Was bringt ein Blutdrucksenker bei noch normalen Blutdruckwerten?

US-Hochdruckforscher haben jetzt erstmals geprüft, ob sich mit einem Blutdrucksenker bei Patienten mit noch normalen Blutdruckwerten die Entwicklung einer manifesten Hypertonie verhindern oder verzögern läßt. Zumindest einen kleinen Erfolg konnten sie dabei erzielen. Eine allgemeine Empfehlung, künftig die Grenzen für den Einstieg in die medikamentöse Behandlung von Patienten mit Hypertonie niedriger anzusetzen, wollen sie aus ihren Studienergebnissen allerdings nicht ableiten.

Veröffentlicht:

Peter Overbeck

Wo ein normaler Blutdruck aufhört und Bluthochdruck beginnt, verdankt sich einer mehr oder weniger willkürlichen Festlegung. Epidemiologen konnten jedenfalls in ihren Studien keine scharfe Blutdruckgrenze ausmachen, oberhalb deren es zu einem markanten Anstieg des Risikos kommt. Vielmehr läßt sich die Beziehung zwischen Blutdruckhöhe und Inzidenz kardiovaskulärer Ereignisse als ein Kontinuum charakterisieren.

Blutdruckwerte, die hierzulande als normal bis hochnormal gelten (120-139/80-89 mmHg), fallen gemäß den US-Leitlinien zum Bluthochdruck seit 2003 unter die Kategorie "Prähypertonie". In Europa konnte man sich mit dieser neuen Klassifikation, die ein sprachliches Warnsignal für ein erhöhtes Hypertonie-Risiko setzen sollte, nicht anfreunden.

Progression zur Hypertonie seltener mit Candesartan

Eine Team von Hypertonie-Forschern um Professor Stevo Julius hat nun in der TROPHY-Studie (Trial of Preventing Hypertension) getestet, ob sich bei Personen mit "prähypertonen" Blutdruckwerten der häufige Übergang in eine manifeste Hypertonie durch Behandlung mit dem AT1-Rezeptorblocker Candesartan verhindern oder aufhalten läßt.

Aufgeteilt auf zwei Gruppen sind 809 relativ junge Studienteilnehmer (Durchschnittsalter: 48 Jahre) entweder vier Jahre lang nur mit Placebo oder zunächst zwei Jahre lang mit Candesartan und danach für weitere zwei Jahre ebenfalls mit Placebo behandelt worden.

In der Candesartan-Gruppe war die Hypertonie-Inzidenz nach zwei Jahren im Vergleich zur Placebo-Behandlung um 66,3 Prozent niedriger (Inzidenz: 13,6 versus 40,4 Prozent). Allerdings läßt sich schwer sagen, ob die Hypertonie in dieser Zeit wirklich verhindert oder durch die Blutdrucksenkung nur maskiert worden ist.

Nach weiteren zwei Jahren - nun mit Placebo in beiden Gruppen - hatten sich die Inzidenzraten deutlich angenähert. Allerdings war die Hypertonie-Rate bei vormals mit Candesartan behandelten Probanden zu diesem Zeitpunkt immer noch um 15,6 Prozent niedriger als in der Vergleichsgruppe (Inzidenz: 53,2 versus 63 Prozent) - also doch ein gewisser Verzögerungseffekt.

Julius zeigte sich darüber zufrieden, die Machbarkeit (feasibility) einer antihypertensiven Therapie schon im Vorstadium des Bluthochdrucks demonstriert zu haben. Aber sollte das, was machbar ist, auch gemacht werden? Julius entschied sich in diesem Fall für ein klares Nein: Dafür, bislang als hochnormal geltende Blutdruckwerte in eine Indikation für die Therapie mit Blutdrucksenkern umzuwandeln, sei es noch zu früh.

Angesichts der hohen Rate von Patienten mit Progression von hochnormalen zu hypertensiven Blutdruckwerten - diese Rate lag in der Placebogruppe bei über 60 Prozent - hält Julius es aber für gerechtfertigt, Personen mit "Prähypertonie" relativ engmaschig - mit Kontrollen etwa alle drei Monate - zu überwachen.

In Europa sind hochnormale Blutdruckwerte übrigens - unter bestimmten Bedingungen - bereits eine anerkannte Indikation. Die 2003 aktualisierten Empfehlungen der europäischen Fachgesellschaften für Hypertonie (ESH) und Kardiologie (ESC) knüpfen die Behandlungsindikation erstmals an zwei Kriterien:

  • an die Höhe des systolischen und diastolischen Blutdrucks und
  • an das globale kardiovaskuläre Risiko des Patienten.

Entscheidendes Kriterium ist dabei das Risikoprofil: Davon hängt ab, bei welcher Blutdruckhöhe interveniert werden soll. ESH und ESC haben damit die Schwelle für den Therapiebeginn flexibilisiert. Sie empfehlen Ärzten, zunächst das globale kardiovaskuläre Risiko ihrer Patienten zu bestimmen. Das Ergebnis dieser Risikostratifizierung ist maßgebend dafür, ob behandelt werden sollte.

Auch bei hochnormalen Werten kann eine Therapie indiziert sein

Hochnormale Blutdruckwerte bei einem Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko sind danach bereits eine Indikation für eine medikamentöse Therapie. Als Indikatoren für ein hohes Risiko gelten etwa ein früherer Schlaganfall, eine koronare Herzerkrankung und Diabetes mellitus.

Umgekehrt wird bei Patienten mit niedrigem Risiko auch bei Hypertonie der Grade 1 oder 2 nicht zwingend eine sofortige Behandlung mit Antihypertensiva als notwendig erachtet. Die Leitlinien halten es für vertretbar, wenn zunächst über einen längeren Zeitraum der Blutdruck regelmäßig kontrolliert und gegebenenfalls eine Senkung mit Hilfe nicht-medikamentöser Maßnahmen angestrebt wird. Erst bei ausbleibendem Erfolg sei dann eine medikamentöse Therapie in Betracht zu ziehen.

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