Nordafrika

Tunesien auf Erfolgskurs bei Medizintourismus

Nach der Jasminrevolution 2010/2011 entwickelt sich Tunesien zu einem Refugium für kaufkräftige Patienten aus der Region. Medizintouristen gelten im Land als sicher vor Terrorismus & Co.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

TUNIS. Tunesien hat sich in puncto Medizintourismus in Nordafrika zu einem regional bedeutenden Gesundheitsmarkt entwickelt. Wie die deutsche Außenhandelsagentur Germany Trade & Invest (gtai) berichtet, sorgten Patienten aus dem Ausland - zu 84 Prozent kommen sie aus Libyen - für einen Boom beim Bau von Privatkliniken. Auch deutsche Medizintechnikanbieter profitieren von der Entwicklung in dem Maghreb-Staat.

Wären 2008 erst 100.000 Patienten für medizinische Eingriffe nach Tunesien gekommen, so seien 2014 insgesamt 400.000 Medizintouristen zu verzeichnen gewesen, die sich in den inzwischen rund 75 Privatkliniken behandeln ließen.

Im gleichen Zeitraum haben sich die Ausgaben der Medizintouristen laut gtai von einer Million auf rund sieben Millionen Tunesische Dinar (tD) - rund 3,1 Millionen Euro - versiebenfacht.

Gegenüber Krisen gewappnet

Der Medizintourismus, der kaum von Europäern in Anspruch genommen werde, sei gegenüber Sicherheitsrisiken besser gewappnet als der klassische Tourismus. Im Land der Jasminrevolution 2010/2011 - Tunesien war der Ausgangsstaat des Arabischen Frühlings - steht laut gtai seit dem Sturz des Regimes des Staatsoberhauptes Zine el-Abidine Ben-Ali der Ausbau von Kliniken auch in benachteiligten Regionen an (wir berichteten).

Aufgrund der politischen Unsicherheit sei lange nicht klar gewesen, wie schnell Privatinvestitionen in Neubauten münden würden.

Die tunesische Regierung wolle die Herkunftsländer der Medizintouristen stärker diversifizieren, sie fokussiere vor allem Algerien und Subsahara-Afrika. Hier seien in den letzten Jahren gestiegene Patientenzahlen zu verzeichnen.

 Außerdem planten die tunesischen Klinikbetreiber, die Nachbarmärkte durch den Bau und Betrieb von Krankenhäusern im Ausland zu erschließen. Die wichtigsten Behandlungsfelder bei Medizintouristen seien die Kardiologie, die Hüft- und Endoprothetik sowie die ästhetische und plastische Chirurgie, aber auch Knochenmarktransplantationen.

Mangelhafte Versorgungslage in Nachbarländern

Die Kombination aus einem hohen ärztlichen und paramedizinischen Niveau und der niedrigen Kosten stärke den Gesundheitstourismus. Zudem sei die Versorgungslage in den Nachbarländern Algerien und Libyen, aber auch im subsaharischen Afrika, mangelhaft.

Weiterhin herrsche ein Überschuss an medizinischen Fachkräften vor. Nicht zuletzt fördere die restriktive Visavergabe für Europa den tunesischen Gesundheitsmarkt.

Tunesien ist, wie die gtai hervorhebt, mit 41 Zentren nach Frankreich der wichtigste Anbieter von Thalassotherapien, für die hoher Modernisierungsbedarf bestehe. In Tunesien gebe es auch 45 Thermalanlagen, die zum großen Teil unterinvestiert und für Auslandstouristen kaum erschlossen seien.

Gerade im Privatsektor suchten tunesische Akteure aus dem Gesundheitsbereich Kooperationen mit ausländischen Unternehmen bei Ausbildung und Klinikmanagement. Die Anzahl gut ausgebildeter Ärzte biete Potenzial für internationale Kooperationen in der Telemedizin.

Insgesamt finden sich laut gtai in Tunesien 25 größere staatliche Polikliniken, darunter drei Militärkrankenhäuser und eines der Sicherheitskräfte. Sieben davon seien Universitätskliniken. Zudem verfüge das Land über 33 Regionalkrankenhäuser, über 100 Entbindungsstationen und mehr als 2000 Einheiten für die Grundversorgung sowie zusätzlich neun von Universitäten betriebene Regionalkrankenhäuser.

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