-Opioidrezeptoren mit PAMORA

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Viatris-Gruppe Deutschland (Mylan Germany GmbH), Bad Homburg v. d. Höhe
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

10 Fragen, 10 Antworten

Ausgeschlafen trotz Schichtdienst: Wie das klappen kann

Kopfschmerzen

Migräne: Welche Therapie bei älteren Patienten möglich ist

Lesetipps
Stethoskop auf Geldmünzen

© oppoh / stock.adobe.com / Generated by AI

EBM-Abrechnung 2026

Vorhaltepauschale 2.0: Bei 10 Kriterien ist für jeden was dabei

Großer Andrang am Quartalsanfang? Mit der Ersatzbescheinigung könnten sich vor allem Menschen mit chronischen Erkrankungen den Weg in die Praxis sparen.

© Picture-Factory / stock.adobe.com

Neues Verfahren mit Potenzial

Das bringt die elektronische Ersatzbescheinigung den Praxen