Zava-Gründer im Interview

„Viele Anrufer öffnen sich in der Videosprechstunde eher“

Von Niedergelassenen werde man nicht nur als Konkurrent, sondern auch als Partner wahrgenommen. Im Markt für Telemedizin sei Platz für alle, versichert David Meinertz, Gründer des digitalen Arztkontakts „Zava“.

Von Dirk Schnack Veröffentlicht:
Mittelfristig werden drei bis vier von zehn Arztkontakten telemedizinisch erfolgen, ist David Meinertz, Gründer der digitalen Sprechstunde „Zava“ überzeugt.

Mittelfristig werden drei bis vier von zehn Arztkontakten telemedizinisch erfolgen, ist David Meinertz, Gründer der digitalen Sprechstunde „Zava“ überzeugt.

© Dirk Schnack

Hamburg. Der bisher nur im Selbstzahlergeschäft tätige Telesprechstunden-Anbieter Zava (früher: „DrEd“) verzeichnet seit Beginn der Coronavirus-Pandemie Nachfrage auf Rekordniveau.

Gründer und CEO David Meinertz erwartet, dass die Deutschen auch künftig deutlich häufiger ihren Arzt telemedizinisch konsultieren als vor der Pandemie.

Ärzte Zeitung: Herr Meinertz, Sie haben in Hamburg eine Deutschland-Niederlassung eröffnet. Ist London kein guter Standort mehr?

David Meinertz: Doch, London bleibt unser Hauptsitz. Aber Deutschland ist unser wichtigster Markt und nachdem das Fernbehandlungsverbot nicht mehr gilt, wollen wir hier präsent sein.

Physische Präsenz spielt in ihrem Geschäftsmodell ja gerade keine Rolle. Warum müssen Sie vor Ort sein?

Meinertz: Für das Gespräch zwischen Arzt und Patient spielt es keine Rolle, das stimmt. Aber wir schätzen die Nähe zu unseren Stakeholdern. Wir wollen mit Ärzten, Krankenkassen und Politik in noch direkteren Austausch treten, gerne auch mal von Angesicht zu Angesicht.

In Deutschland kennen viele Menschen Sie unter dem Namen Zava gar nicht. Warum haben Sie Ihren Namen geändert – war das Image von DrEd so schlecht?

Meinertz: Nein, das war es nicht. Aber viele Menschen hatten das Konzept von DrEd nicht verstanden und glaubten, dass sich dahinter ein Arzt verbirgt, der wirklich so heißt. Wir konnten mit dem Namen nicht vermitteln, dass keine übliche Arztpraxis dahinter steckt. Auch haben viele Menschen den Begriff durchgehend ohne Punkt gelesen. Deshalb haben wir uns für eine Änderung entschieden.

Sie selbst sind Jurist. Wie kommt man nach einem Jurastudium auf die Idee, den Europäern Telemedizinleistungen anzubieten?

Meinertz: Ich komme aus einer Arztfamilie, hatte also Grundkenntnisse. Als Patient mit Bluthochdruck musste ich regelmäßig in die Arztpraxis, um Folgerezepte zu holen. Dreiviertel dieser Besuche liefen ohne Arztkontakt. Das geht auch anders, das lässt sich mit weniger Zeitaufwand erledigen. Das war die Grundidee.

… aus der ein Unternehmen entstanden ist, das seitdem allein in Deutschland über 600.000 Arztkonsultationen telemedizinisch abgewickelt hat. Was fragen die Patienten Ihre Ärzte, was sie ihren Hausarzt nicht fragen?

Meinertz: Die meisten benötigen Folgerezepte. Dann folgen Beschwerden wie Blasenschwäche, Herpes und Heuschnupfen. Ein Drittel der Anrufe erfolgt übrigens zwischen 18 Uhr und 6 Uhr – wenn die hausärztlichen Praxen geschlossen sind. Viele dieser Anrufer sagen uns, dass sie mit ihren Beschwerden nicht in die Notaufnahme möchten. Zava entlastet also das Gesamtsystem.

…das Notfallsystem. Ansonsten ist Ihr Angebot doch eher eine Konkurrenz für die Arztpraxen.

Meinertz: Das bekommen wir von Ärzten so nicht zu hören. Im Gegenteil: Auch niedergelassene Ärzte können für uns als Partnerärzte tätig sein und nach unserer Wahrnehmung werden wir auch als Partner, der dieses Angebot für sie schafft, wahrgenommen. Außerdem entlasten wir auch das gesamte ambulante Gesundheitssystem, weil die Praxisinhaber sich auf die Fälle konzentrieren können, die eine körperliche Untersuchung erfordern.

Wer arbeitet für sie als Arzt und warum?

Meinertz: Wir beschäftigen in Deutschland derzeit rund 25 festangestellte Ärzte und weitere 25 Partner-Ärzte, die das ein paar Nachmittage pro Woche neben ihrer Praxis machen. Oft sind dies Ärzte, die Telemedizin grundsätzlich für wichtig halten und darin eine Entlastung, Ergänzung oder Weiterentwicklung des Systems sehen.

Andere schätzen die Abwechslung und Flexibilität zur Tätigkeit in der Praxis oder einer Klinik. Manche von ihnen können sich schlicht nicht vorstellen, täglich in der Klinik zu arbeiten.

Gespräche mit Patienten per Video sind eine besondere Herausforderung und nicht vergleichbar mit dem unmittelbar persönlichen Kontakt. Erfahren Ihre Ärzte überhaupt genug von den Patienten?

Meinertz: Ja, dafür werden sie von uns gezielt geschult. Tatsächlich ist es sogar so, dass viele Anrufer sich in der Videosprechstunde eher öffnen als von Angesicht zu Angesicht.

Nach unserer Erfahrung hilft auch, dass manche ja auch unsere Fragen vorher schriftlich beantworten. Damit bekommt das anschließende Gespräch mehr Tiefe. Insbesondere Männern scheint es leichter zu fallen, auf diesem Weg mehr von sich preiszugeben.

Mit der Pandemie hat die Nutzung der Videosprechstunde stark zugenommen. Immer mehr Ärzte in Deutschland bieten diese schon an oder beabsichtigen dies. Ist das eine Gefahr für Ihr Geschäftsmodell?

Meinertz: Bestimmt nicht. Der Markt ist riesengroß und ich freue mich, wenn mehr Ärzte diesen Weg gehen und damit die Akzeptanz weiter erhöhen. Bei den Patienten war diese Akzeptanz ohnehin schnell vorhanden, dann folgten die Krankenkassen, die Politik und die ärztlichen Institutionen. Die Pandemie beschleunigt die Akzeptanz zusätzlich. Wir hatten im zweiten Quartal europaweit einen Anstieg der Anruferzahl um 60 Prozent gegenüber 2019.

Das wird nicht auf diesem Niveau bleiben, aber ich erwarte, dass mittelfristig drei bis vier von zehn Arztkontakten telemedizinisch erfolgen werden. Viele Anrufer waren extrem froh, dass es unser Angebot gab, sie wollten in den Wochen des Lockdowns nicht in die Praxen.

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