INTERVIEW

Sind die GPT-Werte erhöht, sollte ein Test auf Hepatitis B und C erfolgen

In Deutschland sterben mehr Menschen an den Folgen einer Hepatitis B als an Aids. "Doch maximal jeder vierte mit Hepatitis B oder C Infizierte weiß von der Infektion", sagt Professor Stefan Zeuzem aus Frankfurt am Main im Gespräch mit Michael Hubert von der "Ärzte Zeitung". Zum Welt-Hepatitis-Tag plädiert der Hepatologe: Bei erhöhter GPT auf Leberviren testen!

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Ärzte Zeitung: Der Welt-Hepatitis-Tag 2007 steht unter dem Motto "get tested". Soll jetzt Jeder auf Virushepatitis getestet werden?

Professor Stefan Zeuzem: Nein, so ist das Motto sicher nicht zu verstehen. Aber es wäre ein großer Fortschritt, wenn wenigstens Risikogruppen konsequenter getestet würden. Daten belegen: Virushepatitis ist nach Atemwegsinfektionen die zweitwichtigste Infektionserkrankung in Deutschland, sowohl in Bezug auf die Morbidität als auch die Mortalität. Allein an den Spätfolgen einer Hepatitis B sterben bei uns pro Jahr mehr Menschen als an Aids. Wir reden also von extrem klinisch relevanten Erkrankungen.

Ärzte Zeitung: … von der aber viele Betroffene gar nichts wissen.

Zeuzem: Ja, das ist bedauerlicherweise so. Wir müssen also die Menschen mit chronischer Hepatitis B oder C identifizieren. Denn von der geschätzten eine Million Infizierter weiß bestenfalls jeder vierte von der Erkrankung.

Ärzte Zeitung: Welche Ärzte sind denn da angesprochen?

Zeuzem: Da sind vor allem die Hausärzte gefragt. Es gibt ja Vorsorgeuntersuchungen wie den Check-up 35plus. Der entscheidende Laborparameter für eine Virushepatitis ist die GPT. Die gamma-GT ist nicht geeignet, um eine Virushepatitis zu detektieren. Dieser Laborwert ist eher historisch bedingt. Lebererkrankungen werden oft immer noch mit Alkoholmissbrauch gleichgesetzt. Aber: Alkohol ist heute eine nachrangige Ursache von Lebererkrankungen, Hauptursache sind Viren und daher ist die GPT wichtig.

Ist die GPT erhöht, muss eine Virushepatitis, Hämochromatose oder nicht-alkoholbedingte Steatohepatitis (NASH) abgeklärt werden.

Ärzte Zeitung: Also soll bei erhöhter GPT ein Test auf Hepatitis-B- und C-Antikörper gemacht werden?

Zeuzem: Ja, unbedingt. Ein Test auf HBV oder HCV ist hoch kosteneffektiv. Er muss nur einmal gemacht werden, um die Virusinfektion als Ursache für die GPT-Erhöhung zu bestätigen oder auszuschließen. Und Patienten mit Hepatitis C sind heilbar. Und bei chronisch mit Hepatitis-B-Viren Infizierten besteht die Gefahr, dass sie andere ungewollt anstecken, die Infektion ist ja sexuell übertragbar. Es gibt also nur gute Gründe für die beiden Tests.

Ärzte Zeitung: Sie plädieren aber auf alle Fälle dafür, bestimmte Personengruppen generell auf Hepatitis B und C zu testen. Wer gehört denn dazu?

Zeuzem: Zunächst einmal alle Menschen mit hohem Infektionsrisiko. Dazu gehören Migranten, auch wenn das in Deutschland ein heikles Thema ist. Aber diese Menschen können ja nichts dafür, wenn sie aus Ländern mit einer hohen Prävalenz an Virushepatitiden kommen, weil etwa die Hygienebedingungen problematisch sind.

Ärzte Zeitung: Das ist aber nur eine Gruppe von Menschen.

Zeuzem: Hinzu kommen alle Personen, die vor 1990 Bluttransfusionen erhalten haben oder an denen größere zahnmedizinische Eingriffe vorgenommen wurden. Die Hygienebedingungen in der Zahnmedizin wurden nicht immer so ernst genommen wie heute: Früher haben Zahnärzte etwa ohne Handschuhe gearbeitet. Auch die Absaugschläuche werden meist nicht ausgetauscht. Da kann viruskontaminiertes Material zurückfließen. Auch wer mit Drogen jeder Art Kontakt hatte, sollte getestet werden.

Ärzte Zeitung: Und wenn der Test auf HCV oder HBV positiv ist, was soll der Hausarzt tun?

Zeuzem: Zunächst einmal den Patienten aufklären, was er für eine Erkrankung hat, welche Folgen möglich sind, und dass es Therapien gibt. Da kann auch an einen Spezialisten überwiesen werden. Auch bei Selbsthilfegruppen wie der Deutschen Leberhilfe erhalten Patienten grundlegende Informationen. Und was unbedingte Hausarztdomäne ist: Bei Patienten mit Hepatitis B muss das häusliche und intime Umfeld geimpft werden, um weitere Übertragungen zu verhindern. Und die Patienten müssen weitere schädigende Einflüsse wie Alkohol und Medikamente vermeiden. Da hat der Hausarzt eine wichtige Beratungsfunktion.

Ärzte Zeitung: Zu Änderungen des Lebensstils sind Patienten aber doch nur schwer zu bewegen.

Zeuzem: Nur weil die Erfahrungen negativ sind, sollten die Kollegen nicht auf diese Aufklärung verzichten. Jeder Patient hat das Recht, zumindest einmal ausführlich zu hören, was das Richtige ist.

Und Erfolge sind durchaus möglich, denken Sie nur an eine NASH. Die kommt oft bei Patienten mit metabolischem Syndrom und Hypertonie vor. Dann heißt es: mehr Bewegung, Gewicht runter. Denn wird gegen das metabolische Syndrom vorgegangen, wird gleichzeitig gegen die NASH behandelt. Eine Reihe meiner Patienten hat sehr wohl die Reißleine gezogen und den Diabetes, den Hochdruck und die NASH verloren. Voraussetzung sind die Infos vom Arzt, was Lebensstiländerung kann und was nicht.

Ärzte Zeitung: Und wie sieht die Lebensqualität von Patienten mit Virushepatitis heute aus?

Zeuzem: Deutlich besser als früher. Eine Hepatitis B kann heute jederzeit beherrscht werden, wenn sie so aktiv ist, dass Medikamente nötig werden. Jeder Patient kann von der Therapie profitieren. Und bei Hepatitis C können wir zwischen 55 und 85 Prozent der Patienten heilen. Das heißt, die Erkrankung ist weg. Es gibt viele internistische Krankheiten, bei denen wir diese Heilungsraten nicht haben.

Im Internet gibt es umfassende Informationen zu Virushepatitiden, hier eine kleine Auswahl:



Zur Person

Professor Stefan Zeuzem

Der Internist Professor Stefan Zeuzem ist Direktor der medizinischen Klinik I des Uniklinikums Frankfurt am Main. Ein Schwerpunkt der Arbeit des Hepatologen sind virale Erkrankungen der Leber. Zeuzem ist stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Leberstiftung, zu der auch das Kompetenznetz Hepatitis (Hep-Net) gehört. Ziel der Leberstiftung ist es, einheitliche Diagnose- und Therapiestandards zur Bekämpfung der Infektionen besonders durch Hepatitis-B- und C-Viren zu entwickeln. Zeuzem ist Gründer des Leberzentrums in Frankfurt am Main.

Lesen Sie dazu auch: Epidemiologie: Leberinfektion meist unbekannt Hohe Viruszahl: Therapie-Start! Impfung schützt vor Hepatitis B

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