Langzeitstudie

Sieben Faktoren für ein gesundes Herz schützen auch vor Demenz

Wer mit 50 Jahren nicht raucht, nicht dick ist, sich gesund ernährt, Sport treibt und normale Blutzucker-, Blutdruck- und Cholesterinwerte aufweist, der kann die Hirnalterung bis um fünf Jahre verzögern.

Thomas MüllerVon Thomas Müller Veröffentlicht:
Sich fit zu halten und gesund zu ernähren lohnt sich – körperlich wie geistig. Einen gewissen Schutz vor Demenz weist eine aktuelle Studie nach.

Sich fit zu halten und gesund zu ernähren lohnt sich – körperlich wie geistig. Einen gewissen Schutz vor Demenz weist eine aktuelle Studie nach.

© Robert Kneschke / Fotolia

Das Wichtigste in Kürze

Frage: Wie gut schützt ein herzgesundes Leben vor Demenz?

Antwort: Die Hirnalterung lässt sich um bis zu fünf Jahre verzögern.

Bedeutung: Eine hohe Punktzahl beim Life’s-Simple-7-Score im mittleren Lebensalter spricht für ein geringes Demenzrisiko 25 Jahre später.

Einschränkung: Kleine Berechnungsgrundlage: Nur wenige Studienteilnehmer an Demenz erkrankt.

Paris. Vor neun Jahren hat die American Heart Association (AHA) den Score „Life’s Simple 7“ vorgestellt (siehe Infokasten). Damit lassen sich Faktoren für die kardiovaskuläre Gesundheit besonders plakativ erfassen. Da Herzkreislaufrisiken eine Demenz fördern, sollte der simple Sieben-Faktoren-Score auch in der Lage sein, das Demenzrisiko abzuschätzen. Das scheint offenbar ganz gut zu klappen, berichten Epidemiologen um Séverine Sabia von der Université de Paris in einer aktuellen Publikation (MJ 2019; 366 doi: https://doi.org/10.1136/bmj.l4414 ).

Sie haben den Score bei knapp 7900 Teilnehmer der Whitehall-II-Kohortenstudie aus Fragebogenangaben und Laborwerten berechnet, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die Teilnehmer rund 50 Jahre alt waren. Dann schauten sie, wer im Laufe von zwei bis drei Dekaden an einer Demenz erkrankte. Und das waren bevorzugt solche Personen, die mit 50 Jahren besonders schlechte Werte beim Simple-7-Score aufwiesen.

Für die Whitehall-II-Studie wurden Mitte der 1980er-Jahre ausschließlich britische Staatsbedienstete aufgenommen. Sie waren damals überwiegend zwischen 35 und 55 Jahre alt. Zu Beginn und in regelmäßigen Abständen wurden sie ausführlich zu ihren Lebensgewohnheiten befragt, zudem nahmen die Studienärzte Blutproben.

Die Forscher um Sabia ordneten die Teilnehmer gemäß des Simple-7-Scores in Gruppen mit schlechter (0–6 Punkte), mäßiger (7–11 Punkte) und guter kardiovaskulärer Gesundheit (12–14 Punkte) ein. In den jeweiligen Gruppen befanden sich 12%, 76% und 12% der Teilnehmer.

Um 43 % geringere Demenzinzidenz

Nach einer medianen Nachbeobachtungsdauer von 25 Jahren war bei 347 Beteiligten (4,4 %) eine Demenz erkannt worden. Bezogen auf 1000 Personenjahre erreichte die Demenzinzidenz einen Wert von 3,2 in der Gruppe mit den niedrigsten Scores sowie von 1,8 und 1,3 in den Gruppen mit mäßigen und guten Werten. Unter Berücksichtigung diverser Begleitfaktoren war die Inzidenz bei mittleren Werten um 39 % und bei den besten Werten um 43 % geringer als in der Gruppe mit den niedrigsten Scores.

Rein rechnerisch fällt mit jedem Punkt, der im Simple-7-Score zusätzlich erreicht wird, das Demenzrisiko um 11 %. Der Effekt hängt nicht vom ApoE-Status ab – Teilnehmer mit dem E4-Allel profitieren in ähnlichem Maße wie jene ohne.

Der Zusammenhang schwächte sich jedoch bei denjenigen ab, die im Laufe der Studie eine kardiovaskuläre Erkrankung entwickelten. Eine solche verdoppelte die Demenzinzidenz, die Ausgangswerte beim Simple-7-Score waren dann weniger relevant.

Rund 10 % der Teilnehmer unterzogen sich 20 Jahre nach Studienbeginn einer strukturellen MRT. Dabei stellten die Forscher um Sabia ein deutlich verringertes Gesamthirnvolumen sowie ein verringertes Volumen der grauen Substanz bei den Teilnehmern fest, die zum Studienbeginn einen niedrigen Simple-7-Score aufgewiesen hatten. Die Reduktion entsprach einer altersbedingten Abnahme von fünf bis sechs Monaten pro Punkt.

Nutzen steigt linear mit dem Score

Wer also mit 50 Jahren nicht im Geringsten auf seine kardiovaskuläre Gesundheit achtet, hat bereits mit 70 Jahren ein ähnlich atrophiertes Gehirn wie jemand mit 75, der sehr gesund lebt. Eine gute Adhärenz zu den Simple-7-Empfehlungen scheint die Hirnalterung um bis zu fünf Jahre zu verzögern.

Da der Nutzen linear mit dem Score steigt, dürften jedoch schon kleine Änderungen die Hirngesundheit verbessern und das Demenzrisiko spürbar senken, schreiben die Wissenschaftler.

Ein großes Manko der Studie ist jedoch die relativ kleine Anzahl Demenzkranker, auf der sämtliche Berechnungen beruhen. Dies birgt ein hohes Fehlerrisiko.

Auf validere Daten wird man jedoch noch ein bis zwei Dekaden warten müssen – bis die Whitehall-II-Teilnehmer auf ein Alter von 80 bis 90 Jahren zusteuern.

Der Life’s-Simple-7-Score

(0–14 Punkte, höhere Punktzahl = bessere kardiovaskuläre Gesundheit)

Rauchen:

  • 0 – aktuell
  • 1 – früher
  • 2 – nie

Körperliche Aktivität

  • 0 – keine
  • 1 – bis 149 min/Woche moderat
  • 2 – ab 150 min/Woche moderat oder ab 75 min/Woche anstrengend

Ernährung:

  • 0 – < 2 Portionen Obst und Gemüse am Tag und keine Ballaststoffe
  • 1 – = 2 Portionen Obst und Gemüse am Tag oder Ballaststoffe
  • 2 – = 2 Portionen Obst und Gemüse am Tag und Ballaststoffe

BMI:

  • 0 – = 30
  • 1 – 25–29,9
  • 2 – < 25

Nüchternglukose:

  • 0 – = 126 mg/dl
  • 1 – 100–125 unbehandelt oder < 100 mg/dl unter Behandlung
  • 2 – < 100 mg/dl ohne Behandlung

Serumcholesterin

  • 0 – = 240 mg/dl
  • 1 – < 200 mg/dl behandelt oder 200–239 mg/dl unbehandelt
  • 2 – < 200 mg/dl unbehandelt

Blutdruck

  • 0 –systolisch = 140 mmHg oder diastolisch = 90 mmHg
  • 1 – < 120/80 mmHg behandelt oder unbehandelt systolisch 120–139 mmHg oder diastolisch 80–89 mmHg
  • 2 – <120/80 mmHg unbehandelt
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