Fernbehandlung

Schweizer Profis wollen mitspielen

Der Formulierungsvorschlag der Bundesärztekammer zur berufsrechtlichen Freigabe der ausschließlichen Fernbehandlung "im Einzelfall" sorgt unter Anbietern von Online-Sprechstunden für Optimismus.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Schweizer Profis wollen mitspielen

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BERN/ERFURT/BERLIN. Nachdem der Ärztetag am Donnerstag berufsrechtlich die Möglichkeit zur ausschließlichen Fernbehandlung auf den Weg gebracht hat, kündigt bereits einen Tag später der Schweizer Anbieter Medi24 forcierte Marktbearbeitung in Deutschland an. "Mit der Lockerung des Fernbehandlungsverbots wird die Telemedizin rasch Verbreitung finden. Wir verzeichnen seit einiger Zeit vermehrt Anfragen von deutschen Krankenversicherern, die unsere Erfahrung nutzen möchten", lässt Firmenchef Angelo Eggli verlauten. "Medi24 ist vorbereitet, seine Kapazitäten schnell hochzufahren."

Mehrsprachig und rund um die Uhr

Medi24 hat den Status einer Schweizer Arztpraxis. Das zur Allianz-Versicherungsgruppe gehörende Unternehmen bietet telemedizinische Beratung rund um die Uhr, auf Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch. Von der Gründung 1999 an wurden bis heute eigenen Angaben zufolge 4,5 Millionen medizinische Beratungsgespräche im Fernkontakt geführt. Darüber hinaus fungiert Medi24 als Notfall- und Praxistelefon für eidgenössische Ärztenetzwerke und Krankenhäuser.

Mit so viel Know-how und Finanzkraft im Rücken nährt der in der Bundeshauptstadt Bern ansässige Telemed-Anbieter Befürchtungen, denen der Erfurter Ärztetag in einer begleitenden Entschließung Ausdruck gab: "Kapitalorientierte Gesellschaften dürfen im vertragsärztlichen Sektor nicht in Konkurrenz zu Vertragsärzten treten oder gar Betreibereigenschaften für medizinische Versorgungszentren erhalten".

Keine AU im Fernkontakt?

Auf diesen Appell des Ärzteparlaments verweist in einer aktuellen Stellungnahme auch die Freie Ärzteschaft. Mit dem Fall des bisherigen Fernbehandlungsverbots sei "kein Freifahrtschein für jedwede Anbieter und Art der Fernbehandlung ausgestellt" worden, so der rund 2000 Mitglieder zählende Ärztebund. In dieselbe Richtung gehe auch der ebenfalls in Erfurt verabschiedete Entschließungsantrag gegen Krankschreibungen im Fernkontakt.

Was am Ende alles via Fernbehandlung möglich ist, wird freilich in Berlin entschieden. Im Koalitionsvertrag heißt es dazu nur lapidar: "Die einschränkenden Regelungen zur Fernbehandlung werden wir auf den Prüfstand stellen". Karin Maag, gesundheitspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, lässt durchblicken, dass die Meinungsbildung zumindest in der Union keineswegs auf ein zügelloses Fernbehandlungsgeschäft hinausläuft. "Den Ausbau von Onlinesprechstunden begrüße ich sehr". Das dürfe aber "selbstverständlich nicht dazu führen, dass der direkte Kontakt zwischen Arzt und Patient künftig ganz ausbleibt". Bestenfalls, so Maag weiter, "sollte vor allem der erste Arztkontakt nach wie vor in der Arztpraxis stattfinden".

Jameda erwartet Nachfrageschub

Die Jameda-Tochter Patientus, nach eigenen Angaben bundesweit größter Dienstleister für Arztkonsultationen online, rechnet jedenfalls mit weiterem Wachstum. Jameda-Geschäftsführer Dr. Florian Weiß: "Wir glauben fest daran, dass der Beschluss der Bundesärztekammer für Aufwind im Ausbau der Fernbehandlung sorgen wird und Ärzte überzeugt, ihren Patienten den Service einer Fernbehandlung anzubieten".

Auch der private Versicherer Ottonova, der seinen Kunden bereits Telesprechstunden beim Schweizer Anbieter Eedoctors zahlt, begrüßt die berufsrechtliche Lockerung des Fernbehandlungsverbots. Sobald mehrere Landesärztekammern die Neuregelung umgesetzt hätten, werde Ottonova deutsche Ärzte mit ins Boot nehmen, versichert Vorstandschef Dr. Roman Rittweger, der selbst Arzt ist. Dazu habe er bereits Gespräche mit einem hiesigen Telemed-Dienstleister geführt. Die Zusammenarbeit mit Eedoctors wolle man jedoch gleichfalls fortsetzen.

Der Bundesverband Gesundheits-IT bvitg betonte, "die Lockerung des Fernbehandlungsverbots war längst überfällig". Damit "telemedizinische Leistungen so schnell wie möglich integraler Bestandteil der Versorgung werden", gelte es nun, auch finanzielle Anreize zu deren Einsatz zu schaffen. "Ein Verbot zu lockern reicht alleine nicht aus, ist aber ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", so bvitg-Geschäftsführer Sebastian Zilch.(Mitarbeit: iss)

Im Wortlaut

Paragraf 7, Absatz 4 der Musterberufsordnung wurde beim Ärztetag in Erfurt wie folgt geändert:

"Ärztinnen und Ärzte beraten und behandeln Patientinnen und Patienten im persönlichen Kontakt.

Sie können dabei Kommunikationsmedien unterstützend einsetzen. Eine ausschließliche Beratung oder Behandlung über Kommunikationsmedien ist im Einzelfall erlaubt, wenn dies ärztlich vertretbar ist und die erforderliche ärztliche Sorgfalt insbesondere durch die Art und Weise der Befunderhebung, Beratung, Behandlung sowie Dokumentation gewahrt wird und die Patientin oder der Patient auch über die Besonderheiten der ausschließlichen Beratung und Behandlung über Kommunikationsmedien aufgeklärt wird."

Lesen Sie dazu auch: 121. Deutscher Ärztetag: Fernbehandlungsverbot gekippt

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