BGH-Urteil

Zwangsbehandlung auch ohne feststellbaren Patientenwillen möglich

Betreuer können unter bestimmten Umständen die Behandlung eines Patienten beim Amtsgericht beantragen, so der Bundesgerichtshof.

Veröffentlicht:

Karlsruhe. Eine medizinische Zwangsbehandlung kann auch dann genehmigt werden, wenn ein diesbezüglicher Wille des Betreuten nicht feststellbar ist. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem aktuell veröffentlichten Leitsatzurteil klargestellt. Entscheidend sei dann der mutmaßliche Wille.

Der im Streitfall Betroffene hat eine paranoid-halluzinatorische Psychose und eine mittelgradige Intelligenzminderung. Er ist nicht geschäftsfähig und spricht kaum Deutsch.

2017 beantragte sein Betreuer beim zuständigen Amtsgericht die Zustimmung zu einer zahnärztlichen Zwangsbehandlung, konkret einer Gebisssanierung, die bei dem Betreuten nur unter Vollnarkose möglich sei. Andernfalls könne es aber zu einem Absterben der Zahnnerven und dann zu eitrigen Entzündungen kommen.

Der mutmaßliche Wille zählt

Das Amtsgericht und auch das Landgericht stimmten nicht zu. Das Gesetz erlaube eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur, wenn sie „dem zu beachtenden Willen des Betreuten entspricht“. Hier sei der Mann geschäftsunfähig und gar nicht in der Lage, seinen Willen frei zu bestimmen. Der Antrag sei daher nicht genehmigungsfähig.

Dem widersprach nun der BGH. „Die Regelung ist dahin auszulegen, dass eine Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme auch dann genehmigt werden kann, wenn ein zu beachtender Wille des Betroffenen nicht festgestellt werden kann“, heißt es im Leitsatz des Karlsruher Beschlusses. Laut Gesetz komme dann es auf den mutmaßlichen Willen an, etwa auf frühere Äußerungen sowie ethische und religiöse Überzeugungen. Den Antrag könne der Betreuer stellen.

Nach diesen Maßgaben soll nun das Landgericht neu über die Gebisssanierung entscheiden. (mwo)

Bundesgerichtshof, Az.: XII ZB 173/18

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Nachgefragt bei Kammern und KVen

Dass Behandlungen abgelehnt werden, kommt selten vor

Welchen Spielraum es gibt

Patienten rechtssicher ablehnen: So geht’s

Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Nachgefragt bei Kammern und KVen

Dass Behandlungen abgelehnt werden, kommt selten vor

Zwei Phase-III-Studien gescheitert

Semaglutid wirkt nicht gegen Alzheimer

Lesetipps
Fünf Menschen im Wartezimmer.

© Tyler Olson / stock.adobe.com

Einteilung in fünf Gruppen

Diabetes: Risiken für Komorbiditäten vom Subtyp abhängig