Alte und benachteiligte Menschen haben oft ein hohes Risiko für Diabetes

"Hilfe für jeden" ist das Motto des heutigen Welt-Diabetes-Tages. Mit gezielten Aktionen soll mehr Aufmerksamkeit für Diabetes bei besonders Benachteiligten und Gefährdeten in der Gesellschaft geschaffen werden.

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Viele Diabetiker bekommen keine angemessene Therapie. Auch wissen viele Menschen nicht, daß sie ein hohes Risiko für Diabetes mellitus haben und wie sie der Krankheit vorbeugen können. Vor allem sozial Schwache und andere Randgruppen wie Migranten, ethnische Minderheiten, Behinderte und alte Menschen haben hier oft große Defizite.

"Auch in Deutschland haben Menschen aus unteren Sozialschichten im Vergleich zu Menschen höherer Schichten ein besonders hohes Risiko für Diabetes", sagt Professor Elisabeth Steinhagen-Thiessen. So haben Menschen aus der Unterschicht besonders oft schweres Übergewicht, was mit einer hohen Rate an Diabetes mellitus verbunden ist.

Menschen aus der Türkei haben oft genetische Krankheiten

Ebenso ist bei einigen Migrantengruppen die Diabetesrate sehr hoch, sagt die ärztliche Leiterin des Evangelischen Geriatriezentrums Berlin. So würden zum Beispiel bei Menschen aus der Türkei wegen oft noch praktizierter Vettern- und Cousinenheirat genetisch bedingte Stoffwechselstörungen in der Bevölkerung multipliziert. Ein besonders hohes Risiko für Diabetes haben in Deutschland außerdem alte Menschen.

"Etwa jeder dritte Patient in geriatrischen Kliniken hat die Nebendiagnose Typ-2- Diabetes", sagt Steinhagen-Thiessen, die bei der zentralen Veranstaltung zum Welt-Diabetes-Tag in Berlin zum Thema sprechen wird. Besonders auch bei alten Menschen müsse daher versucht werden, mit Bewegung und gesunder Ernährung einem Diabetes vorzubeugen oder dadurch die Stoffwechselstörung in den Griff zu bekommen.

"Für die Prävention ist es nie zu spät. Man muß alte Menschen vor allem an Muskelarbeit heranführen", sagt die Geriaterin. Sie rät Patienten zum Beispiel zu Seniorensport im Verein, Schwimmen oder Training auf dem Fahrradergometer.

Auch wenig mobile Menschen können Sport treiben

Für wenig mobile und körperbehinderte Patienten gibt es zudem Hockergymnastik oder Training mit einem motorbetriebenen Gerät zur Bewegungstherapie (etwa MOTOmed, www.motomed.de). Auch bei bleibenden Schäden etwa nach Schlaganfall ist hiermit langfristig ein körperliches Training möglich.

"Für die Diabetes-Therapie von alten Menschen gibt es heute viele Hilfsmittel", sagt die Geriaterin. Dazu gehören zum Beispiel Blutzuckermeßgeräte oder Insulin-Pens mit gut ablesbaren großen Zahlen. Können alte Patienten die Therapie nicht mehr selbst bewältigen, müsse eine Sozialstation eingeschaltet werden.

Die Geriaterin plädiert für eine strikte Behandlung gegen Diabetes und Fettstoffwechselstörungen, vor allem um Gefäßkomplikationen vorzubeugen. Besonders auch der LDL-Wert müsse bei alten Menschen unter 100 mg/dl gesenkt werden. (eis)

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14. November erinnert an Insulin-Forscher

Mit dem Welt-Diabetes-Tag am 14. November wird dem Geburtstag von Frederick Benting gedacht. Der Orthopäde aus Toronto in Kanada hatte zusammen mit dem Medizinstudenten Charles Best 1922 das Insulin entdeckt und ein Jahr später dafür den Nobelpreis für Medizin erhalten.

Die zentrale Veranstaltung zum Welt-Diabetes-Tag in Deutschland findet heute in Berlin statt. Im Berliner Congress Centrum (BCC) am Alexanderplatz gibt es ein Symposium mit Vorträgen zu Diabetes mellitus bei alten Menschen und Benachteiligten in der Gesellschaft (Infos: www.diabetes-union.de). 

EPIDEMIOLOGIE

Etwa 6,3 Millionen Diabetiker gibt es nach Schätzungen in Deutschland, 90 Prozent davon sind Typ-2- Diabetiker. Bis zum Jahr 2010 rechnen Experten mit einer Zunahme um 50 Prozent, das heißt, dann soll es etwa 10 Millionen Diabetiker bei uns geben.

Von Kindern und Jugendlichen im Alter bis 19 Jahre sind in Deutschland etwa 25 000 an Typ-1-Diabetes erkrankt. Außerdem erkranken etwa 200 Kinder und Jugendliche jedes Jahr an Typ-2-Diabetes.

Begleiterkrankungen sind bei Diabetes mellitus häufig. 77 Prozent der Diabetiker haben Bluthochdruck und 30 bis 50 Prozent haben Fettstoffwechselstörungen. Zudem leiden etwa zwölf Prozent der Diabetiker an Retinopathie und elf Prozent an Neuropathie.

An Herzinfarkt und anderen kardiovaskulären Erkrankungen sterben 75 Prozent aller Diabetiker. Oft wird die Stoffwechselerkrankung erst bei einem Herzinfarkt diagnostiziert.

Von Patienten mit Schlaganfall haben mindestens 20 Prozent Diabetes mellitus. Bei Diabetikern entwickelt sich die Atherosklerose früher und ausgeprägter als bei Stoffwechselgesunden. Diabetiker mit Schlaganfall haben daher oft auch eine schlechte Prognose.

Amputationen an Beinen und Füßen mußten im Jahr 2003 bei 45 000 Diabetikern in Deutschland vorgenommen werden. Jeder zweite Diabetiker mit einer Amputation muß binnen vier Jahren auch am anderen Bein amputiert werden.

Nierenversagen wird in Deutschland am häufigsten durch Diabetes mellitus verursacht. Etwa 90 Diabetiker pro eine Million Einwohner werden jedes Jahr dialysepflichtig. Etwa 30 000 Euro im Jahr kostet eine Dialysebehandlung.

Das Augenlicht haben in Deutschland im Jahr 1997 etwa 14 Diabetiker pro 100 000 Einwohner verloren, aktuelle Zahlen fehlen hierzu. Augenärzte klagen über ein mangelndes Bewußtsein von Diabetikern für ophthalmologische Kontrolluntersuchungen. (eis) 

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